Erstmals sind die Grünen als stärkste Kraft bei einer Wahl in Waldshut-Tiengen hervorgegangen. Mit 2975 gültigen Stimmen für den Kandidaten Niklas Nüssle aus Wutöschingen, was einem Anteil von 35,2 Prozent entspricht, zog die Partei bei der Landtagswahl am Sonntag an der bisher in der Doppelstadt bei politischen Abstimmungen dominierenden CDU vorbei.
Die Union, die bei der Landtagswahl vor fünf Jahren bereits Federn lassen musste, sich damals aber noch knapp vor den Grünen behaupten konnte, büßte diesmal 9,8 Prozentpunkte ein und belegte Rang zwei mit 1855 Stimmen und einem Anteil von 21,9 Prozent, so das vorläufige amtliche Wahlergebnis.
Auch bei den anderen Parteien brachte die Landtagswahl Veränderungen. Harald Ebi aus Waldshut-Tiengen konnte für die FDP sein Ergebnis von 2016, als er bereits kandidiert hatte und 9,5 Prozent holte, steigern: Mit 1128 Stimmen und einem Anteil von 13,3 Prozent kommen die Liberalen in Waldshut-Tiengen nun auf Rang drei.

Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,1 Prozentpunkten landete die SPD mit 9,8 Prozent (830 Stimmen) auf dem vierten Platz vor der AfD mit 9,7 Prozent (818 Stimmen). Bei den Landtagswahlen 2016 hatte die erstmals kandidierende AfD aus dem Stand mit zwölf Prozent den dritten Rang belegt. Die SPD erreichte damals 11,2 Prozent.
„Endlich haben wir es geschafft“, freute sich Petra Thyen, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Waldshut-Tiengener Gemeinderat und Kreisvorsitzende, am Wahlabend. Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigte sie sich vor allem „überwältigt“ von dem Abschneiden ihrer Partei in der Großen Kreisstadt, wo die Grünen mehr als ein Drittel der Wähler überzeugen konnten. „Die Grünen rücken immer mehr in die Mitte, auch in Waldshut-Tiengen“, erklärte sie.
Thyen, die 2016 selbst kandidiert hatte und damals nur knapp den Einzug in den Landtag verpasste, sei „ganz und gar nicht enttäuscht“, dass sie nicht noch einmal angetreten ist. Sie habe Niklas Nüssle von Anfang an unterstützt und freue sich, dass er „mit viel Elan und umweltpolitischem Profil“ sein Mandat als erster grüner Abgeordneter des Wahlkreises Waldshut antreten wird.

Während die Grünen jubeln, ist bei der CDU Katerstimmung angesagt. Als „Schock mit Ansage“ beschreibt der CDU-Fraktionsvorsitzende im Waldshut-Tiengener Gemeinderat, Philipp Studinger, gegenüber dieser Zeitung das Abschneiden seiner Partei. Dass die Union in der Doppelstadt knapp zehn Prozentpunkte im Vergleich zu 2016 eingebüßt hat, komme für ihn einem „Desaster“ gleich. Studinger erklärt sich das Wahlergebnis der CDU in Waldshut-Tiengen unter anderem mit der Beliebtheit des FDP-Stadtrats Harald Ebi.
Harald Ebi sagte zu seinem Ergebnis auf Nachfrage dieser Zeitung: „Das freut mich außerordentlich und zeigt, dass die Bevölkerung Vertrauen in mich und meine Arbeit hat.“ Der 61-jährige Handwerksmeister aus der Waldshuter Schmittenau konnte nicht nur in der Großen Kreisstadt erneut zulegen, sondern auch in der weiteren Region.
Die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent. Damit machten von ihrem Stimmrecht weniger Wahlberechtige der Großen Kreisstadt Gebrauch als bei der Landtagswahl 2016, als die Wahlbeteiligung 62 Prozent betragen hatte. Der Trend zur Briefwahl – in den fünf Briefwahlbezirken wurden insgesamt 3776 gültige Stimmen registriert – bestätigte sich nicht nur stadtweit, sondern auch im ersten Stimmbezirk der Großen Kreisstadt: Im Rathaus in Waldshut gab rund ein Drittel der etwa 1000 Wahlberechtigten per Briefwahl seine Stimme ab, wie der Leiter des Wahlvorstands, Sebastian Ritz, auf Nachfrage dieser Zeitung mitteilte.
„Positiv zu erwähnen ist, dass bislang jeder Wähler vorbildlich mit Maske gekommen ist. Und viele bringen sogar ihren eigenen Stift mit“, sagte Ritz über die erste Wahl unter Corona-Bedingungen.