Ein heller Vogel kreiste an diesem Februarmorgen majestätisch über dem Gnadensee. Sein Körper sei heller sowie etwas größer und auch massiger als der eines Milans gewesen und hätte auch nicht die markant geformte Schwanzfeder gehabt. So beschreibt ein Allensbacher Anwohner den Greifvogel, den er am Ufer beobachten konnte. Die erste Vermutung: ein Fischadler.
Aber sind die imposanten Vögel tatsächlich schon so früh im Jahr am Bodensee unterwegs? „Im Winter sind die Fischadler eigentlich nicht hier“, sagt Lisa Maier, Vogelkundlerin beim NABU-Bodenseezentrum. Fischadler kämen nur selten in die Bodenseeregion und aktuell sei nicht die Durchzugszeit der Vögel.

„Sie beginnen im August, Richtung Süden zu ziehen, und kommen ab Ende März bis Mitte April in die Brutgebiete zurück“, heißt es dazu auf der Internetseite des NABU. Im Winter befänden sich die Fischadler in der Regel südlich der Sahara.
Experten vertreten verschiedene Standpunkte
„Durchaus möglich, dass das ein Fischadler war“, sagt wiederum der Ornithologe Peter Berthold, langjähriger Leiter der Vogelwarte Radolfzell. Im Rahmen der Klimaerwärmung käme es bei vielen Vögeln zu „Zugwegverkürzungen“. Einige Fischadler flögen beispielsweise im Winter nicht mehr bis nach Afrika, sondern verbrächten die Zeit in Spanien.
Dadurch ist der Rückweg kürzer und die Vögel kehren früher nach Deutschland zurück. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist damit zu rechnen, dass viele Arten gar nicht mehr wegziehen“, so Peter Berthold. Wenn etwa Gewässer nicht mehr zufrieren, gebe es für die Vögel weniger Grund in den Süden zu fliegen.

„Es ist extrem früh für einen Fischadler“, sagt zwar auch Hans-Günther Bauer vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell. Er würde aber ebenfalls nichts ausschließen. „Es ist schwer, auf Basis von Beschreibungen mit zwei bis drei Merkmalen eine Aussage zu treffen“, so der Vogelexperte.
Mäusebussarde würden teilweise in der Region überwintern, dazu kämen „Gäste“, also andere Greifvögel, die am Bodensee nur kurz Halt machen und sich satt essen. Es wären also viele Vögel denkbar, die um diese Jahreszeit am Ufer gesichtet werden können.

Vorsicht, hier herrscht Verwechslungsgefahr!
Lisa Maier hält es für wahrscheinlich, dass es sich bei dem gesichteten Vogel um eine Rohrweihe handelte. Fischadler und Rohrweihen würden häufig miteinander verwechselt, da sich die Kopfpartie der Vögel ähnele.
Die etwas kleinere Rohrweihe kehre im Frühjahr vergleichsweise früh aus dem Süden zurück, heißt es auf der Internetseite des NABU. In Deutschland gibt es einen geschätzten Rohrweihen-Bestand von 6500 bis 9000 Brutpaaren, ähnlich wie der Fischadler halten sich die Vögel häufig in der Nähe von Gewässern auf.
Es könne dauern, bis Fischadler wieder am Bodensee brüten, sagt Peter Berthold. „In den nächsten Jahren ist das unwahrscheinlich.“ In Frankreich würden seit einiger Zeit Paare brüten, was ihm Hoffnung mache, dass auch in Süddeutschland langfristig die Bestände wachsen.
Ob es sich bei dem gesichteten Greifvogel nun um einen Fischadler, eine Rohrweihe oder einen Mäusebussard handelt, lässt sich also nur schwer sagen. Sicher ist: Wer die Augen offen hält, kann am Bodenseeufer zu dieser Jahreszeit bereits spannende Greifvogelsichtungen machen.