Frau Peter, warum ist das Thema Schlaf so wichtig, dass es sogar den deutschen Aktionstag des Schlafes (am 21. Juni) gibt?
Ein Mensch verbringt im Durchschnitt rund 24 Jahre seines Lebens schlafend. Und erholsamer Schlaf ist wichtig, weil sich Körper und Geist in dieser Ruhephase erholen. Der gesamte Organismus fährt hinunter, die Herzfrequenz liegt nur noch bei 45 bis 50 Schlägen pro Minute. Das Herz-Kreislauf-System kann sich so erholen und das Immunsystem hat Zeit für einen Neustart. Für Kinder ist Schlaf noch wichtiger, weil Wachstumshormone im Schlaf ausgeschüttet werden. Aber nicht nur das: Im Tiefschlaf werden auch unsere Gedanken und Emotionen neu geordnet und aussortiert – das ist zentral wichtig für unsere Gedächtnisleistung.
Wann sprechen wir eigentlich von gutem Schlaf?
Jeder kennt schlechten Schlaf: Wenn wir morgens mit bleierner Müdigkeit aufwachen und den Tag über unkonzentriert sind. Gut schläft aus wissenschaftlicher Sicht hingegen, wer vier Mal die Einschlaf-, Leichtschlaf-, Tiefschlaf- und REM-Traumschlafphase durchläuft. Das gelingt laut Experten-Empfehlungen am besten bei sechs bis neun Stunden Gesamtschlafdauer, aber kann ganz individuell sein. Zum Morgen hin wird der Tiefschlaf immer kürzer, deshalb sollten wir besonders in den ersten Stunden des Schlafes dafür sorgen, nicht gestört zu werden.
Welche Gefahren bringt schlechter Schlaf mit sich?
Neben Unkonzentriertheit, Vergesslichkeit und der Gefahr von Sekundenschlaf beim Autofahren, erhöht langfristig schlechter Schlaf auch das Risiko an Demenz und verschiedenen Krebsarten zu erkranken. Außerdem ist schlechter Schlaf ein großer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-bedingte Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle. Das ist also durchaus ein Thema, das Menschen ernst nehmen sollten.
Welche äußeren Bedingungen können den Schlaf stören?
Neben hilfsbedürftigen Angehörigen, quengelnden Kindern und störenden Haustieren haben auch die Begebenheiten im Schlafzimmer einen großen Einfluss auf unseren Schlaf: Es sollte ein ruhiger, aufgeräumter Raum sein, in dem wir uns geborgen fühlen und keine Rumpelkammer. Rund 18 Grad Raumtemperatur sind im Schlafzimmer ideal. Fernseher und Smartphone sollten aus dem Raum verbannt werden und nicht vor dem Einschlafen genutzt werden, weil das blaue, künstliche Licht und mögliche Geräusche Körper und Seele aufwühlen. Nur bei Dunkelheit produziert die Zirbeldrüse des menschlichen Körper das Schlafhormon Melatonin.

Was sind außerdem die häufigsten Ursache für Schlafstörungen?
Wenn keine medizinischen Ursachen wie Atemstillstände im Schlaf (Schlafapnoe) vorliegen, sind es vor allem psychische Belastungen, die den Schlaf stören. Die Arbeitsverdichtung in unserer modernen Welt trägt dazu bei: Viele sind ständig erreichbar, haben Mehrfachbelastungen durch Job, Familie und Vereine. Wer Perfektionsansprüche und viel Verantwortung hat, ist häufiger von Schlafstörungen betroffen. Dann verhindert häufig das sich ständig drehende Gedankenkarussell das Ein- oder Weiterschlafen. Im Alter nehmen Schlafstörungen tendenziell zu, weil Krankheiten zusätzlich belasten und wir weniger resilient mit Herausforderungen umgehen können.
Welche Alltagstipps haben Sie gegen Schlafstörungen?
Das Wichtigste: Man sollte die eigene Schlafhygiene einhalten. Das heißt regelmäßig zur gleichen Uhrzeit zu Bett gehen und aufstehen und auf das eigene Müdigkeitsgefühl hören – auch wenn der Fernsehkrimi gerade noch so spannend ist. Rund zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte man außerdem nicht zu intensiven Sport treiben oder zu schwer und fettig essen, weil beides den Organismus belastet und das Herunterfahren dann länger dauert.
Können auch Rituale helfen?
Ja, absolut! Und hier ist erlaubt, was ganz individuell guttut: Eine heiße Dusche oder ein warmes Voll- oder Fußbad entspannt die Muskeln und stimmt uns wohlig. Kleine Meditation oder Fantasiereise helfen uns ebenso Grübelgedanken loszuwerden, wie das Schreiben eines Tagebuchs. Eine leckere Tasse Tee oder Fußmassagen mit ätherischen Lavendel-Ölen können ebenso gut tun.
Und was tun, wenn die Gedanken trotzdem kreisen und an Weiterschlafen nicht zu denken ist?
Dann sollte man sich auf gar keinen Fall zwingen, weiterzuschlafen. Mit Druck und Wut ist das ohnehin nicht möglich. Besser: Einen kleinen nächtlichen Spaziergang machen, die Aufgabenliste oder Gedanken von der Seele schreiben oder doch noch eine Tasse Tee trinken und es später erneut versuchen. Dabei sollte man sich treiben lassen und nicht ständig auf die Uhr gucken, weil das nur wieder zusätzlich Stress verursacht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wer trotz der Ratschläge länger als vier Wochen schlecht schläft, ständige müde ist und sich tagsüber nur zurück ins Bett sehnt, sollte sich ärztlich durchchecken lassen. Am Klinikum Hochrhein haben wir für solche Fälle ein Schlaflabor eingerichtet.
Wie läuft die Untersuchung im Schlaflabor ab?
Schlafstörungen und deren Ursachen zu erkennen, ist das Ziel. Zunächst bekommen Patienten für eine Nacht ambulante Messgeräte mit Stöpseln an Nase, Brust und Bauch mit nach Hause. Dann analysieren unsere Schlafmediziner die Ergebnisse am Computer und schauen, ob Auffälligkeiten wie Schlaf- oder Atemstörungen zu erkennen waren. Wenn ja, kommen Patienten noch einmal für zwei Nächte in eines unserer sechs Schlaflabor-Zimmer. Dort können wir auch Gehirnströme und -aktivität messen und mittels Bewegungssensoren und Kameras auch häufiges Herumwälzen und etwa Schlafwandeln erkennen.
Und wie können Sie Betroffenen helfen?
Menschen mit Atemaussetzer bekommen in der Regel eine Schlafmaske mit Sauerstoff und ab einem Body-Maß-Index von 30 die Empfehlung, ihr Gewicht zu reduzieren. Denn: Zusätzliches Gewicht schränkt die Atemwege ein. Menschen die aufgrund von Stress an nächtlicher Unruhe leiden, können wir zum Beispiel eine medizinische Schlaf-App verschreiben, die mit einer Tagebuchfunktion, vielen Informationen und praktischen Entspannungsübungen die Nachtruhe unterstützt. Auch eine kognitive Verhaltenstherapie beim Psychologen oder Psychotherapeuten kann helfen, alte Muster aufzubrechen und unbeschwerter durch Leben zu gehen.
Wie ist die Arbeit als Schlafmedizinerin?
Es ist ein spannendes Berufsfeld, weil Menschen allen Alters und Geschlechts davon betroffen sind und der Leidensdruck oft sehr hoch ist. Sind die Schlafstörungen beseitigt, bekommt man unheimlich viel Dankbarkeit zurück.