Herr Reichelt, Ihr beruflicher Wechsel fällt zufällig mitten in die Corona-Krise. Wie groß sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit des Polizeireviers? Haben Ihre Beamten jetzt weniger Zeit für die Aufnahme von Unfällen oder die Aufklärung von Einbrüchen, da sie das Kontaktverbot kontrollieren?

Die Pandemie hatte zunächst große Auswirkungen auf die Arbeit des Polizeireviers. Mit dem Erlass der Corona-Verordnung der Landesregierung galt es diese Bestimmungen auch zu überwachen, um im Interesse aller zu einer Entschärfung des Infektionsgeschehens beizutragen. Daneben war selbstverständlich auch abseits der Pandemie die alltägliche Polizeiarbeit sicherzustellen, das heißt, die Kolleginnen und Kollegen haben weiterhin Verkehrsunfälle aufgenommen oder Ermittlungsverfahren bearbeitet. Den Spagat, der Pandemie angemessen zu begegnen und den regulären polizeilichen Aufgaben weiter nachzugehen, haben wir gut gemeistert. Ich zolle den Kolleginnen und Kollegen des Polizeireviers auch Respekt für ihr besonnenes und professionelles Verhalten in dieser herausfordernden Zeit.

Halten sich die Menschen denn an das Kontaktverbot?

Die allermeisten Menschen halten sich an das Kontaktverbot, weil der Sinn dieser Maßnahme auf der Hand liegt und die Erfolge im Rückgang der Ansteckungen messbar sind. Die Uneinsichtigen haben wir zunächst auf die Regeln hingewiesen und gegebenenfalls auch sanktioniert.

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Melden sich viele Menschen beim Polizeirevier, die auf Verstöße anderer gegen das Kontaktverbot oder die Abstandsregeln hinweisen? Wenn ja, wie reagiert die Polizei auf solche Hinweise?

Gerade in der Anfangszeit der Pandemie gab es regelmäßig Meldungen über entsprechende Verstöße. Diese Hinweise werden von der Polizei entgegengenommen und im Anschluss überprüft. Mit den gegenwärtigen Lockerungen ist eher ein Rückgang der Mitteilungen zu beobachten.

Hat die Corona-Krise auch Auswirkungen auf Ihren Wechsel an die Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen? Können Sie überhaupt in nächster Zeit im Hörsaal Polizeischüler unterrichten oder finden die Vorlesungen online statt?

Die derzeitige Pandemie hat konkrete Auswirkungen auf den Studienbetrieb der Hochschule der Polizei. Der überwiegende Teil der Vorlesungen wird momentan online betrieben, sodass die Unterrichtung in Form von Präsenzunterricht noch ausgesetzt ist. Dies hätte ich mir natürlich anders gewünscht, aber jetzt gilt es, das Beste aus der Situation zu machen.

Wieso haben Sie sich entschieden, Dozent an der Polizeihochschule zu werden?

Ich habe das Polizeirevier Waldshut-Tiengen seit Oktober 2013 geleitet. Die Aufgabe hätte mir sicherlich auch weiterhin Freude bereitet, aber am Schluss hat die Neugier auf eine neue Tätigkeit den Ausschlag gegeben. Die Polizei bietet viele spannende Bereiche und jetzt habe ich mich dazu entschieden, meine Erfahrungen an Studierende der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg weiterzugeben und in Einsatzwissenschaften zu unterrichten.

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In den vergangenen sechseinhalb Jahren haben Sie das Polizeirevier Waldshut-Tiengen geleitet. Was gehörte dabei zu ihrem Zuständigkeitsgebiet?

Das Polizeirevier Waldshut-Tiengen ist mit derzeit 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das größere der beiden Reviere, die im Landkreis Waldshut beheimatet sind, und zuständig für rund 60 Prozent der Fläche im Landkreis. Neben dem Streifen- und Ermittlungsdienst in Waldshut-Tiengen gehören auch die Polizeiposten Bonndorf, Jestetten, Tiengen und Wutöschingen dazu. In Abstimmung mit den Dienstzweigleitern und den Verantwortlichen der Kommunen galt es, die polizeiliche Arbeit bestmöglich zu organisieren, um die Sicherheit für die hier lebende Bevölkerung sicherzustellen. Das Aufgabenspektrum hierbei lässt sich kurz mit Personal-, Budget- und Einsatzverantwortung darstellen.

