Julia Becker und Justus Obermeyer

Die Telekom beschleunigt aktuell im Wohngebiet Seeboden das Wehrer Internet durch Super-Vectoring. Doch bei der Stadtverwaltung stößt dies auf wenig Begeisterung: Die Maßnahme könnte den geplanten kommunalen Breitbandausbau mit schnellerer Glasfaser torpedieren.

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Die Tiefbauarbeiten haben bereits begonnen: Von der Betriebsstelle Ecke Bandolstraße und Seebodenstraße aus erschließt die Deutsche Telekom seit Mitte Januar den Nahbereich mit Super-Vectoring. Auch wenn die Kupferkabel zu den Hausanschlüssen nicht ausgetauscht werden, kann so die Internetgeschwindigkeit auf etwa bis zu 250 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Download gesteigert werden.

Die Breitbandversorgung in Wehr.
Die Breitbandversorgung in Wehr. | Bild: Grafik: Ellen Knopp

Ein Wermutstropfen: Profitieren werden davon nur die 1500 Haushalte in einem Umkreis von maximal 550 Metern um die Vermittlungsstelle Ecke Bandolstraße/Seebodenstraße. Kritik an der Maßnahme gibt es von der Stadtverwaltung: „Die Technik ist von vorgestern und wird zu Recht vom Land nicht gefördert. Der Ausbau reicht nur für die nächsten fünf Jahre“, so Bürgermeister Michael Thater. Mit einem Breitbandanschluss mit Glasfaser bis ans Haus können hingegen zukunftsfähige Übertragungsgeschwindigkeiten von mehr als 1000 Mbit/s erreicht werden.

Warum ist Vectoring für die Stadt ein Problem?

Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive des Bundes wird der Ausbau kommunaler Netze in schlecht versorgten Gebieten stark bezuschusst. In Wehr rechnet man mit einer Subvention von 75 bis 90 Prozent, so Thater. Insgesamt brauche es rund 30 Millionen Euro, um ganz Wehr und Öflingen mit Glasfaser zu versorgen. Da Öflingen bereits durch Unitymedia gut erschlossen sei, beantragt die Stadt die Förderung nur für Wehr. Hierfür würden Kosten von insgesamt etwa 20 Millionen Euro anfallen. Allein für den hochkomplexen Förderantrag hat die Stadt bereits in diesem Jahr 270 000 Euro investiert. Ab 2020 sind 2,8 Millionen Euro jährlich für den Internetausbau vorgesehen. Die Pläne stehen und fallen allerdings mit der Förderung: „Wenn wir nicht mindestens 50 Prozent gefördert bekommen, ist das Projekt gestorben“, stellt Thater klar.

Der Zeitplan

Wegen der umfassenden Tiefbauarbeiten auf der knapp zwei Kilometer langen Strecke rechnet die Telekom damit, im Herbst Super-Vectoring im Bereich Seeboden anbieten zu können. Die Stadtverwaltung wird ihren Förderantrag noch im Frühjahr einreichen und rechnet im Sommer mit einer Rückmeldung zu ihrem Förderantrag. Bei positivem Bescheid könne man schon in diesem oder im kommenden Jahr mit dem Ausbau beginnen und das Netz in zwei bis drei Jahren fertigstellen.

In den Neubaugebieten habe man bereits entsprechende Leerrohre verlegt, die für die Versorgung genutzt werden sollen. So kann die Telekom bereits im Neubaugebiet "Breit II" die Versorgung mit Glasfaser am Hausanschluss anbieten. Ein zukünftiges kommunales Glasfasernetz soll an das Unternehmen verpachtet werden, das auch den Zuschlag für das geplante Backbone erhält, erklärt Thater.

Kommt die Telekom der Stadt in die Quere?

