Tierarzt Bastian Plenz-Moll aus St. Blasien weiß noch ganz genau, an welchem Tag das war: „Der Turmfalke kam am Donnerstag, 29. Juli, zu uns in die Praxis. Passanten hatten ihn zuvor flugunfähig am Straßenrand gefunden.“
In der Tierarztpraxis angekommen, hätten die Untersuchungen dann einen Bluterguss im rechten Unterarm ergeben. „Auch das Gefieder war teilweise beschädigt. In der Röntgenuntersuchung konnten wir einen Bruch der Elle feststellen“, erklärt Plenz-Moll. Was zu diesem Bruch geführt hatte, hätte sich im Nachhinein nicht genau feststellen lassen.
Da der Fundort aber in der Nähe einer Straße war, könne dies auf eine Kollision mit einem Fahrzeug hinweisen. „Wir haben Merlin bei uns mit Schmerzmittel und Infusionslösung erstversorgt und die Fraktur über einen Verband stabilisiert.“ Alles Weitere habe dann Hubert Rossa im Wildgehege Waldshut übernommen.
Im Wildgehege aufgepäppelt
Da Merlin zu diesem Zeitpunkt noch recht klein war, kam er im Wildgehege zu einer ganz besonderen Vogel-Mama, erklärt Hubert Rossa, ehrenamtlicher Tierpfleger: „Wir bekommen jedes Jahr mehrere junge Falken, die aus ihrem Horst gefallen sind. Glücklicherweise ist unsere Mäusebussard-Dame so sozial, dass sie alle fremden Pflegekinder adoptiert und aufzieht. Das ist wahrscheinlich einmalig in Deutschland.“

In einem Jahr seien es sogar mal elf Falken gewesen, die sie großzog, so Rossa stolz. Es sei ein großer Vorteil, wenn junge Wildvögel von anderen Wildvögeln aufgezogen werden, da die Jungtiere dadurch nicht durch die Handaufzucht zahm würden. „So behalten sie ihre normale Wildheit und Fluchtdistanz und haben dadurch später viel bessere Überlebenschancen in der Freiheit.“
Gut bei der Mäusebussard-Dame behütet und aufgezogen, habe Rossa bereits nach nur wenigen Wochen den Verband an Merlins Flügel entfernen können. Die Fraktur war gut verheilt. „Jetzt brauchte er nur noch etwas Zeit für Flugtraining, bis die Muskulatur wieder stark genug war.“ Zwischenzeitlich sei er von einem Mitarbeiter der Vogelwarte dann noch beringt worden.
„Als dann der Tag kam, an dem wir Merlin wieder in die Natur entlassen konnten, wollten sich das natürlich auch die Mitarbeiter der Tierarztpraxis nicht entgehen lassen und kamen zu uns in das Wildgehege“, sagt Hubert Rossa stolz. Mit Freude und Erleichterung hätten alle Anwesenden zugeschaut, wie der junge Turmfalke in den Wald flog, kurz auf einem Ast landete, sich putzte und dann weiterflog. Den Abschied posteten die Mitarbeiter der Tierarztpraxis auf Instagram.
Ehrenamtlicher Tierpfleger
Hubert Rossa kümmert sich seit fast 50 Jahren ehrenamtlich um verletzte Greifvögel und ist im Landkreis Waldshut der Ansprechpartner für Greifvögel. Er arbeitete 13 Jahre lang hauptberuflich als Tierpfleger und betreute das Wildgehege Waldshut. Inzwischen ist er Rentner, aber weiterhin täglich stundenweise im Wildgehege tätig. Seine Hauptaufgabe: Rabenvögel, Falken, Mäusebussarde, Steinadler und Eulen zu betreuen. „Alle in den Volieren gehaltenen Vögel sind Pfleglinge, also auf verschiedene Art behinderte Vögel, die in der Natur nicht mehr überlebensfähig sind“, erklärt er.
Allerdings würden Vögel, die im Wildgehege wieder völlig gesund werden, wieder ausgewildert – so wie auch Turmfalke Merlin.