Waldshut Sternenhimmel, weicher Wind, feiner Regen, dunkler Wald, der Mond silbern. Romantisch erscheinen diese Versatzstücke einer Landschaft, Ort ist für eine leidenschaftliche Begegnung zweier Liebender – doch trügerisch, „todesschön“. So enthält der Beginn des Textes „Die schönste Version“ Zeichen, die brutale Gewalterfahrung und das Scheitern der Beziehung andeuten, schreibt das Hochrhein-Gymnasium in einer Mitteilung.
Die 1993 geborene Autorin Ruth-Maria Thomas war bei der Scheffelpreis-Lesung zu Gast am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und präsentierte Ausschnitte aus ihrem 2024 erschienenen Romandebüt. Jella, Studentin, Anfang 20, wohnt mit ihrem Freund Yannick in dessen Wohnung in einer Kleinstadt in der ostdeutschen Provinz. Das Verhältnis des vermeintlichen Traumpaars bekommt schnell Risse. Jella wird zum Objekt männlichen Besitzdenkens, erfährt Gewalt – zunächst still, dann verbal, körperlich und sexuell. Geschönte Erinnerungen, falsche Weisheiten und irreführende Regeln sollen darüber hinwegtäuschen.
Gebannt und berührt hörten die 35¦Gäste im Musiksaal der Autorin zu. Zwischen den Textausschnitten war Ruth-Maria Thomas im Gespräch mit Deutschlehrerin Julia Böttcher, die der Autorin durch eigene Überlegungen und Fragen Gelegenheit gab, über das Selbstverständnis als Schriftstellerin nachzudenken und Prägungen zu reflektieren, die zur Entstehung des Romans beigetragen haben können. Ruth-Maria Thomas bezeichnete ihren Text als „Lehrbuch einer toxischen Beziehung“. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, patriarchalisches Besitzdenken zu brechen. Privates müsse öffentlich gemacht werden, damit Diskussionen über Frauenrechte, also Menschenrechte, geführt werden können.
Der Text leistet seinen Beitrag dazu nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt in Rückblenden und Reflexionen die schleichende Entwicklung hin zum Zustand seelischer Dunkelheit. Dies geschieht auch heiter-absurd. Eine Botschaft war der Autorin besonders wichtig: „Schmerz ist Verarsche. Liebe muss nicht wehtun.“ (pm/sav)