VS-Schwennigen Es kommt zwar immer auf die Sichtweise und die Lesart an, aber das Ergebnis ist oft dasselbe. So kann man sich der aktuellen Ausstellung in der Städtischen Galerie mit den philosophischen Thesen Martin Heideggers nähern, wie es auch schon der Ausstellungstitel „Zwischen Bestand und e-Gestell“ nahe legt. Man kann sich aber auch ganz ohne Umwege, ohne Auseinandersetzung mit Heideggers Menschenbild im Spannungsfeld zur modernen Technik direkt mit der „Kunst im digitalen Zeitalter“ auseinandersetzen. Zugegeben, die Ausstellungen von Alejandro Perdomo Daniels sind anspruchsvoll, sind aber durchaus verständlich, sofern man sich die Zeit dafür nimmt. Und sie versprechen einen Erkenntnisgewinn.

Seine Premierenausstellung zu der komplexen Thematik der Transkulturalität, die von 900 Besuchern gesehen wurde, war ebenso wenig für den schnellen Konsum gedacht wie die aktuelle Präsentation. Damit bewegt sich die Ausstellung am Puls der Zeit. Einer Zeit, in der sich analoge Lebenswelten und digitale Spiegelbilder zunehmend überlagern. Einer Zeit, in der Algorithmen und KI den Rahmen und den Takt vorgeben. In diesem digitalen Prozess wird das Individuum Teil dieser nutzbaren Welt oder, um es mit Heidegger zu sagen, zu einem „Bestand“.

Künstler, als Teil dieses Bestands, kommen auch nicht mehr ohne die Auseinandersetzung mit dieser digitalen Lebenswelt aus. Zu sehen sind nun vier junge künstlerische Positionen, die sich mit digitalen Medien als künstlerisches Werkzeug und gesellschaftliches Phänomen auseinandersetzen. Bleibt da bei so viel digitaler Technologie die für den Kunstgenuss so essentielle Sinnlichkeit nicht auf der Strecke? Das ist zwar auch wieder Ansichtssache, aber gleich der erste Raum wird zum multimedialen sinnlichen Erlebnis. Nicolas Fehrs von dem Grimm‘schen Märchen „Der goldene Schlüssel“ inspirierte Rauminstallation „A Snail Called Desire“ wirft Fragen nach Erwartung und Erfüllung auf. Mit seiner geheimnisvollen Schatztruhe bietet uns Fehr schließlich einen Projektionsraum, der ganz subjektiv erfahrbar wird.

Die Mitarbeit des Besuchers ist auch bei dem „Mienophone“ gefragt. Was passiert, wenn Emotionen die Musik verändern und nicht umgekehrt? Diese Frage stellten sich Zhé Wang und Daniel Heitz. Sensoren in gläsernen Köpfen erkennen Gesichtsausdrücke und wandeln sie in Töne um.

Weiter geht‘s zur Videoinstallation „My Map“ der Künstlerin Mayuko Kudo. Thematisiert wird die Verlagerung zwischenmenschlicher Interaktionen und durch Erfahrung geformter Erinnerungen von physischen Räumen in digitale Welten. Die Suggestion und Simulation von Realität durch mediale Darbietungen sind kennzeichnend für die künstlerische Praxis, wie auch bei Émilie Brout und Maxime Marion. In der Videoarbeit „IDLE (acts Alpha and Beta)“ wird der Betrachter mitgenommen in ein nicht-menschliches Universum. Im Musikvideostil scheinen sie menschliche Gefühle auszudrücken und verkörpern letztlich eine fragile Materialität. Algorithmen bestimmen unseren Alltag, zum Beispiel bei der Google-Suche. Ein aus unserer Lebenswelt nicht mehr wegzudenkender Vorgang, der im Werk „bOmb“ von Émilie Brout und Maxime Marion thematisiert wird. Die Arbeit basiert auf Gregory Corsos gleichnamigem Gedicht.

Der Text ist mit der Google-Suche verknüpft und generiert fortlaufend Bilder zu den Stichworten. Dadurch entsteht ein fortwährender Bild-Text-Fluss und knüpft damit an dem grundsätzlichen Gedanken der Ausstellung an, dass sich im Verhältnis von Mensch und Technik auch das Verhältnis des Menschen zu seiner Welt – und zu sich selbst – widerspiegelt.