Was macht Engen anders als andere Kommunen gleicher Größe? Die Frage kann man sich angesichts einer aktuellen Finanz-Statistik des Landesamts schon stellen. Denn die Gemeinde mit rund 11.000 Einwohnern ist in der Region Bodensee-Oberschwaben die größte Kommune ohne Schulden und landesweit eine von nur dreien mit über 10.000 Einwohnern. Der scheidende Bürgermeister Johannes Moser und Kämmerin Katja Muscheler geben eine Antwort darauf, wie die Stadt zu dieser stabilen Finanzlage gekommen ist und wie diese möglichst erhalten bleiben soll.

Orientierung am Machbaren

„Bei der Stadt Engen haben Gemeinderat, Stadtverwaltung und Bürgermeister schon vor Jahrzehnten begonnen eine konsequente, weitsichtige und verantwortungsvolle Finanzpolitik umzusetzen“, beschreibt Bürgermeister Johannes Moser auf SÜDKURIER-Nachfrage. Zu dieser Finanzpolitik gehöre, dass man sich am finanziell Machbaren und nicht am Wünschenswerten orientiert. Daraus wird deutlich, dass Sparen einen wichtigen Anteil daran hat, dass die Stadt finanziell gut dasteht.

„Engen ist seit 1996 schuldenfrei.“ Bürgermeister Johannes Moser
„Engen ist seit 1996 schuldenfrei.“ Bürgermeister Johannes Moser | Bild: Kerle, Helene

Laut Johannes Moser tragen auch eine wirtschaftliche Baulandpolitik, eine engagierte Wirtschaftsförderungs- und Gewerbeansiedlungspolitik und eine starke Förderung der örtlichen ehrenamtlichen Strukturen ihren Anteil zur guten Finanzsituation bei. Ebenso trage die Leistung der Stadtverwaltung ihren Teil dazu bei. Denn in Engen werde Vieles in Eigenleistung erarbeitet und somit hohe Kosten für externe Unternehmen gespart. Beispielsweise wurde die neue Anne-Frank-Sporthalle von Stadtbaumeister Matthias Distler und Mitarbeiterin Sara Moshirian selbst geplant. So konnten die Kosten für ein Architekturbüro eingespart werden.

An den Steuereinnahmen liegt es nicht

Auf die Frage, ob Engen im Vergleich zu anderen Gemeinden auch bessere Einnahmemöglichkeiten hat, antwortet Johannes Moser mit einem klaren „Nein“. „Bis zum Jahr 2017 hatte die Stadt sogar ein unterdurchschnittliches Steueraufkommen, heute sind wir auf dem Durchschnitt“, fügt Moser hinzu.

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Gleichzeitig vermittelt er auf Nachfrage dass die Stadt in den vergangenen Jahren aber auch nicht kaputt gespart wurde, sondern vielseitig investiert wurde. Zum Beispiel in das Gymnasium, die Stadthalle, die Anne-Frank-Sporthalle, in Erweiterungen der Grundschule Engen und des Bildungszentrums, in die energetische Sanierung der Grundschule Welschingen, aber auch in den Ausbau der Kinderbetreuung, in die Generalsanierung des Erlebnisbades sowie in den Hochwasserschutz. Im Jahr 2022 war ein Spitzenwert von 14 Millionen Euro für Investitionen im Haushalt eingeplant.

Viele zusätzliche Pflichtaufgaben

Aktuell verfügt Engen noch über ein komfortables Finanzpolster von 20 Millionen Euro. Die könnten aber relativ rasch aufgebraucht sein. Denn neu hinzugekommene Aufgaben wie der Klimaschutz, die Energiewende, die Unterbringung von Geflüchteten und auch die Digitalisierung bringen hohe Kosten für Engen wie für alle anderen Kommunen mit sich.

„Ohne eine Aufgaben- und Ausgabenreduzierungen sowie der Erhöhung der Erträge wird es nicht möglich sein, die Schuldenfreiheit beizubehalten“, macht Johannes Moser deutlich. Das Land und der Bund übertrügen seit vielen Jahren immer wieder neue Aufgaben auf die Kommunen, ohne die dafür notwenigen finanziellen Mittel bereitzustellen. „Irgendwann gibt auch die beste Kuh keine Milch mehr und dann spüren das alle, die von dieser Milch leben und wieder selbst mehr einbringen müssen“, bringt es Moser auf den Punkt.

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Der scheidende Bürgermeister geht davon aus, dass der Gemeinderat auch künftig am Ziel der Schuldenfreiheit festhalten will und die notwendigen Entscheidungen treffen wird. Aber ist das in Zukunft bei so vielen Pflichtaufgaben für die Kommunen und einer restriktiven Baulandpolitik überhaupt noch möglich?

Dringender Appell an Bund und Land

Ohne eine verantwortungsvolle Landes- und Bundespolitik werde dass wohl nur noch bedingt möglich sein, geben Johannes Moser und Kämmerin Katja Muscheler zu. „Bund und Länder müssen endlich aufhören nicht immer nur Dinge zu versprechen, die dann die Kommunen mit eigenen Finanzmittel umsetzen müssen und auch endlich aufhören mit immer neuen bürokratischen Kreationen den kommunalen Personalaufwand nach oben zu treiben“, ruft Moser in Richtung der Landes- und Bundespolitiker.

Katja Muscheler weiß, dass der Finanzhaushalt künftig so strukturiert werden muss, dass die laufenden Geschäfte aus dem laufenden Betrieb gedeckt werden können. Das klingt simpel, fordert aber ein äußerst diszipliniertes Haushalten. Dafür brauche es auch die Bürger, die ihre Ansprüche überdenken müssten, so Moser. Dann bestehe eine Chance weiterhin schuldenfrei zu bleiben.