Frau Konrad, wie ist in Corona-Zeiten die Situation in Ihrem Reisebüro?
Laut den Corona-Vorgaben des Landes hätte ich gar nicht schließen müssen, aber das war nicht im Sinne des Ordnungsamtes und es hätte mir auch nichts gebracht. Aber ich war dennoch jeden Tag für ein paar Stunden im Büro und musste Hunderte von besorgten Kundenanrufen entgegennehmen und Mails beantworten. Alle wollten auf einmal kostenfrei ihre Reisen stornieren, ihr Geld zurück oder auf nächstes Jahr umbuchen. Seit rund zwei Wochen habe ich wieder auf mit verkürzten Öffnungszeiten und ich muss weiter Stornierungen bearbeiten. Sie reichen bis in den November hinein. Nur zwei Neubuchungen habe ich seit Anfang März. In Normalzeiten hatte ich ein bis zwei Buchungen am Tag. Ich bekomme keinen Lohn, ich verdiene nur, wenn die Leute auch wirklich in den Urlaub fahren, dann erhalte ich eine Provision vom Reiseveranstalter. Wird die Reise nicht angetreten, muss ich die bereits erhaltene Provision zurückzahlen oder erhalte erst gar keine. Seit etwa letztem Jahr Dezember habe ich umsonst gearbeitet und nichts verdient. Aber ich bin immer für meine Kunden da und versuche, das Beste für sie rauszuholen.
Kommen Sie dennoch einigermaßen über die Runden?
Ich versuche es, aber es ist wirklich sehr frustrierend. Ich habe das Gefühl, der Boden wird mir unter den Füßen weggerissen und ich habe, wie viele andere auch, große Existenzängste. Viele Kunden sind sehr freundlich und verständnisvoll, bedanken sich mit einer finanziellen Aufwandsentschädigung oder nutzen das Reiseguthaben, was mir etwas Provision einbringt. Dafür danke ich den Kunden. Aber leider gibt es auch einen kleinen Prozentsatz, welcher gar kein Verständnis aufbringt. Das belastet mich wahnsinnig psychisch, da es teilweise sehr beleidigend wird. Ich würde mir wünschen, dass solche Leute sich einfach auch mal in unsere Situation hinein versetzen.
Wie war und ist das eigentlich mit den Gebühren für Stornierungen?
Bei einem generellen Reiseverbot sind die Reiseveranstalter verpflichtet, Buchungen kostenfrei zu stornieren. Ist das generelle Reiseverbot aufgehoben und bestehen nur noch Reisewarnungen, entfällt für den Kunden das grundsätzliche Recht, kostenfrei stornieren zu können. Für viele Kunden ist das nicht einfach, zu verstehen. Es ist einfach für alle eine unsichere Situation. Ich habe oft auf Antwort des Reiseveranstalters warten müssen, teilweise bis zu drei Wochen, ob und zu welchen Bedingungen ich Buchungen stornieren oder umbuchen darf. Maßgebend sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Reiseveranstalter oder besondere Regelungen. Ich muss jeden Tag die Mails der Veranstalter prüfen, was wir den Kunden anbieten können und dürfen. Schauinsland Reisen bietet zum Beispiel bis 31. Juli kostenlose Stornierungen an, um die bereits geleisteten Zahlungen in ein Reiseguthaben umzuwandeln oder sogar das Geld zurückzuerhalten. Vor ein paar Tagen wurde ich darüber informiert, vorher haben Kunden Stornierungskosten bezahlen müssen. Und das alles müssen wir innerhalb einer bestimmten Frist an unsere Kunden weiterleiten, alles unentgeltlich.
Nicht nur Ihnen, anderen Reisebüros setzt Corona ähnlich zu, oder?
In Deutschland gibt es meines Wissens rund 10.000 Reisebüros und ich bin sicher, dass fast alle die gleichen Nöte und Ängste wie ich haben. Von meiner Facebook-Gruppe weiß ich, dass alle dort mehr oder weniger verzweifelt sind. In Lörrach haben Reisebüros schon demonstriert, aber es ist wenig darüber berichtet worden. Bei einer großen Demo am 17. Juni in Berlin werden wir nochmals unsere Forderungen konkret äußern. Ich werde versuchen, auch hinzugehen und hoffe, dass noch mehr Inhaber und Mitarbeiter von Reisebüros aus unserer Region kommen.
Nützt Ihnen das Konjunkturpaket der Regierung denn nichts?
