Im Jahr 1992 feierte Wehr einen ganz großen Geburtstag: zum 900-jährigen Stadtjubiläum wurde ein ganzes Jahr gemeinsam gefeiert. „Die ganze Stadt war auf den Beinen“, erinnert sich der damalige Kulturamtsleiter Reinhard Valenta.

Die Innenstadt war zum Festumzug gut gefüllt mit Zuschauern. Die Römischen Legionäre zogen als erste von 17 historischen Gruppen durch ...
Die Innenstadt war zum Festumzug gut gefüllt mit Zuschauern. Die Römischen Legionäre zogen als erste von 17 historischen Gruppen durch die Innenstadt – dargestellt wurden sie vom Radsportverein Öflingen und der Freiwilligen Feuerwehr Öflingen. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Um das große Jubiläum angemessen zu feiern habe man schon Jahre vorher mit der Planung begonnen, so Günter Kramer.

Zusammen mit Heiner Vogt vom Hauptamt war Kramer als Kulturamtsmitarbeiter für die Organisation der Aktivitäten zuständig.

Günter Kramer als damaliger Mitarbeiter des Kulturamts hatte zusammen mit dem mittlerweile verstorbene Heiner Vogt aus dem Hauptamt die ...
Günter Kramer als damaliger Mitarbeiter des Kulturamts hatte zusammen mit dem mittlerweile verstorbene Heiner Vogt aus dem Hauptamt die Fäden für die Festveranstaltungen in der Hand. Der damalige Kulturamtsleiter Reinhard Valenta steuerte nicht nur historische Vorträge bei sondern verkörperte auch den Minnesänger Walther von Klingen. | Bild: Julia Becker

Es wurde ein Festkomitee eingesetzt und der Gemeinderat bewilligte stattliche 80.000 Mark für die Feierlichkeiten – von Vorträgen zur Stadtgeschichte über den Festumzug und ein Theaterstück bis zu einer gemeinsamen Party im Festzelt wurde richtig groß gefeiert. „Das war eine festliche Stimmung, wie ich sie noch nie erlebt habe“, so der damalige Bürgermeister Klaus Denzinger.

Parade durch die Innenstadt

„Viele Vereine waren gleich Feuer und Flame mitzumachen“, erinnert sich Denzinger. Mit viel Liebe zum Detail stellten die Wehrer Vereine 17 historische Wegpunkte aus der Geschichte ihrer Heimatstadt nach – von der Römerzeit bis hin zur Stadterhebung 1950.

Bunte Feier: Nach der letzten Gruppe – dem Fanfarenzug aus Zell im Wiesental – schloss sich die Menschenmenge an, gemeinsam ...
Bunte Feier: Nach der letzten Gruppe – dem Fanfarenzug aus Zell im Wiesental – schloss sich die Menschenmenge an, gemeinsam ging es zum Festzelt in den Ludingarten. Denn zwar gab es seit 1990 die neue Stadthalle, doch für die über 15000 Besucher musste man dann doch auf zusätzliche Festzelte ausweichen. Vier Tage lang wurde gefeiert – mit dabei waren die „Rangers“ aus Öflingen und die britischen Rockband „Dr. Feelgood“. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Am Sonntag, 28. Juni, war es dann soweit: Dichtgedrängt standen Wehrer wie Besucher entlang der Hauptstraße als die Festwagen, Reitergruppen und insgesamt über 200 Mitwirkenden durch die Innenstadt Richtung Rathaus zogen. „Die Stadt war voll bei dem Umzug. Das war ein Event, ein großes Ereignis!“ so Günter Kramer.

Für die zahlreichen Ehrengäste gab es sogar eine eigene Tribüne auf dem Talschulplatz. Nach dem Umzug wurde gemeinsamen in Stadthalle und Ludingarten gefeiert.

So voll war die Wehrer Innenstadt selten.
So voll war die Wehrer Innenstadt selten. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Bunter Bilderbogen auf der Bühne

Der Festumzug war aber nicht der einzige Höhepunkt im Jubiläumsjahr. Rund 80 Laiendarsteller präsentierten die Geschichte Wehrs in acht Akten. „Es gab eine große Bereitschaft mitzumachen“, erinnert sich Günter Kramer. Das Stück hatte der Koblenzer Theaterregisseur Fritz Bockius eigens für diesen Anlass geschrieben.

