Herr Frank, sieben der acht Jahre Ihrer ersten Amtszeit als OB von Waldshut-Tiengen liegen hinter Ihnen. Wie würden Sie selbst diese Zeit beurteilen?
Es war eine sehr arbeitsreiche, intensive, aber durchaus auch von Erfolg gekrönte Zeit. Ich war 2015 ja mit einem ambitionierten Programm angetreten, basierend auf monatelangen Gesprächen mit Menschen in der Stadt sowie persönlichen Erfahrungen.
Heute kann ich sagen, dass wir etwa 90 Prozent davon umgesetzt haben – obwohl eine ganze Reihe von Faktoren und Herausforderungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben, vorher sicherlich nicht absehbar waren. Dabei ist mir das „Wir“ sehr wichtig, denn all das Erreichte war und ist eine Gemeinschaftsleistung.
„Masse an Herausforderungen hat Anfang meiner Amtszeit schwer belastet“
Von welchen Dingen wurden Sie denn überrascht?
Es ging mit der ganzen Spital-Problematik los, die die Stadt damals als Hauptgesellschafter finanziell millionenschwer belastet hat und Auswirkung auf viele folgende Entscheidungen hatte – auch meine damalige Haltung zur Freibadsanierung in Waldshut. Das war schon überraschend beziehungsweise in dieser Massivität für mich nicht vorhersehbar.

Dann gab es einen gewaltigen Sanierungsstau bei der städtischen Infrastruktur, den es abzuarbeiten galt. Davon war meine gesamte bisherige Amtszeit stark geprägt. Corona und der Ukraine-Krieg mit all den damit verbundenen Folgen kamen noch hinzu, erschweren unsere Arbeit und das öffentliche Leben zusätzlich.
Darüber hinaus engen knappere Kassen, der zunehmende Fachkräftemangel und Vorgaben von oben unsere Spielräume an vielen Stellen ein. Die Rahmenbedingungen waren und sind also durchweg nicht einfach. Kommunikation ist darum in diesem Kontext sehr wichtig – eben, die Themen der Stadt immer wieder zu erklären. Und natürlich erntet man auch Kritik – selbst dann, wenn man für eine Ursache gar nicht verantwortlich ist.
„Konnten viel bewirken“
Was würden Sie als größte Erfolge ihrer bisherigen Amtszeit bezeichnen?
Die schwerste Aufgabe war sicher, den finanziellen Infarkt des Spitals abzuwenden und aus dem Gesellschaftervertrag herauszukommen, weil dieser keine Ausstiegsklausel enthielt. Das war fast eine Quadratur des Kreises. Im Ergebnis haben wir damit erreicht, dass die Stadt nicht auch heute noch die Verluste des Krankenhauses zu 60 Prozent ausgleichen muss. Weiter möchte ich erwähnen, dass es uns gelungen ist, den gewaltigen Sanierungsstau in der Stadt in den Griff zu bekommen.
Darüber hinaus haben wir wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen, etwa was die Sanierungen und den digitalen Ausbau an den Schulen betrifft. Inzwischen waren oder sind wir an allen neun Schulen in großem Stil tätig – und werden dies in den nächsten Jahren fortsetzen.
Der Breitbandausbau in den ländlichen Ortsteilen und aktuell auf dem Aarberg sei hier mit erwähnt. Stolz bin ich auch auf zukunftsweisende Projekte wie die Feuerwehr-Kita und die Kornhaus-Sanierung, mit der wir einen echten Mehrwert schaffen – für die Nutzer der Stadtbibliothek wie die zwölf Vereine, die hier zuhause sind.
Außerdem betrachte ich es als Erfolg, dass wir einige richtig gute Personalentscheidungen getroffen haben, was sich langfristig positiv auswirkt. Manchmal braucht es dafür auch Glück und gutes Timing. In jedem Fall macht einen auch so etwas als OB glücklich.

Diese Langfristigkeit und personelle Kontinuität war allerdings nicht in allen Bereichen der Stadtverwaltung gegeben. Im Bauamt zum Beispiel herrschte über Jahre hinweg eine hohe Fluktuation, es gab Probleme bei der Abwicklung von Projekten und letztlich auch die Quittung in Form zweier verheerender GPA-Berichte. Wie stark kratzt eine solche Konstellation am Renommee der Stadt als Arbeitgeber?
Häufige Stellenwechsel sind für einen Arbeitgeber nie gut, wobei man sich die Gründe dafür schon genau ansehen muss. So hatten wir in den letzten Jahren doch auch viele altersbedingte Abgänge sowie krankheits- und elternzeitbedingte Ausfälle. Hinzu kommt die große Konkurrenz der Privatwirtschaft.
Konkret für unseren Baubereich – und hier vor allem das Hochbauamt – sind sicher noch zwei weitere Faktoren zu nennen: Zum einen die lang anhaltende quantitative Überlastung der dortigen Mitarbeiter. Viel zu viele Großprojekte, teilweise über ein halbes Dutzend, sind über einen langen Zeitraum parallel gelaufen – viele kleine Vorhaben noch gar nicht mitgerechnet.
Zum anderen sind Strukturen über Jahre hinweg nicht weiterentwickelt und angepasst worden. Ich denke aber, dass wir die Kehrtwende inzwischen geschafft und Stabilität in unseren Baubereich hineingebracht haben. In diese Richtung soll es nun möglichst weitergehen.

