Kirchenbücher sind wichtige historische Quellen. Sie verzeichnen Geburten, Heiraten und Todesfälle. Oft haben die Pfarrer darin Angaben über den Beruf, den Ortsteil und die Konfession gemacht. Auch wurden die Heimatgemeinden von Zugezogenen vermerkt. Seit 1870 wurden die Kirchenbücher als Standesbücher von den Standesbeamten der Gemeinde geführt. Die Einträge gelten noch heute als Dokumente.
Werfen wir in den Wehrer Kirchenbüchern einen Blick auf den Webermeister Lukas Büche. Einst war er in der Stadt Wehr ein Begriff. Er galt als ein „lebenslustiger Mann“. Dies erzählte der im Jahr 2001 gestorbene Atelierchef der Wehra AG, Erich Felber, in einem Interview über die Sänger des „Liederkranz“.
Verschont von Unehelichkeit
Die Geburt des Lukas Büche am 27. Oktober 1858 wurde am 31. Oktober im Kirchenbuch notiert. Aber nicht als Lukas Büche kam er zur Welt, sondern als Lukas Kramer, unehelicher Sohn der ledigen Karolina Kramer. Allerdings erfolgte später am Rand der Vermerk, dass der Taglöhner Anton Büche ihn 1861 als Sohn anerkannte.
Die ausführliche Vaterschaftserklärung wurde vor Zeugen am 17. Oktober 1861 im Kirchenbuch niedergeschrieben. Anton Büche heiratete Karolina Kramer fünf Tage später. Damit blieb ihrem Sohn Lukas der Makel der Unehelichkeit – was seinerzeit gar nicht so selten war – erspart.
Als Lukas am 19. Oktober 1886 Katharina Kumle heiratete, war seine Herkunft „geordnet“. Der Eintrag im Heiratsbuch der Gemeinde Wehr verrät nichts von dieser Vorgeschichte. Aber er enthält andere Informationen. Sowohl Lukas als auch seine Ehefrau werden als „Fabrikarbeiter“ bezeichnet.
Beide arbeiteten in der Buntweberei F. A. Baumgartner, seit Juli 1888 MBB. Jahrzehnte später notierte Ratsschreiber Adolf Mulflur am Rand den Tod der Ehefrau Katharina, geborene Kummle am 11. März 1941. Er schrieb den Namen mit doppeltem M! Das zeigt die veränderte Rechtschreibung des seit Ewigkeiten in Wehr üblichen Familiennamens Kumle zu Kummle.
Der nächste Eintrag erscheint – wie nicht anders zu erwarten – im Geburtenbuch. Am 28. November 1888 kam Lina zur Welt, das erste Kind des jungen Ehepaars. Es sollten acht weitere folgen! Sowohl Linas Heirat 1922 als auch ihr Tod 1967 wurde vom Standesbeamten am Rand vermerkt. Im Geburtseintrag wird Lukas Büche wieder als Fabrikarbeiter bezeichnet, seine Ehefrau aber nicht.
Das Foto
1889/90 fasst Büche einen Entschluss: Er lässt sich mit seiner Frau und der kleinen Lina fotografieren, vielleicht von Robert Spreng senior in Säckingen. Das Foto befindet sich im Familienalbum von Johanna Burger. Das Trio ist bestens gekleidet. Lukas hält sogar einen topmodischen Panamahut in der Hand.

Daraus spricht ein großes Selbstbewusstsein. Wie berechtigt es ist, zeigt der Blick in ein Personalverzeichnis der MBB von 1888. Dort wird Lukas Büche nicht als Fabrikarbeiter, sondern als einer der sieben Webmeister in Wehr aufgeführt. Er gehörte somit zur sogenannten Arbeiteraristokratie.
Lukas Büche war eine bekannte Persönlichkeit. Das Einwohnerverzeichnis von 1908 erwähnt ihn als „Webermeister“ in der Storchenstraße. Er spielte eine führende Rolle im katholischen Gesellenverein und war mit seinen Brüdern Musiker bei der „Feuerwehr-Harmonie“. Büche war auch ein begeisterter Sänger im Liederkranz, dem Gesangverein der „gehobenen Kreise“. Laut Erich Felber war er „ein Lebenskünstler“. Lukas Büche starb 91-jährig am 14. Februar 1949. Noch heute ist seine Enkeltochter, die Hebamme Rita Burger, vielen Wehrern im Gedächtnis.