Historisch: Natürlich wurde auch die Verhaftung Gustav Struves mit seiner Frau Amalie im Gasthaus „Zur Krone“ in den ...
Historisch: Natürlich wurde auch die Verhaftung Gustav Struves mit seiner Frau Amalie im Gasthaus „Zur Krone“ in den „Wehrer Geschichten“ nachgestellt. 1848 hatte der Wehrer Bürgermeister Dede mit Unterstützung einer Bürgerwehr den Revolutionär und Kämpfer für Demokratie 1848 festgenommen. Der Kronenwirt wurde von Hansjörg Saaler gespielt, dessen Frau von Ulrike Burger und der Sohn von Patrick Felden. Franz Rotzler spielte Bürgermeister Dede und dfie beiden Polituisten wurden von Manfred Gutmann und Robert Gampp dargestellt. Nicht im Bild sind Dieter Matt als Struve, Sabine Kuck als dessen Frau Amalie und Wolfgang Steinmeier als Revolutionär Karl Blind. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Bei der Ausstattung kamen der Stadt die guten Verbindungen zum Basler Thater zu Gute: Ohne Leihgebühren wurden die Darsteller mit aufwendigen Kostümen ausstaffiert. Das Bühnenbild in Form eines riesigen Buches wurde von einem Kulissenmaler gestaltet – für jeden Akt gab es eine neue Seite.

Eine eigene Gedenkmünze wurde geprägt.
Eine eigene Gedenkmünze wurde geprägt. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Sogar ein eigenes Wehrer Lied wurde von Gerhard Jung für das Jubiläum geschrieben und beim historischen Theaterabend angestimmt: „Schenk allene e gueti Zit in eusem Städtli Wehr!“

Ein Festjahr mit Nachwirkung

Das Jubiläum habe in vieler Hinsicht nachgewirkt: „Es gab ein ganz neues Interesse an der Stadtgeschichte“, freut sich Valenta. Der erste Wehrer Bildband erschien im Jubiläumsjahr und war genauso wie die Festschrift innerhalb kurzer Zeit verkauft. „Das war auch der Beginn der Wehrer Geschichtsarbeit, eine Initalzündung, die neuen Schwung brachte“.

Andenken: Die Sparkasse Hochrhein gab zum Jubiläum eine auf 900 Exemplare limitiert silberne Gedenkmünze für 30 Mark heraus. Mit einer ...
Andenken: Die Sparkasse Hochrhein gab zum Jubiläum eine auf 900 Exemplare limitiert silberne Gedenkmünze für 30 Mark heraus. Mit einer historischen Prägemaschine wurden die Münzen vor Stadthalle geprägt. Günstiger und in größerer Stückzahl gab es die Plakette der Stadt, immerhin gut 13000 Mark kamen so in die Jubiläumskasse. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Und so entstanden historische Artikel für die Broschüre zum Jubiläumsjahr, später dann auch Bücher zu verschiedenen stadtgeschichtlichen Themen. „Es hat die eigene Geschichte näher gebracht und es hat sich ein neuer Bürgerstolz entwickelt“, so auch Denzinger.

Festakt: Am Freitag, den 12. Juni kam Ministerpräsident Erwin Teufel persönlich zum Gratulieren nach Wehr. „Sie verstehen es zu ...
Festakt: Am Freitag, den 12. Juni kam Ministerpräsident Erwin Teufel persönlich zum Gratulieren nach Wehr. „Sie verstehen es zu feiern“, so Festredner Teufel an die 500 geladenen Gäste des Festabends. Links der damalige Bürgermeister Klaus Denzinger. | Bild: Stadt Wehr, Repro: Julia Becker

Das habe auch nach außen gewirkt, so der Altbürgermeister: „Es gab eine Aufbruchstimmung, die ihres gleich suchte. Wehr wurde ganz anders wahrgenommen.“ Die gelungenen Feierlichkeiten hätte Wehr auch für weitere Veranstaltungen in der kommenden Zeit interessant gemacht.

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