Fast sieht es aus wie ein modernes Kunstwerk. Das erste Drittel des neuen Treppenturms und der Steganlage der Marienschlucht sind fertig. Rund 65 Personen nahmen auf Einladung der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen an einer Bootsfahrt zur Marienschlucht teil, um sich vor Ort einen Eindruck von der Einrichtung aus verzinktem Stahl zu machen.
Auch die kleine Schutzhütte beim Eingangsbauwerk nimmt Gestalt an. Wegen der Schutzfristen für Kolkrabe und Wanderfalke kann der große Seilkran, mit dessen Hilfe die vielen Einzelteile in die Schlucht gehoben und montiert werden, erst ab dem 22. September wieder aufgestellt werden. Auch die Feierlichkeiten des Golfclubs Langenrain zum 95-jährigen Bestehen und 60 Jahren am Standort verzögern das Aufstellen des Krans. Die Arbeiten werden voraussichtlich bis zum Jahresende dauern.

Bürgermeister Christoph Stolz begrüßte Graf Wilderich von und zu Bodman und die Vertreter der beteiligten Unternehmen. Die Teilnahme vieler Stadt- und Gemeinderäte aller Fraktionen aus Bodman-Ludwigshafen, Allensbach und Konstanz zeige ihm, dass die Marienschlucht allen als Identitätsprojekt am Herzen liege. Stolz betonte: „Viele Kommunen hätten es nicht gewagt. Ich freue mich, dass wir gemeinsam den Mut hatten und haben, das Thema voranzubringen.“ Auch Mitarbeitende der Tourist-Büros vom Überlinger See, aus Konstanz und Radolfzell waren dabei, um etwas über den aktuellen Stand der Baumaßnahme und die weiteren Schritte zu erfahren.
Marienschlucht ist seit zehn Jahren gesperrt
Alt-Bürgermeister und Projektleiter Matthias Weckbach erinnerte an das tödliche Unglück in der Marienschlucht am 6. Mai 2015. Seither ist die Marienschlucht gesperrt. Es habe viele Überlegungen gegeben, wie die Schlucht künftig sicher begehbar gemacht werden könne. Vier Jahre lang habe man mit den Genehmigungsbehörden Hochs und Tiefs zu der Frage „Was kann realisiert werden?“ erlebt. Er bekannte: „Auch uns musste so mancher Zahn gezogen werden.“ Was nun entstehe, sei kein simpler Treppenaufgang, sondern habe von der Konstruktion her ein Alleinstellungsmerkmal.

Weckbach verwies auf den holprigen Start im vergangenen Frühjahr. Nach sehr viel Regen sei der Boden aufgeweicht und der Uferweg kaputt gewesen. Dieser musste vor Baubeginn zunächst gerichtet werden.
„Die Natur so wenig wie möglich anfassen“
Architekt Thomas Hirthe erzählte von der Planung. Es galt, den Abstand zur linken und rechten Schluchtseite zu wahren, sich „mit wenigen Fingern am Felsen festzuhalten und die Natur so wenig wie möglich anzufassen“. Schritt für Schritt sei geplant worden, wo die Konstruktion aufgestützt und abgespannt werden muss.
Weil das Bauwerk für die nächsten Jahrzehnte halten soll, habe man sich für Stahl entschieden. „Wir haben uns Stück für Stück herangetastet und versucht, so filigran wie möglich zu bauen.“ Ein fünf Meter großes Modell wurde getestet. Daraufhin hätten sich die Statiker getraut, noch ein wenig leichter und dünner zu planen. So sei die Anlage zur Umsetzung gekommen.

Das Bauwerk wird ungefähr 250 Meter lang und erhält vier Aussichtsplattformen. Die erste in fünf Metern Höhe wirkt wie eine Nase, die durch zwei Buchen herausragt. Die zweite Plattform gibt es auf halber Höhe, die dritte reicht in die Schlucht hinein, und oben befindet sich die Erich-Pohl-Kanzel. Insgesamt führen künftig 250 Stufen über 56 Höhenmeter durch die Marienschlucht. Der komplizierteste Teil der Anlage steht, sind sich die Verantwortlichen einig.

Stahl soll langlebige Konstruktion sichern
Zu kritischen Stimmen bezüglich des Stahls sagte Matthias Weckbach: „Wir wollen möglichst selten in die Natur eingreifen und das geht am besten mit einem langlebigen Werkstoff.“ Falls ein Baum auf die Konstruktion falle, verforme sich Stahl, fange die Energie auf und breche nicht wie Holz.

Thomas Hirthe ergänzte, man baue modular. Eine der Anforderungen sei gewesen, dass die Konstruktion mit kleinen Maßnahmen zu warten und auszubessern sei. Wenn ein Baum umfalle und etwas beschädige, müssten einfach zwei Leute mit dem Ersatzbauteil raus.
Weil die Steganlage in zwei Metern Abstand zu den Felsen montiert wird, kann abgehendes Material bei möglichen Erdrutschen zwischen Wand und Stahlkonstruktion hindurchfallen. Weckbach fügte hinzu: „Die Anlage muss eigentlich nie gesperrt werden, so sicher wird sie gebaut. Deshalb gibt es auch keine Tore. Es besteht immer eine sichere Zuwegung von oben nach unten.“
Für einen sicheren Zugang der Marienschlucht investieren die drei beteiligten Gemeinden Bodman-Ludwigshafen, Allensbach und Konstanz einiges: Insgesamt 4,5 Millionen Euro seien bisher schon in das Projekt geflossen, hieß es im November. Damals wurde klar, dass Mehrkosten in Höhe von 312.644 Euro nötig waren. Laut SÜDKURIER-Informationen sollen sich die Kosten am Ende auf rund 6 Millionen Euro belaufen.

Der Aufgang wirkt insgesamt schwebend und nimmt die Form der Felsen auf. Die Teilnehmer waren beeindruckt. Sie erklommen die Stufen und stellten fest, dass man einen freieren Blick in die Schlucht hat als früher. Seit diese ausgeräumt und die alten Holzstege weitgehend entfernt wurden, wirkt sie lichter, neue Pflanzen wachsen bereits. Noch sind die umgebenden Bäume kahl, doch bald wird frisches Grün einen Teil der Anlage verstecken.