Der Betrachter ist überrascht: Das sollen Fotografien sein? Sind das nicht eher Gemälde, malerische Collagen, verschwommene Aquarelle oder zersplitterte Ansichten? Genau diese Verunsicherung scheint Christoph Keller, Träger des Alemannischen Literaturpreises 2020, beabsichtigt zu haben. Er zeigt jetzt in der Waldshuter Stadtscheuer seine Fotoausstellung „Schreiben mit Licht“.

Bei der Eröffnung sagt er dazu: „Ich will mit meinen Fotografien eine Illusion erzeugen. Dabei manipuliere ich nichts sondern warte geduldig und finde meine Motive nach dem Zufallsprinzip.

„Primal Matter (Moon and Sun)“ von Christoph Keller.
„Primal Matter (Moon and Sun)“ von Christoph Keller. | Bild: Rosemarie Tillessen

Mal sind es verschmutzte Fensterscheiben, vom Wind aufgewühlte Pfützen, wegziehende Wolken, sich spiegelnde Wasserstrahlen oder zerbrochene Bordsteinkanten, die für mich im Rollstuhl zum Problem werden. Am Computer bin ich manchmal selber überrascht und bestimme lediglich noch den Ausschnitt der Illusion.“ Und ergänzt vergnügt, dass er kein Fotograf sei sondern lediglich eine Kamera gekauft habe.

Das könnte Sie auch interessieren

Denn Christoph Keller ist Schriftsteller. Seine Fotografien entstehen oft zeitgleich zu seinen Romanen. Und erzählen ebenfalls Geschichten – nur diesmal mit Licht geschrieben. Es sind Bilder zu seinen Büchern, die er von 2008 bis 2021 geschrieben hat. Viele der Fotos entstanden in New York, andere in St. Gallen. Sie verblüffen, verunsichern und bleiben oft rätselhaft. Aber sie sind von großer Schönheit.

Wie etwa die Arbeit Nr. 25 mit dem Titel „Roman Holliday“: Ist das vielleicht ein Garten mit einem See, mit vom Wind vibrierenden Pflanzen, die wie eine Fontäne sprühen? Gern und amüsiert hilft Christoph Keller hier weiter: Nein, das sei ein Brunnen in St. Gallen, geschaffen vom Schweizer Künstler Roman Signer, mit einer durch das Wasser schimmernden Frau auf der Parkbank. Eine wunderbare Verzauberung durch mehrere Schichten, bei der man immer neue Überraschungen entdecken kann.

„Manhattajazz“ nennt Christoph Keller diese Fotografie.
„Manhattajazz“ nennt Christoph Keller diese Fotografie. | Bild: Rosemarie Tillessen

Doch der Reihe nach: Bürgermeister Joachim Baumert begrüßte im Namen der Stadt den neuen Literaturpreisträger Christoph Keller und die Besucher der Ausstellung und sprach von der Farbenfreude und der positiven Ausstrahlung der Werke. Dann führte Kulturamtsleiterin Kerstin Simon in die Ausstellung ein. Sie sprach von den surrealen Gegebenheiten durch Corona und wie dadurch die Wirklichkeit in Schieflage geriet.

Das könnte Sie auch interessieren

Für sie seien die Fotografien wie das letzte Puzzle-Teil in der Bücherwelt von Christoph Keller: Dort wie in seinen Licht-Bildern konzentriere er sich auf Spiegelungen, die Schichten von Bedeutung, Einsicht und Schönheit bilden: „Seine Fotografien sind wahrhaftig mit Licht geschriebene Geschichten.“

Und Kerstin Simon wies auf seine Lesung und die Preisverleihung im Langensteinstadion in Tiengen am nächsten Wochenende hin: „Welcher Literaturpreis wurde schon jemals auf dem Rasen eines Fußballstadions überreicht?“