Es nützt uns nur wenig. Als die Kleinen in der am stärksten von Corona betroffenen Branche brauchen wir deutlich mehr Unterstützung, sonst werden es nicht alle von uns schaffen. Jeder von uns hat feste Kosten wie Miete, Buchungsprogramm, Strom und so weiter. Nach meinem Eindruck werden mehrheitlich die Großen unterstützt, die Kleinen kommen zu kurz oder werden gar nicht beachtet. Als Soloselbstständige habe ich Soforthilfe bekommen, das hat rund drei Monate aufgefangen, aber das reicht nicht. Und es hat mir auch nur so lange geholfen, weil mein Vermieter mir die Miete erlassen hat auf unbestimmte Zeit, ich wirklich geringe Nebenkosten und vor allem kein Personal habe. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es in größeren Büros aussieht.
Am 14. Juni wurde die weltweite Reisewarnung der Bundesregierung aufgehoben. Haben Sie Hoffnung, dass sich danach die Situation entspannt?
Die Aufhebung ist ja schon einige Zeit bekannt und vor allem gibt es jetzt wieder Reisewarnungen für nicht EU-Länder. Es hat sich bis jetzt wenig bis nichts bei mir getan, was Neubuchungen betrifft. Ich denke, bei anderen Reisebüros ist es ähnlich. Fern- und Pauschalreisen sind aktuell wenig begehrt, nur Urlaub in Deutschland, der Schweiz oder auch Österreich boomt. Und hier buchen die meisten Leute selber. Viele haben leider nicht auf dem Schirm, dass wir Reisebüros nicht nur Fernreisen und den „Ballermann“ buchen, sondern auch Kurzurlaube und Städtetrips. Es würde uns helfen, wenn die Leute auch für Deutschland, die Schweiz und Österreich bei uns buchen würden, wir haben dort für alle Zielgebiete gute Angebote. Wer zu uns kommt, hat keinerlei Mehrkosten, bekommt eine persönliche Beratung und sofern verfügbar, auch noch unsere Geheimtipps.
Fernreisen zu empfehlen, ist im Moment auch problematisch, oder?
Ja, in viele Länder sind sie bis zum 31. August auch gar nicht möglich. Danach dürfte das Risiko besser kalkulierbar sein. Allgemein will kaum jemand weiter weg. Die meisten haben derzeit wenig oder keine Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus, aber sie befürchten eine zweite Welle oder, in Quarantäne zu kommen und nicht mehr zurückreisen zu können. Rückführungen liegen nicht in unseren Händen, sie sind Sache des Reiseveranstalters. Oft ist aber die Lage nicht ganz klar. Ich habe schon von Fällen gehört, dass Reisende Rückführungen selber bezahlen mussten oder dass Reisende, die bei der ersten Welle von der Bundesregierung zurückgeholt wurden, eine Rechnung bekommen haben. Ich selbst würde zum jetzigen Zeitpunkt auch nur innerhalb von Deutschland reisen, aber das liegt auch an dem zurückliegenden Kontaktverbot. Meine Familie wohnt noch nahe Dresden, meine Schwester in Wiesbaden und ich möchte diese Zeit nutzen, sie endlich wieder zu sehen.
Gab es in Ihrer Branche schon einmal eine annähernd vergleichbare Krise?
Mit Sicherheit nicht. Es gab vor zehn Jahren Einschränkungen beim Flugverkehr durch den Vulkanausbruch in Island und ab 2001 nach dem Attentat auf die Twin Towers des World Trade Centers in New York. Aber da war man in der Lage, das zu händeln. Die weltweite Dimension von Corona ist absolut neu und verunsichert alle. Es stellt auch „alte Hasen“ der Reisebranche vor Probleme. Und man kann niemandem verantwortlich für die Situation machen, niemand ist schuld. Niemand hat die Lösung in der Hand.
Haben Sie Hoffnung, dass dieses Jahr bei Ihnen und Ihren Kollegen noch Buchungen statt Stornierungen im Vordergrund stehen werden?
Ich habe natürlich große Hoffnungen. Ich möchte für die Kunden gern wieder die schönste Zeit im Jahr organisieren. Wir Reisebüros informieren übrigens auch über die geltenden Corona-Schutzmaßnahmen in den jeweiligen Ländern – vielleicht ein Grund mehr, zu uns zu kommen. Urlaub wird definitiv anders aussehen als vor Corona. Und ich hoffe, dass wir von der Politik erhört werden und nochmals Unterstützung bekommen.
Verraten Sie uns zum Abschluss noch, was Ihr Lieblingsreiseland ist?
Kanada. Ich war schon vier Mal dort. Land, Leute und Natur – es hat alles. Die Kanadier sind ein so lockeres Volk und machen einem das Reisen angenehm und schön. Ich würde jederzeit wieder dorthin reisen.