Frau Pfaller, Sie sind seit März Leiterin des städtischen Kinder- und Jugendreferates. Was bisher erreicht werden?
Es ging nun erstmal darum, die Strukturen zu überdenken, mit den einzelnen Mitarbeitern zu überlegen, in welche Richtung es gehen soll und was verbessert oder verändert werden kann. Die Neuausrichtung und Weiterentwicklung steht jetzt im Vordergrund. Dafür musste ich mir auch erstmal einen Überblick verschaffen, wie der Stand der Dinge ist und wo es Unterstützung braucht.
Wie ist denn der Stand der Dinge?
Die Hauptherausforderung war eigentlich, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter relativ neu bei der Stadt angestellt sind. Es gab in den letzten Jahren einen großen Mitarbeiterwechsel und es ist quasi niemand mehr von der alten Mannschaft da. Jedoch habe ich das neue Team als sehr taff kennengelernt, da es sehr gut in sich organisiert ist und man sich auch in der kurzen führungslosen Zeit gegenseitig unterstützt hat. Die Kolleginnen und Kollegen zeigen große Eigeninitiative, setzen neue Impulse und haben teilweise nur auf ein Okay gewartet, um all ihre Ideen weiterhin umsetzen zu können.
Eine dieser Ideen, die nun weitergeführt wird, ist der Achterrat. Können Sie das Konzept kurz erklären?
Seit Dezember 2015 gibt es in der Gemeindeordnung einen neuen Paragraphen, der jede Kommune dazu verpflichtet, Jugendliche am kommunalpolitischen Geschehen zu beteiligen. Die Art und Weise, wie das geschehen soll, ist dabei freigestellt. Im Waldshut-Tiengener Gemeinderat hat man sich für die Form des Achterrates entschieden. Der Name kommt daher, dass die Teilnehmer des Projekts allesamt Achtklässler der städtisch getragenen Schulen sind. Die Schülerinnen und Schüler sammeln im Vorfeld Themen und besprechen, was sie an Waldshut gut finden, was fehlt und wo ihrer Meinung nach mehr Augenmerk draufgelegt werden sollte. Ziel ist es, diese Themen mit fachlicher und kompetenter Unterstützung, aber soweit möglich schulübergreifend und in Eigenregie, umzusetzen. Die konkreten Ergebnisse werden im Gemeinderat vorgestellt und da, wo eine Zustimmung benötigt wird, werden die Jugendlichen dies sicherlich beantragen.
Gibt es dabei schon einen Fortschritt?
Am 17. November wird in der Tiengener Stadthalle ein Workshop stattfinden, an dem die gesammelten Themen dann vorgestellt und diskutiert werden. Hier sollen sich dann die schulübergreifenden Arbeitsgruppen bilden, die ihre Themen und Projektideen gemeinsam voranbringen wollen. Jede Gruppe wird von Sozialarbeitern und/oder Lehrkräften begleitet. Vor Ort wird natürlich auch der Oberbürgermeister sein. Diese Gruppen treffen sich in der Folge mehrmals und überlegen sich, wie das Projekt am besten umgesetzt wird. Zudem ist geplant, zum zweiten großen Treffen gegen Jahresende entsprechende Experten einzuladen, die Tipps geben können und erklären, was für eine gelungene Umsetzung noch benötigt wird.
Wir werden diese Achterrats-Premiere mit rund 150 Schülerinnen und Schülern durchführen. Dann werden wir sehen, ob diese Form der Jugendbeteiligung für die Stadt geeignet ist, und ob und wo wir nachbessern sollten.
Als weiteres Ziel des Achterrats gilt auch die Stärkung der Identifikation mit der Gemeinde. Verliert die heutige Jugend den Heimatbezug?
Die Verlockungen sind natürlich andere, gerade hier im Grenzgebiet. Im Hochschwarzwald ist ja auch die Landflucht weit verbreitet. Es ist viel leichter geworden, sich zu bewegen und mobil zu sein. So kann man Orte erreichen, wo mehr los ist, wo man mehr verdient und wo es andere Chancen gibt. Deswegen ist es für uns auch ganz wichtig, die Vereinsarbeit zu unterstützen und einzelne Projekte in die Wege zu leiten. Ich denke da beispielsweise an den Bolzplatz auf dem Aarberg, der von Jugendlichen mit renoviert wurde. Das gibt Ihnen das Gefühl „So, das ist unser Bolzplatz, den haben wir gemacht.“ Und so wird sicherlich auch ein Heimatbezug aufgebaut.
Zur Heimat gehört ja auch die Schule, in die man gegangen ist. Nun zählt zu den Sachgebieten des Kinder- und Jugendreferats unter anderem die Schulsozialarbeit. Was kann diese denn leisten, was Lehrkräfte und Eltern nicht können?
Die Lehrer sind vorrangig dazu da, Wissen zu vermitteln. Schulsozialarbeiter bieten zum Beispiel auch Trainings in sozialem Lernen an, wie beispielsweise die Einführung eines Klassenrats oder auch der Umgang mit Konflikten. Da wissen sowohl Lehrer als auch Sozialarbeiter, wie notwendig dieser Bereich ist, und jeder hat eine andere Herangehensweise. Das ist so ein Aufgabenfeld, wo der eine vom anderen profitieren kann. So kann auch ein gutes Klassenklima entstehen. Die Schulsozialarbeit bietet zudem viele Einzelberatungen an. Es ist eine sehr vertrauensvolle Arbeit, bei der die Schüler nicht mit Verpflichtungen oder Benotungen konfrontiert werden.
Haben Sie als Leiterin noch selbst Kontakt zu Kindern und Jugendlichen?
Es ist natürlich viel Büroarbeit, die ich zu erledigen habe, jedoch war ich bereits unterwegs und habe mich bei den einzelnen Schulen vorgestellt. Die Mitarbeiter der offenen Kinder- und Jugendarbeit und die Schulsozialarbeiter kennen die Jugendlichen vor Ort schon, und ich werde sie sicherlich noch kennenlernen. Ich profitiere dabei auch von meinen Erfahrungen, schließlich war ich selbst zehn Jahre lang in der Jugendarbeit tätig.
Woher kommt ihr Interesse an diesem Tätigkeitsfeld?
Ich bin da eher so rein geschlittert. Meine Anfänge hatte ich im Journalismus. Ich war viel auf Reisen und habe unter anderem in Kalkutta bei den Schwestern von Mutter Teresa gearbeitet. Zu der Zeit wurde mir immer klarer, dass ich nicht nur über Menschen berichten möchte, sondern was Praktisches mit und für Menschen machen will. Als ich zurückkam, habe ich in Freiburg Sozialarbeit studiert. Mein Praxissemester absolvierte ich in einem Stadtteilzentrum, das sich in einem Brennpunktviertel befand. Pünktlich zum Ende meines Studiums wurde dort ein Platz in der Jugendarbeit frei und so entwickelte sich dann auch meine Liebe dazu nach und nach, dafür umso intensiver.
Zur Person
Silke Pfaller (39) ist in Ochsenfeld bei Eichstätt aufgewachsen. Nach der Ausbildung zur Diplom-Sozialarbeiterin an der Uni Freiburg leitete sie in Waldkirch zehn Jahre das Haus der Jugend. Seit März ist sie Leiterin des Waldshut-Tiengener Kinder- und Jugendreferats und wohnt mit ihrem Partner in Gurtweil.