Soll das Abwasser von Waldshut-Tiengen über eine noch zu bauende, knapp sechs Kilometer lange Leitung in die Kläranlage Albbruck geleitet und dort geklärt werden, oder wäre es sinnvoller, die Kläranlage in Waldshut zu erweitern und zu sanieren? Antwort auf diese Frage sollte ein Strukturgutachten bringen.
Diese fiel allerdings nicht nur ganz anders aus, als erwartet. Am Ende fühlte sich der Gemeinderat auch noch nicht gut genug informiert, um eine Entscheidung treffen zu können, und vertagte sein Votum. Die Debatte mündete dabei in einem Wortgefecht, bei dem insbesondere der Referent Mario Bitsch ins Visier genommen wurde.
Aber der Reihe nach.
Worum geht es bei der Kläranlagen-Debatte überhaupt?
Bei der Dimensionierung der Kläranlage Albbruck spielte die dortige Papierfabrik eine wichtige Rolle, da im Zuge der Produktionsprozesse gewaltige Mengen an Abwasser anfielen. Nach Schließung der Fabrik vor zehn Jahren, wurden seitens des Abwasserzweckverbands Vorderes Albtal verschiedene interkommunale Lösungen avisiert.
Auch die Option, dass eine Abwasserüberleitung von der Kläranlage Waldshut zur Anlage in Albbruck gebaut werden könnte, wurde damals bereits erwogen, aber zunächst nicht weiterverfolgt, heißt es dazu seitens der Stadtverwaltung. Das hat sich geändert, als sich in Waldshut-Tiengen umfangreiche Investitionen in die Abwasserbeseitigung abzeichneten.
Konkret stehen aktuell zwei Szenarien im Raum: Die Beibehaltung der Kläranlage Waldshut verbunden mit einer Erweiterung um ein zweites Nachklärbecken sowie die Sanierung verschiedener Becken und der Technik. Alternativ soll eben die Kläranlage Waldshut zu einem Pufferbecken umgebaut, die Anlage als solches aber über eine Druckleitung mit der Kläranlage Albbruck verbunden werden.
Welche der beiden Optionen die sinnvollere ist, sollte ein Strukturgutachten weisen, das nun vorgestellt wurde.
Was besagt das Gutachten?
Im Grunde ist das Ergebnis für die zuständigen Stellen bei der Stadt Waldshut-Tiengen eine handfeste Überraschung. Das machte Oberbürgermeister Philipp Frank dem Gemeinderat deutlich: „Für uns war der Fall eigentlich klar.“ Der Anschluss an die benachbarte Kläranlage galt als deutlich wirtschaftlichere Option.
Ingenieur Mario Bitsch indes verdeutlichte, dass Sanierung und Ausbau der städtischen Kläranlage sowohl in Sachen Investitionen als auch im jährlichen Unterhalt deutlich günstiger ausfallen würden, als die Alternative.
Konkret beliefen sich die Kosten für Erweiterung um ein Becken, die Modernisierung der Technik und Mechanik sowie Betonerneuerungen an den bestehenden Becken auf etwa 16,1 Millionen Euro Investitionskosten, wie Bitsch vorrechnete.
Der Anschluss an die Kläranlage Albbruck fiele derweil sehr viel teurer aus. Abzüglich der zu erwartenden Fördermittel seien mindestens 24 Millionen Euro Investitionskosten zu erwarten, so Bitsch. Neben der 6,1 Kilometer langen, zweispurigen Druckleitung gelte es am Standort Albbruck auch eine neue Vorklärung zu bauen. Weitere Kosten seien für die Instandsetzung zweier stillgelegter Becken zu erwarten.
Deutlich höher fallen bei einer Überleitung nach Albbruck auch die zu erwartenden Unterhaltskosten aus. Diese bezifferte der Gutachter auf 890.000 Euro pro Jahr. Im Fall des Erhalts der bestehenden Anlage lägen die laufenden Kosten bei 770.000 Euro pro Jahr.
Wie reagiert der Gemeinderat?
Die Diskussion uferte in einigen Situationen derart aus, dass sich OB Frank bemüßigt sah, die Ratsmitglieder zur Räson zu rufen. „Weniger Emotionalität und mehr Sachlichkeit“, lautete der Appell insbesondere in Richtung der Freien-Wähler-Fraktion.
Deren Fraktionssprecher Harald Würtenberger stellte nämlich prompt einen Antrag auf Vertagung der Entscheidung, die eben Erhalt und Ausbau der Waldshuter Kläranlage vorsah.
Laut seinen Berechnungen lagen nämlich die Kosten für die Anschlussleitung nach Albbruck bei 11.000 Euro je laufendem Meter: „Vollkommen unrealistisch und nicht nachvollziehbar. Das ist ja teurer als die Pipeline Nordstream“, so Würtenbergers Fazit.
Auch die Erklärungsbemühungen des Tiefbauamtsleiters Theo Merz vermochten nicht, die Zweifel aus der Welt zu schaffen. Unter anderem verwies Merz auf die Unterschiede einer konventionellen Rohrleitung zu einer Druckleitung, die zusätzliche Bauwerke benötige. Auch müsse das für die Rohrleitung benötigte Gelände gekauft werden.
Was war das Ergebnis?
Trotz mehrfacher Nachfrage, konnte dieser Widerspruch oder der Irrtum in der Berechnung weder nachvollzogen noch aus Sicht des Gremiums befriedigend aus der Welt geschafft werden.
Die überwiegende Mehrheit des Gemeinderats folgte dem Antrag auf Vertagung. Bis das Thema erneut ins Ratsrund gegeben wird, sollen einerseits die fraglichen Zahlen geprüft und Vorverhandlungen mit der Gemeinde Albbruck bezüglich der Konditionen im Falle eines Anschlusses geführt werden.
Klar ist derweil, dass die Kläranlage in Waldshut auf jeden Fall auch in Zukunft benötigt werde – egal wie die Entscheidung ausfällt: Hier soll nämlich Regenwasser geklärt werden. „Das bedeutet auch, dass das Personal gehalten werden muss“, schilderte Merz.