Bundesweit gibt es immer wieder Kritik an der Telekom: Durch das Vectoring wolle der Konzern dem kommunalen Ausbau vorgreifen und sich seine Kunden sichern. „Tatsächlich sind wir zum Ausbau von der Bundesnetzagentur vertraglich verpflichtet: Wir haben den Zuschlag für viele Nahbereiche bekommen, die nun mit Vectoring und Super-Vectoring versorgt werden“, erläutert Telekom-Pressesprecher Hubertus Kischkewitz.

Bis 2020 sollen der Ausbau mit Vectoring und Super-Vectoring bundesweit abgeschlossen sein, anschließend sollen jährlich zwei Millionen Haushalte mit Glasfaser versorgt werden. Bei dem Ausbau mit Glasfaser an die Hausanschlüsse (FTTH und FTTB) werde die Wettbewerbssituation und die erwartete Nachfrage berücksichtigt, nicht unbedingt die Größe der Gemeinde, erläutert Kischkewitz. „Unser Ziel ist es, möglichst schnell viele Menschen mit schnellem Internet zu versorgen.“

Breitband oder Vectoring?

  1. Was ist Vectoring? Mit dem Vectoring wird das bestehende Datennetz verbessert: Die Verbindung zwischen Vermittlungungsstellen und Verteilerkästen wird mit Glasfaserleitungen ausgebaut. Bis zu 100 MBit Bit/Sekunde sind damit möglich. Die Technik hat auch einen entscheidenden Nachteil: Die Verbindung von den Verteilerkästen zu den Kunden bleibe ein Kupferkabel. Je weiter die Entfernung zum nächsten Verteilerkasten, desto langsamer werde die Datenverbindung. Beim Supervectoring – eine Weiterentwicklung des bisherigen Vectorings – sollen im optimalen Fall sogar 250 MBit/Sekunde möglich sein.
  2. Wie schnell ist mein Internet? Im Breitbandatlas (www.breitbandatlas.de), einer Webseite des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur, kann Bürger selbst nachsehen, welche Internet-Bandbreite an seinem Wohnort – ja sogar in seinem Wohnhaus – maximal zur Verfügung steht. Hier zeigt sich: Es gibt in Wehr privilegierte Wohngebiete: Nahezu flächendeckend ist beispielsweise Öflingen durch den Kabelanbieter Unitymedia versorgt, der laut Breitbandatlas für über 95 Prozent der Haushalte Leitungen mit Downloadraten von mehr als 50 MBit/Sekunde bereitsstellen kann. Benachteiligt sind hingegen einige Wehrer Wohngebiete: So können zum Beispiel maximal zehn Prozent der Bewohner des Meierhofs mit einer Bandbreite von mehr als 6 MBit/Sekunde surfen.
  3. Wie schnell sollte meine Datenleitung sein?
    Beim Streaming: Wer Filme und Serien in Mediatheken oder bei Streamingdiensten (wie beispielsweise Netflix oder Amazon Prime) im Internet ansehen will, benötigt gewisse Downloadgeschwindigkeiten. Die Dienste messen dazu vorab die Leitung und komprimieren den Videostream auf eine entsprechende Größe, damit der Film noch ruckelfrei anzusehen ist. Netflix gibt als Mindestgeschwindigkeit lediglich 0,5 Mbit/Sekunde an – die Komprimierung führt hier allerdings schon zu einem sichtbaren Qualitätsverlust. Für qualitativ bessere HD-Videos wird eine Downloadrate von mindestens fünf MBit/Sekunde erwartet, für hochauflösende 4K-Filme sind sogar 25 MBit/Sekunde notwendig.
    Beim Gaming: Wer am Computer oder der Spielekonsole grafikintensive Spiele online nutzt, sollte noch größeren Wert auf eine schnelle Datenleitung legen. Allein für das Spielen sind Bandbreiten von mindestens 16 MBit/Sekunde notwendig. Weil Installationen, Updates und Downloads riesige Datenmengen verursachen, wird eine Downloadrate von mindestens 50 MBit/Sekunde empfohlen.