Viele Läden in Waldshut-Tiengen schließen demnächst oder stehen bereits leer. In der Tiengener Innenstadt schließt Ende Februar das Nähzentrum Hug – Inhaber Klaus Hug hat auch nach langem Suchen keinen Nachfolger für die Geschäftsräume im Untergeschoss des Cityhauses gefunden. Bereits im Dezember musste die Metzgerei Genswein in der Fußgängerzone schließen.

Die Räume der Storchen-Apotheke in Tiengen stehen schon seit fast zwei Jahren leer.
Die Räume der Storchen-Apotheke in Tiengen stehen schon seit fast zwei Jahren leer. | Bild: Müller, Gregor
Die Metzgerei Genswein in der Fußgängerzone in Tiengen hat Ende 2024 geschlossen.
Die Metzgerei Genswein in der Fußgängerzone in Tiengen hat Ende 2024 geschlossen. | Bild: Müller, Gregor
Auch die Geschäftsräume von Balz Brautmoden in der Einkaufspassage der Tiengener Innenstadt stehen derzeit leer.
Auch die Geschäftsräume von Balz Brautmoden in der Einkaufspassage der Tiengener Innenstadt stehen derzeit leer. | Bild: Müller, Gregor
Das Café Riha (vormals Café Chocolat) hat nach nur rund einem halben Jahr wieder geschlossen.
Das Café Riha (vormals Café Chocolat) hat nach nur rund einem halben Jahr wieder geschlossen. | Bild: Müller, Gregor

Und Photo Conrads ist etwa seit einem halben Jahr zu. In Waldshut sind das Sport House in der Bismarckstraße, Regina Moden an der Ecke Waldtorstraße/Im Wallgraben oder das Modegeschäft Style Bus in der Kaiserstraße betroffen. Und das sind längst nicht alle Beispiele.

Seit etwa einem halben Jahr geschlossen: Photo Conrads. Die Besitzerin hat ein eigenes Studio aufgemacht.
Seit etwa einem halben Jahr geschlossen: Photo Conrads. Die Besitzerin hat ein eigenes Studio aufgemacht. | Bild: Müller, Gregor

Was sind die Gründe für Leerstände in Waldshut-Tiengen? Und mit welchen Strategien könnte man einem weiteren Sterben des Einzelhandels entgegenwirken?

Das sagt die Aktionsgemeinschaft Tiengen

„Das Schwierige ist, dass wir oft nur den gleichen Einblick haben, wie die Leute auf der Straße. Was der Immobilienbesitzer konkret plant, wissen wir meist auch nicht“, erklärt die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft, Nikola Kögel, im Gespräch. Trotzdem: Ideen gäbe es viele. So könnte man zum Beispiel das „Städtle“ insgesamt attraktiver gestalten – mit der Schaffung weiterer Begegnungsstätten oder auch Kunsträume. Aber: „Es braucht eben auch die Umsetzer.“

Da sei besonders die Hoffnung, dass sich das Citymanagement da einbinde. „Die haben ganz andere Kontakte und auch Ideen, um wieder Leben hineinzubringen.“ Weiterhin seien Leerstände ja nicht nur ein Tiengener oder Waldshuter Problem, sondern ein bundesweites Problem. Und da müssten sich bei der Umsetzung eben Profis herantasten. Viele der Leerstände würden übrigens aus Altersgründen entstehen, weil die Inhaber einfach keine Nachfolger finden.

Kurt Reckermann sieht auch sogenannte Pop-Ups als mögliches Konzept. Dabei geht es darum, dass man Interessenten Verkaufsräume eine gewisse Zeit lang zur Verfügung stellt, um zu schauen, ob sich bestimmte Ideen umsetzen lassen. Nikola Kögel präzisiert: „Dabei wird dann ein Teil oder auch die gesamte Miete übernommen, um das Konzept anzutesten, um dann ein langfristiges Geschäftsmodell zu verwirklichen.“ Aber da müssten alle Seiten – wie etwa die Immobilienbesitzer – mitziehen, um bei der Miete entgegenzukommen.