„Schutz der Mitarbeiter hat Priorität“
Welche generellen Lehren lassen sich denn aus der jetzigen Wende zum Besseren ziehen?
Wir haben das große Glück, dass einige wichtige Personalien jetzt geklärt sind. Nach dem plötzlichen Tod unseres Baubürgermeisters Joachim Baumert, der uns alle erschüttert hat, haben wir mit Petra Dorfmeister eine hervorragende Nachfolgerin gefunden. Sie geht mit viel Elan und Systematik an ihre Aufgaben heran.
Glück hatten wir auch, dass mit Silke Ostermann eine Leiterin für das Baurechtsamt an Bord gekommen ist; ansonsten hätten wir dieses Amt an das Landratsamt abgeben müssen. Gleiches gilt für Carmen Urban, die die lange Vakanz an der Spitze des Hochbauamtes beendet hat.
Aufgabe der nächsten Monate wird es sein, konkrete Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Dabei ist klar, dass wir die Mitarbeiter nicht mehr so überlasten dürfen, wie es in der Vergangenheit der Fall war – aufgrund des großen Handlungsdrucks an allen Ecken und Enden. Wir müssen Kräfte schonen und Abläufe optimieren – auch wenn das bedeutet, dass das ein oder andere Projekt unter Umständen etwas warten muss, nicht nur im Baubereich.
Was würden Sie als größten Misserfolg Ihrer ersten Amtszeit einstufen?
Natürlich gibt es Themen, bei denen ich mir einen anderen Verlauf gewünscht hätte. Und ich musste lernen, dass manche Dinge einfach mehr Zeit brauchen, als vorher gedacht. Allerdings würde ich das nicht unbedingt als Misserfolg bezeichnen, sondern eher als die Erkenntnis, dass manchmal Pragmatismus vorgeht und man nicht immer bei allem das Optimum herausholen kann.
Und dass man als Stadt in vielen Bereichen nur begrenzt Einfluss hat, auch wenn man selbst gerne schneller zu einem Ergebnis kommen würde. Mit dem Wissen von heute hätte ich mich auch in der Freibad-Frage anders positioniert.
Damals hatte ich nur den dringenden Handlungsdruck aus der Spital-Richtung vor Augen und die soziale Bedeutung des Waldshuter Freibades anders eingeschätzt.
Aber ich glaube, auch als Politiker darf man dazulernen – und das habe ich. Heute freue ich mich, wie schön das Bad geworden ist, und welche Freude es den Menschen bereitet. Ich bin selbst ein großer Fan.

„Stadt hat derzeit bei Klettgau-Carré keinen Handlungsdruck“
Ein Dauerbrenner ist natürlich auch das Klettgau-Carré in Tiengen. Wie geht es hier weiter?
Hierzu kann ich sagen, dass der private Investor Baurecht hat, also bauen darf, und dieses zwei Jahre gilt. Er hat auch signalisiert, dass er bauen möchte, weshalb die Stadt an dieser Stelle aktuell keinen Handlungsdruck hat. Thema der nächsten Jahre wird nun sein, alle folgenden Prozesse und Abläufe aufzugleisen.
Und ich würde mich sehr freuen, wenn hier bald etwas Sichtbares passierte. Dass das Projekt nicht schneller vorwärtsgeht, kann man niemandem anlasten, denn sein Verlauf war von Faktoren geprägt, die nicht vorhersehbar waren. Aus heutiger Sicht hätte man vielleicht die frühe Kommunikation anders gestalten können, weil sie große Erwartungen geweckt hat.
Auch Ihr Verhältnis zum Gemeinderat ist unterdessen in den vergangenen Jahren nicht immer störungsfrei gewesen. Wie würden Sie es aktuell einschätzen?
Mir ist eine sachorientierte und möglichst konstruktive Zusammenarbeit mit dem Gremium sehr wichtig – und die haben wir auch ganz überwiegend. Dass hier und da mal heftiger diskutiert wird, vor allem dann, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, ist normal und auch erlaubt. Es sollte nur niemand persönlich verletzt werden.
„Habe große Lust auf eine zweite Amtszeit“
Es ist zwar noch eine Weile hin, bis es ernst wird, aber man hört sehr deutlich heraus, dass Sie eine zweite Amtszeit anstreben.
Ja, ich habe wirklich Lust auf eine zweite Amtszeit – mit allen damit verbundenen Herausforderungen. An Ideen mangelt es mir sicherlich nicht und auch nicht an der Leidenschaft, etwas zu gestalten und unsere Stadt dadurch voranzubringen. Natürlich gibt es auch Schattenseiten, etwa die enorme zeitliche Beanspruchung und dass man es nie allen recht machen kann.
Unter dem Strich überwiegt aber die Freude, wenn man etwas erreicht hat, und die Dankbarkeit, die man dafür von vielen Seiten erfährt. Das macht das Amt des Oberbürgermeisters zum schönsten Beruf, den ich mir vorstellen kann.

Erwarten Sie, dass Sie es im Wahlkampf mit einem Gegenkandidaten zu tun bekommen?
Grundsätzlich muss man bei Wahlen immer mit Gegenkandidaten rechnen. Und eine Gruppierung hat ja auch angekündigt, dass sie jemanden suchen will. Am Ende nehme ich es, wie es kommt, denn ich werde mich ganz auf meine eigene Agenda konzentrieren. Und die wird sach-, themen- und bürgerbezogen sein. Entscheidend ist, dass ich Ideen für die Weiterentwicklung unserer Stadt habe – und motiviert bin, diese umzusetzen.
Alles rund um die OB-Wahl
Am 23. Juli 2023 wählt Waldshut-Tiengen einen Oberbürgermeister. Wir halten Sie während des Wahlkamps bis zur Wahl auf dem Laufenden. In unserem Überblicksartikel erfahren Sie alles Wissenswerte und alle aktuellen Entwicklungen rund um die OB-Wahl: