Frühlings-Idyll auf dem Bodanrück. Es grünt und blüht, die Vöglein zwitschern. Es wäre das ideale Wetter für einen Besuch im Wild- und Freizeitpark Allensbach. Auf dem Parkplatz, der normalerweise prall gefüllt wäre, stehen nur vereinzelt Autos von Spaziergängern. Im Park selbst ist es ruhig. Die Rufe der Pfauen wirken noch lauter als sonst.
„Kinder und Erwachsene hätten ihr Plaisir“, seufzt Martina Schleith, die mit ihrem Mann Karl-Heinz den Wild- und Freizeitpark sowie das angegliederte Landgasthaus Mindelsee betreibt. Zwar hat die Bundesregierung jetzt angekündigt, dass Zoos und Tierparks wieder öffnen dürfen, „aber wir wissen nicht, ab wann wir aufmachen dürfen und unter welchen Auflagen“, meint Martina Schleith.

Gerade über die möglichen Auflagen macht sie sich viele Gedanken. Sind sie umsetzbar? „Für uns wäre es sehr schwierig, die Besucherzahl zu begrenzen. Wir müssten dann Eingangs- und Ausgangskontrollen haben“, gibt sie ein Beispiel.
Und wie soll sie dafür sorgen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden? „Ich möchte nicht die Gesundheitsaufsicht im Park sein und jeden einzelnen ansprechen müssen“, das wäre ihr unangenehm. Sie hofft, dass – wenn es endlich so weit ist – die Besucher Vernunft und Rücksichtnahme walten lassen und die Abstandsregeln einhalten.
Warten auf das Startsignal
Platz, um sich aus dem Weg zu gehen, gibt es auf dem 74 Hektar großen Areal genug. Verschiedene Attraktionen, wie Fahrten mit der Eisenbahn oder die Flugshows in der Falknerei, werden wahrscheinlich erst einmal nicht angeboten werden können, da der nötige Abstand fehlen würde, mutmaßt Martina Schleith. Aber das ist alles noch Kaffeesatzleserei, denn noch fehlt das Startsignal, wobei sie inständig hofft, „dass wir schnell wieder aufmachen können“.
Dabei denkt sie nicht zuerst an den Betrieb, sondern an die Besucher. „Die Leute brauchen wieder etwas für das Gemüt“, stellt sie fest. Gerade Eltern, die in den vergangenen Wochen Mühe hatten, ihre Kinder zu beschäftigen, würden sich sicher freuen, ihren Kindern mal wieder ein Erlebnis bieten zu können.
Mitarbeiter sind teilweise in Kurzarbeit
Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen, haben die Mitarbeiter des Wild- und Freizeitparks viel Arbeit. Lediglich das zehnköpfige Team des Landgasthauses Mindelsee befindet sich in Kurzarbeit.
„Das Gasthaus hatten wir gerade zwei Tage lang aufgehabt, dann kam der Shutdown“, berichtet Martina Schleith und fügt an: „Am 15. und 16. März sind wir mit dem Sommerprogramm an den Start gegangen und am 17. März hieß es, ihr müsst aufhören.“ Kaum hatte sie die Mitarbeiter nach der Winterpause eingestellt, schon musste sie sie in die Kurzarbeit entsenden.
Soforthilfe hat sie beantragt, aber bislang noch nicht erhalten. Aber dafür hat sie Verständnis: „Die Mitarbeiter haben eine Flut von Anträgen zu bearbeiten.“ In ihrem Umfeld wurde aber die Losung ausgegeben „miteinander schaffen wir das“.
Sie ist froh über die gegenseitige Hilfe die geleistet werde. „Unsere Pacht ist ausgesetzt worden“, gibt Martina Schleith ein Beispiel. Ihren Nachbarn hat sie Toilettenpapier und Lebensmittel angeboten, schließlich „sind unsere Kühlhäuser voll“.
Alle Hände voll zu tun haben hingegen die achte Mitarbeiter im eigentlich ganzjährig geöffneten Wildpark. Aufgrund der trockenen Witterung „ist ein Mitarbeiter die ganze Woche nur mit Blumengießen beschäftigt“, erzählt Martina Schleith. „Die Pflege des Parks ist aufwändig“, stellt sie fest.
In einigen Wochen kommen hunderte Hirschkälber zur Welt
Familie Schleith hat viele Neupflanzungen getätigt, darunter 60 neue Bäume gepflanzt, um weitere Akzente zu setzen. Vor allem aber müssen die 180 Tiere gepflegt und versorgt werden. „Ende Mai, Anfang Juni erwarten wir etwa hundert Hirschkälber in vier Gehegen.“ Auf den Nachwuchs freut sich Martina Schleith schon.
Ja, die Hirsche sind hungrig. Natürlich finden sie in den großen Gehegen viel Nahrung und bekommen zusätzliches Futter, aber die Leckereien aus Besucherhand vermissen sie dennoch. Martina Schleith nimmt zwei große Eimer voll mit Apfelstücken und tritt in das Sikahirsch-Gehege, das ab diesem Jahr auch von den Besuchern betreten werden darf. Leise ruft sie die Sikahirsche die sofort leichtfüßig zu ihr eilen.

In wenigen Minuten ist Martina Schleith von Hirschen und Hirschkühen umringt. Die mutigen unter den filigranen, anmutigen Tieren nehmen das Futter aus der Hand. Mit leisem Bedauern sagt sie: „Die Besucher hätten ihre Freude an den zutraulichen Tieren und könnten sie streicheln.“
Eigentlich hatte sie gehofft, gleich nach Ostern wieder den Tierpark öffnen zu können; dass es doch so lange dauert, hätte sie nicht gedacht. Verständnis, dass erst langsam der Shutdown zurückgefahren wird, hat sie. „Die Gesundheit geht vor“, stellt sie fest.
Frischlinge werden von Hand aufgezogen
Auch wenn Martina Schleith die Besucher und den damit verbundenen Umtrieb und die Mehrarbeit vermisst, gibt es zwei, die ganz froh sind, dass die Tierliebhaberin dafür mehr Zeit für sie hat. Bei den beiden Nutznießern handelt es sich um zwei Wildschwein-Ferkel, die knapp zwei Wochen alt sind.
Immer wieder nimmt Martina Schleith Wildtierkinder auf, deren Mütter erschossen oder überfahren wurden, und päppelt sie auf. Von einer Bekannten hat sie nun vier Ferkelchen bekommen. Zwei zieht sie selbst auf, die anderen beiden werden von einer Freundin behutsam gehegt und gepflegt. Alle zwei Stunden muss sie die beiden Frischlinge füttern – auch nachts.
Kaum hören die beiden Ferkelchen ihre Ziehmutter, schon springen sie unter freudigen Lauten – nicht nur Quieken, sondern auch Quaken – herum und versuchen aus ihrem Interimsgehege heraus zu hüpfen. Die hungrigen Mäulchen können es kaum erwarten, dass Martina Schleith ihnen endlich die Flasche gibt.

Kaum hat sie das erste in die Hand genommen, das gierig an der Flasche suckelt, protestiert das andere empört, weil das Geschwisterchen bevorzugt wurde. Martina Schleith redet beruhigend auf das echauffierte Ferkelchen ein, beeilt sich aber trotzdem, damit das Kleine endlich Ruhe gibt. Gesättigt erkunden die beiden neugierigen Weltentdecker das Umfeld.
Die Botanik am Teich muss gründlich untersucht werden. Und dann liegt da noch ein Rucksack auf dem Boden, den sie noch nie gesehen haben. Der muss unbedingt untersucht werden: Rüssel voraus! Nichts ist vor den beiden gestreiften Wunderzipfeln sicher, zumindest solange bis die kleinen Mägen wieder knurren und Martina Schleith mit der Milchflasche im Mittelpunkt des Interesses der kleinen Schweinchen steht.
Für sie heißt es dann wieder: Pressieren, damit keines ihrer Pflegekinder Angst haben muss, zu kurz zu kommen. Und wenn die beiden Jungbachen groß sind, dann werden sie für Umtrieb in der bestehenden Wildschweinrotte sorgen. Aber das dauert noch. Trotz dieser wunderbaren Tiererlebnisse sehnt sich Martina Schleith dem Tag entgegen, an welchem der Wild- und Freizeitpark endlich wieder für die Besucher öffnen kann.