Setzen sich für attraktiven Einzelhandel in der Stadt ein, von links: Kurt Reckermann (Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Tiengen), ...
Setzen sich für attraktiven Einzelhandel in der Stadt ein, von links: Kurt Reckermann (Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Tiengen), Monika Studinger (City-Managerin in Waldshut-Tiengen) und Nikola Kögel (Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Tiengen). | Bild: Müller, Gregor

Doch auch das Verhalten der Kunden selbst sieht die Aktionsgemeinschaft als einen wichtigen Faktor an, damit Einzelhandel funktionieren kann. „Die Kunden müssen sich bewusst machen, dass sie auch mit ihrem eigenen Verhalten Einfluss auf solche Entwicklungen haben“, meint Nikola Kögel.

Kurt Reckermann sieht auch in der Schaffung einer besseren Aufenthaltsqualität viel Potenzial und nennt als Beispiel etwa die LuftArt in Tiengen. Das Konzept solcher „konsumfreier Zonen“ könnte ebenfalls weiter ausgebaut werden. „Im Grunde können wir ganz viel machen“, betont Kögel, „aber es muss auch jemand geben, der das alles bezahlt und es mitträgt. Es ist jetzt fünf vor zwölf. Noch ist alles gut, aber es darf nicht schlechter werden.“

Auch allgemeine Öffnungszeiten spielen eine Rolle. „Wenn wir es schaffen würden, Kernöffnungszeiten zu ermöglichen, würde der Kunde noch mehr profitieren“, erläutert Kurt Reckermann. „Da müssten aber alle mitmachen: Die Kunden, die Inhaber, die Stadt – alle müssen an einem Strang ziehen.“ Auch die Barrierefreiheit in der Stadt sei ein Thema. Und zu guter Letzt müsse man Service und Beratung vor Ort als Gegenpol zum Onlinehandel sehen. Da habe sich viel geändert: „Früher hat man morgens den Laden geöffnet und die Kunden kamen, so einfach ist es heute nicht mehr.“

Das sagt der Werbe- und Förderungskreis

Noch stehen einige Läden in der Waldshuter Innenstadt leer, aber laut Thomas Wartner, Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreises Waldshut (W+F), „ist ganz viel Bewegung im Hintergrund“. Viele Geschäfte seien schon wieder vermietet.

Das Sporthouse in der Bismarckstraße ist seit Jahresende 2024 geschlossen, hier deutet sich laut W+F und Citymanagement eine Nachfolge an.
Das Sporthouse in der Bismarckstraße ist seit Jahresende 2024 geschlossen, hier deutet sich laut W+F und Citymanagement eine Nachfolge an. | Bild: Müller, Gregor

Konkret gebe es einen Nachfolger für das Geschäft „Lenina“ in der unteren Kaiserstraße, auch bei „Regina Moden“ und dem „Sporthouse“ deutet sich laut Wartner eine Nachfolge an.

Regina Moden an der Ecke Waldtorstraße – Im Wallgraben wurde zum Jahresanfang 2025 aufgegeben. Hier laufen Gespräche über eine Nachfolge.
Regina Moden an der Ecke Waldtorstraße – Im Wallgraben wurde zum Jahresanfang 2025 aufgegeben. Hier laufen Gespräche über eine Nachfolge. | Bild: Müller, Gregor

Angesichts der aktuellen, auch unruhigen Zeit im Einzelhandel könne Waldshut mit der derzeitigen Situation zufrieden sein, erklärt der W+F-Vorsitzende.

Ähnlich wie in Tiengen werden viele Geschäfte altersbedingt oder aus Mangel an Nachfolgern aufgegeben. Zudem gebe es einige Hürden, wie etwa hohe Mieten oder bürokratische Auflagen, die vor allem Jüngeren die Entscheidung erschweren, ein Geschäft aufzumachen. Als weitere Gründe nennt Wartner Umzüge, Filialaufgaben oder das Scheitern von Konzepten.

