Eine Welle der Begeisterung schwappte los: Nachdem Boris Becker am 7. Juli 1985 als 17-jähriger Jungspund Wimbledon gewonnen hatte und Steffi Graf bei ihrem zweiten Turniersieg 1987 den French Open Pokal nach Deutschland holte, kannte der Tennisboom keine Grenzen mehr. Bis in den kleinsten Ort hinein erreichte die Begeisterung für den „weißen Sport“ alt und jung.
Aus einer Sportart, die bislang noch immer einen elitären Touch hatte, wurde zunehmend ein Breitensport. Tennisvereine begannen wie Pilze aus dem Boden zu schießen oder nahmen so rasant Fahrt auf, dass Aufnahmestopps und Wartelisten allgemein üblich wurden.

Auch beim Tennis-Club Gurtweil, der 1983 von rund 20 tennisbegeisterten Männern und Frauen gegründet wurde und sein Domizil mit Vereinsheim und vier Sandplätzen auf einem idyllisch gelegenen Gelände zwischen Tiengener Straße und Schlücht hat. Das Vereinsheim hat eine besondere Geschichte. Es kommt aus der Schweiz. 1984 verfrachteten Mitglieder des TC Gurtweil in Eigenarbeit einen Laborraum der damaligen BBC auf ihr Gelände an der Schlücht, unterkellerten ihn und richteten sich darin ein gemütliches Vereinsheim ein.

Ebenfalls in Eigenregie gebaut wurden 1984 die ersten beiden Sandplätze. Wer in den Verein aufgenommen werden wollte, musste in den Anfangsjahren nach seiner Gründung Geduld haben. Der Andrang war so groß, dass eine Warteliste geführt wurde. Manchmal wenige Monate, manchmal auch erheblich länger, konnte es bis zur Mitgliedschaft dauern.
Euphorie um Tennis-Traumpaar
Besonders viele Kinder und Jugendliche eiferten ihren Idolen Steffi und Boris nach und „stürmten“ die Tennisvereine. Gaby Walde ist Gründungsmitglied des TC Gurtweil und bis heute Jugendtrainerin. Eine große Gruppe von Kindern, mindestens 40 sollen es gewesen sein, hat Walde in den Anfangsjahren des Vereins unter ihren Fittichen gehabt. Auch Gerd Felber erinnert sich noch gut an die Anfänge des TC Gurtweil und die Euphorie, die damals das deutsche Tennistraumpaar entfachte. „Wir haben alle viele Stunden vor dem Fernseher verbracht, die ARD hat stundenlang Tennis übertragen“, blickt er zurück.
Seit rund 37 Jahren spielt er im TC Gurtweil Tennis. Anfangs wie allgemein alle Tennisspieler, noch ganz in weiß. Die Männer in knappen weißen Shorts und die Frauen in kurzen weißen Röckchen. Wimbledon ist heute das einzige Turnier, bei dem noch der weiße Dress-Code gilt.

Bis weit in die 70er Jahre hinein -in Wimbledon einige Jahre länger- wurde auch mit weißen Bällen gespielt. Neongelbe lösten sie ab, weil diese besser sichtbar sind. Das sind Äußerlichkeiten im Vergleich zu der rasanten technischen Entwicklung des Tennissports seit den 80ern.
„Man spielt heute viel schneller, mit viel mehr Power und anderer Schlaghaltung“, so Gaby Walde. Grundsätzlich langsamer flog in den 80er Jahren die Filzkugel über das Netz und die Stellung zum Ball ist nach Aussage von Walde und Felber damals eher seitlich gewesen, heute hingegen sehr variabel. Die Spieltechnik hätte sich stark verändert. Gerd Felber erzählt, dass in Tiengen irgendwann einmal ein Aufschlag mit um 130 Stundenkilometern gemessen worden wäre und dies als schnell empfunden wurde.

„Man hatte das Gefühl, das ist eine Rakete.“ Um bei dieser Wortwahl zu bleiben, muss man heute von Turbo-Raketen sprechen, denn bei den Männern erreichen Aufschläge immer öfter Geschwindigkeiten von deutlich über 200 Kilometer pro Stunde. Einfluss auf die immer schneller und kraftvoller werdende Spielweise hatten auch die Schläger. Im TC Gurtweil und allgemein in den 80er Jahren, wurde noch mit Holzschlägern gespielt. Laut Felber waren sie in der Exklusivvariante mit Naturdarm bespannt und nur wenn man den Ball genau mit der Schlägermitte traf, konnte er optimal beschleunigt werden.
Tennisboom flacht ab
Von der Tennis-Euphorie der 80er und 90er Jahre ist heute nicht mehr allzu viel zu spüren. Steffi Graf und Boris Becker haben mit dem Ende ihrer Sportkarrieren Ende der 1990er Jahre wesentlich hierzu beigetragen, aber nicht nur. Tennis ist heute eine Sportart, die auch beim Nachwuchs mit vielen anderen konkurriert und die einem viel abverlangt, wenn man es bis ganz nach oben schaffen will. In Zeiten des Booms hatte der Tennisclub Gurtweil rund 200 Mitglieder, heute sind es noch rund 75, darunter 15 Jugendliche.

Es werden weniger Turniere als früher veranstaltet und gespielt, aber die Freude am Spiel und an der Vereinsgemeinschaft ist geblieben. Und auch die Leistung stimmt. Neben Kindertraining und Breitensport, spielen beim TC Gurtweil eine Damen- und eine Herrenmannschaft in der Bezirksliga des Badischen Tennisbundes. „Für unsere Verhältnisse sind wir gut mit dabei“, sagt Vorsitzender Martin Hummel. Und: „Wer Lust hat, kann einfach mal beim TC Gurtweil vorbeikommen.“