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Welche Entwicklungen haben Sie in dieser Zeit aus polizeilicher Sicht in der Doppelstadt festgestellt?

Nach meiner Wahrnehmung ist es gelungen, den Fokus auf die richtigen Prioritäten zu legen. Dies beginnt bei der Eindämmung des organisierten Bettelbetrugs und hört bei der polizeilichen Begleitung von risikobehafteten Veranstaltungen auf. Gerade für die größeren Events existieren mittlerweile gut abgestimmte Sicherheitskonzepte, die zu einem ordnungsgemäßen Verlauf der Veranstaltungen beigetragen haben. Hier hat die Stadt Waldshut-Tiengen aus polizeilicher Sicht in den letzten Jahren gute Fortschritte erzielt. Ich habe insgesamt eine sehr gute Zusammenarbeit der Stadtverwaltung mit der Polizei erlebt, insbesondere wenn es um das Thema Sicherheit ging.

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Wo liegen aus Ihrer Sicht die Schwerpunkte der Polizeiarbeit in Waldshut-Tiengen?

Das Spannende an der polizeilichen Arbeit ist, dass sich die Schwerpunkte immer wieder aufs Neue verschieben. Neben aktuellen Daueraufgaben wie zum Beispiel der Gewährleistung der allgemeinen Verkehrssicherheit oder der steigenden Computerkriminalität gibt es auch wechselnde Herausforderungen. Das können Straftatenserien bei Einbruchsdelikten oder neue Veranstaltungsformen wie die zuletzt stattfindenden „Fridays for Future„-Demonstrationen sein. Aufgrund der hiesigen Grenzlage ist die Betäubungsmittelkriminalität sicherlich ein bleibendes Thema. Hier gilt es den Rahmen so zu setzen, dass diese polizeilichen Aufgaben mit der notwendigen Flexibilität gemeistert werden.

Nicht immer geht es am Waldshuter Busbahnhof so ruhig zu, wie auf diesem Archivbild. Der Busbahnhof fällt durch eine ...
Nicht immer geht es am Waldshuter Busbahnhof so ruhig zu, wie auf diesem Archivbild. Der Busbahnhof fällt durch eine überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet auf. | Bild: Dana Coordes

Ein Brennpunkt seit vielen Jahren ist das Gebiet um den Waldshuter Bahnhof und Busbahnhof, wo es immer wieder Gewaltdelikten kommt. Stimmt es, dass die Polizei dort im Gegensatz zu anderen Orten sogenannte verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchführen darf? Wenn ja, was bewirken diese Kontrollen?

Das ist richtig. Der Busbahnhof in Waldshut fällt durch eine überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet auf. Der festgestellten Häufung von Körperverletzungen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz soll auch durch offensive Kontrollmaßnahmen begegnet werden. Das Polizeigesetz Baden-Württemberg bietet für derartige Örtlichkeiten erweiterte Kontrollbefugnisse, um die negativen Erscheinungsformen möglichst zu verhindern. Die regelmäßige polizeiliche Präsenz dient der Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Welcher Fall aus Ihrer Zeit in Waldshut-Tiengen ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben und warum?

Der Überfall vom 21. April 2017 auf eine Bankfiliale in der Waldshuter Innenstadt wird mir besonders in Erinnerung bleiben. An dem Tag betrat ein vermeintlich schwerbewaffneter Täter die Bank und forderte Bargeld. Im Verlauf des polizeilichen Einsatzes kam es dann zum polizeilichen Schusswaffengebrauch. Lange Zeit war nicht klar, wie es den Personen geht, die sich noch in der Bank befunden haben. Ein Spezialeinsatzkommando hat die polizeiliche Lage später beendet. Dieser Einsatz war für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Es ist aber nicht nur dieser Fall, der mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Das werden auch die täglichen Begegnungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein, die mich konstruktiv unterstützt haben und sicherlich auch weiterhin engagiert für Sicherheit sorgen werden. Ich wünsche Ihnen vor allem, dass sie auch künftig stets heil aus ihren Einsätzen zurückkehren

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