Thomas Wartner vom Werbe- und Förderungskreis Waldshut.
Thomas Wartner vom Werbe- und Förderungskreis Waldshut. | Bild: Wagner, Hans

Ähnlich wie die Aktionsgemeinschaft sieht auch der W+F mit Pop-up-Konzepten eine Möglichkeit, wieder Leben in Leerstände zu bringen – aber: „Wenn es bezahlbar bleibt.“ „Grundsätzlich finde ich das Konzept super, weil es Spannung bringt und Erlebnisse für die Stadt und die Besucher.“

Der W+F-Vorsitzende freut sich über den Austausch mit den Citymanagerinnen und dass beim Thema Leerstände erste Initiativen ergriffen wurden: „Es ist ganz viel am Laufen.“

Auch die Verkaufsflächen von Style Bus in der Kaiserstraße stehen derzeit leer.
Auch die Verkaufsflächen von Style Bus in der Kaiserstraße stehen derzeit leer. | Bild: Müller, Gregor
Auch die Verkaufsflächen der Liegenschaft zwischen Löwenapotheke und der Outlet-Boutique Högermann & kox stehen leer.
Auch die Verkaufsflächen der Liegenschaft zwischen Löwenapotheke und der Outlet-Boutique Högermann & kox stehen leer. | Bild: Müller, Gregor

Das sagt das Citymanagement

„Leerstände sind eines unserer zentralen Themen. Das andere ist, allgemein mehr Leben ins Städtle zu holen“, erklärt Citymanagerin Monika Studinger. Sie und Carina Kirves teilen sich die neugeschaffene Stelle. „Was wir sagen können, ist, dass es eine Zunahme von Geschäftsaufgaben ohne Nachfolger gibt.“

Laut eigener Aussage führen die Citymanagerinnen Gespräche mit allen Inhabern sowie Pächtern. „Und wir haben ein motivierendes Plakat entwickelt, das über einen QR-Code zum Citymanagement auf der Homepage der Stadt führt.“ Sie wollen aber auch Ansprechpartner für diejenigen sein, die ein Geschäft eröffnen wollen, aber nicht wissen, wo.

Mit fünf Leerständen würden derzeit aktiv Gespräche geführt, zwei weitere seien schon wieder vermietet. Aber: „In Tiengen gibt es deutlich mehr Leerstände als in Waldshut.“ Laut Schätzungen gibt es in beiden Stadtteilen derzeit etwa zehn Leerstände. „Uns ist bewusst, dass sich Innenstädte – teilweise dramatisch – verändern. Hier setzen wir an, um die Innenstädte aktiv zu beleben. Dazu müssen alle zusammenarbeiten, Stadt, Citymanagement, Inhaber, Gastronomie, Investoren, Pächter.“

Das könnte Sie auch interessieren

Und was kann man machen, um dem Trend entgegenzuwirken? Zukunftswerkstätten, bei denen Ideen gesammelt werden, seien ein Ansatz. Die erste Zukunftswerkstatt fand am 28. Januar in Tiengen statt und hatte eine ausgesprochen große Resonanz. „Wir haben mit etwa 50 Teilnehmern gerechnet, am Ende waren es um die 100“, freut sich Monika Studinger. Eine weitere Zukunftswerkstatt in Waldshut wird am 11. Februar stattfinden. „Eingeladen sind alle, die sich für lebendige Innenstädte in Waldshut und Tiengen stark machen und sich vielleicht auch engagieren wollen. Denn die Zukunft unserer Innenstädte betrifft uns alle.“

„Weiter sind wir beschäftigt, Förderungen für Maßnahmen zur Belebung der Innenstädte zu finden. Hier gibt es für das zweite Quartal ein konkretes Projekt.“