Mitte September erscheint „Schopfloch“ von Jürgen Glocker. Es ist sein vierter Roman, den er seit dem Erstling „Carlo“ (2005) geschrieben hat. Dazwischen liegen die Romane „Madame Bovary und ihre Wiener Affäre“ (2010) und „Glückliche Tage im Schwarzwald“ (2014). Mit „Schopfloch“ wirft der aus Pforzheim stammende, in Waldshut lebende Autor einen satirischen Blick auf kleinstädtische Verhältnisse. Der Morio-Verlag, bei dem das 440 Seiten starke Buch erscheint, bewirbt den Kleinstadtroman als „groteskes Welttheater“.
Entstanden im Verlauf von mehreren Jahren, handelt der Roman laut Morio-Verlag „von den Irrungen und Wirrungen eines intellektuellen Hochstaplers und zugleich von einer Kleinstadt“. Der Autor lässt die Leser hinter deren schöne Zuckerbäcker-Fassaden blicken: auf Neid, Hass, Liebe und Intrigen, auf den meist komischen, manchmal aber auch tödlichen Kampf um Anerkennung, Erfolg und Macht und auf ein ausgetüfteltes Spitzelwesen. Schopfloch ist an einem fiktiven Ort angesiedelt: „Es geht um eine Landschaft und um die Menschen, die sie bewohnen“, sagt Jürgen Glocker.

Ähnlichkeiten mit der Stadt Waldshut-Tiengen, wo er im Landratsamt 30 Jahre lang bis 2017 als Leiter des Amts für Kultur, Archivwesen und Öffentlichkeitsarbeit tätig war, sieht er nicht. „Der Plot würde nicht zu Waldshut passen“, sagt er. Und: „Es geht mir um den Hochschwarzwald und um die Themen, die ihn ausmachen, seine Schönheit und seine Probleme“, so Glocker. Es gelte: „Schopfloch ist überall.“ Die kleinstädtischen Verhältnisse, die er schildere, seien leicht auf jeden anderen Ort, in dem fast jeder jeden kennt oder zu kennen meint und in dem die soziale Kontrolle bestens funktioniert, übertragbar.
Dass Schopfloch geografisch über den Hochschwarzwald hinaus nicht näher verortet ist, bietet Jürgen Glocker alle Freiheiten, eine Geschichte aufzuziehen, die den Lesern einen Spiegel vorhält, ohne sich in Tatsächlichkeiten zu verfangen. Auch weit über den Schwarzwald hinaus. Dabei kommt die Geschichte als eine Komödie daher, die auf Witz, Komik und Humor, aber auch auf dunkle Töne setzt. Die Ereignisse und Personen im Roman „Schopfloch“ sind erfunden. Nichts ist wirklich geschehen, nichts ist echt passiert, und doch: Schopfloch kann überall sein. Jürgen Glocker baut auf dem, was er kennt, neue Strukturen auf, schöpft aus seiner Vorstellungskraft, die von dem, was er kennt, gespeist wird.
Die Entstehung
Jürgen Glocker (67) hat mehrere Fassungen des Romans geschrieben. Das heißt: schreiben, überarbeiten, weiter machen, verwerfen, neu schreiben und so fort. Ein immens aufwendiger Prozess, der – und das ist das Erstaunliche daran – ohne Plan vonstatten gegangen ist. „Ich weiß nicht, wie es am Schluss herauskommt“, sagt er. Zwar hat er eigene Erfahrungen, Notizen genutzt, auch andere Bücher, „um dieses literarische Spiel treiben zu können“. Und es gab auch ein Konzept, „aber das war nicht festgezimmert“. Die Figuren haben sich während des Schreibens entwickelt, verrät er. „Ich schaue ihnen zu, wie sie zu denken, zu fühlen anfangen. Und irgendwann beginnen sie zu agieren.“ Jede von ihnen hat ihre eigene Stimme, die Jürgen Glocker zu einer Art polyphonem, mehrstimmigen Chor zusammenführt.
Unterschiedliche Textformen
Er verwendet unterschiedliche Textformen: Dialoge, Briefe, Zitate, E-Mails, Jugendsprache, Lyrik – eine Methode, die er schon in den auf „Schopfloch“ quasi hinsteuernden früheren Geschichten „Der Amerikaner“ (2020) oder „Aus dem Schwarzen Walde“ (2019) eingesetzt hat. Was sie, nebst ihrer Originalität, auszeichnet, ist ihr Rhythmus. Jürgen Glocker spricht sogar vom „Sound“. So ist auch in „Schopfloch“ wichtig, „dass jede Stimme einen eigenen Klang hat“.
Inhalt und Form
Es geht in Jürgen Glockers Geschichten also nicht nur um deren Inhalt, sondern vor allem um die Form, um die Bewegung, mittels der er transportiert wird. Dass er seine Geschichten im Hochschwarzwald ansiedelt, erklärt er so: „Ich habe eine enge Beziehung zum Schwarzwald. Ich beobachte, wie er sich verändert.“ Deshalb kommt in seinen Büchern unter anderem der Tourismus vor – und die Presse, beziehungsweise deren Vertreter wie Redakteure und Journalisten. „Ich schreibe nur über das, was ich kenne“, erklärt er. Die Presselandschaft kennt er von seiner langjährigen Arbeit als Pressesprecher im Landratsamt Waldshut.
Die Herausforderungen
Schon damals hat er sich als freier Autor betätigt und sich einen Namen gemacht – siehe „Carlo“, dieses vor 16 Jahren veröffentlichte Buch „über den Umgang mit Katzen, Menschen und Büchern“. Glockers Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Sprachbereiche – Amtssprache auf der einen Seite, freie Prosa auf der anderen – auseinanderzuhalten. „Dafür brauchte ich eine Schleuse“, blickt er zurück. Diese Schleuse bildete der Wald. Im Kern geht es Jürgen Glocker in seinen Büchern darum, das sei zum Schluss vermerkt, „wie ein gelingendes Leben zustandekommt“. Selbst in Schopfloch.