Gottmadingen/Engen/Hegau – Der Ansturm ist riesig, die Städte und Gemeinden des Hegaus können nur einem Bruchteil der Interessenten private Bauplätze verkaufen. Gleichzeitig herrscht auch enormer Druck auf die Kommunen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der SÜDKURIER beleuchtet deshalb in einer kleinen Serie, wie sich die Hegauer Kommunen aufstellen, um die genannten Themen rund ums Bauen und Wohnen zu meistern.

Die Wohnbaupolitik der Stadt Engen zielt in den vergangenen Jahren auf eine Kombination, Neubaugebiete auszuweisen und Lücken von unbelegten Flächen zwischen bestehenden Siedlungen zu schließen. „Die Stadt Engen hat auch eine sogenannte Entlastungsfunktion, um den Siedlungsdruck am Bodenseeufer wegzunehmen, wo eine ausgedehnte Bebauung in den dort anliegenden Gemeinden auch die Natur gefährden könnte“, erklärt der Engener Bürgermeister Johannes Moser. So plane die Stadt Engen auch als Standort in einer wichtigen Entwicklungsachse mit Anschluss an zentrale Bahnlinien und an die Autobahn die moderate Ausweisung weiterer Neubaugebiete.

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„Bisher haben Auswärtige genauso Bauplätze erhalten wie Einheimische oder frühere Engener, die wieder in ihre alte Heimat zurückziehen. Dies soll bewusst auch künftig möglich sein. Schon rechtlich dürfen Bauinteressenten, die bisher außerhalb von Engen wohnen, bei der Bauplatz-Vergabe nicht ausgeschlossen werden“, so Moser.

Aktuell gibt es noch ein Baugebiet im Welschinger Gewann Guuhaseln, wo schon zuvor durch zwei Abschnitte eine neue Wohnsiedlung entstand. „Wir vergeben die Bauplätze nach Beschluss des Gemeinderats in zeitlichen Abschnitten. Derzeit sind es drei im Guuhaseln. Der aktuelle Kaufpreis pro Quadratmeter Baufläche liegt bei 240 Euro“, verrät Heike Bezikofer vom Engener Bauamt. „Wir bereiten ein weiteres Neubaugebiet an der Schwarzwaldstraße, Richtung Zimmerholz vor“, berichtet sie.

Mehrgeschoss-Wohnungen sollen günstige Mieten bieten

Stadtverwaltung und Gemeinderat legen auch ein Hauptaugenmerk darauf, preisgünstigen Wohnraum in Engen zu schaffen. Dies mit Hilfe von privaten Investoren und der Baugenossenschaft Familienheim Bodensee mit Sitz in Radolfzell, wie in der Seestraße am Stadtpark und laut Plan in der Breitestraße in der Engener Innenstadt und in der Aacher Straße. „Es handelt sich dabei um Wohnungen, die auf dem neuesten Stand sind, wie energetisch. Mit durchschnittlich knapp unter neun Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bewegen sich die Mieten deutlich unter den Werten auf dem freien Markt“, schildert Bürgermeister Moser. Die Stadt plane zudem, im Zuge eines Landeswohnraumprogrammes niedrigere Mieten zu ermöglichen.

Der Gottmadinger Ortskern wird durch rege Bautätigkeiten, wie auf dem Graf-Areal, verdichtet.
Der Gottmadinger Ortskern wird durch rege Bautätigkeiten, wie auf dem Graf-Areal, verdichtet. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Wir sind in Gesprächen mit zwei Investoren, die das stadteigene Krone-Areal in Anselfingen bebauen sollen. Dort sollen Mehrgeschoss-Wohnungen entstehen, die Interessenten für knapp unter sieben Euro pro Quadratmeter Wohnfläche anmieten können. Der Baubeginn ist im Herbst 2021 geplant. Wir streben auch ein zweites solches Projekt an“, verrät der Bürgermeister.

Die Gemeinde Gottmadingen setzt vor allem auf die Schließung von Baulücken, auch um einen großen Flächenverbrauch zu vermeiden. „Ein wichtiges Thema ist für uns auch, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, erklärt der Gottmadinger Bürgermeister Michael Klinger.

Wo heute noch die Eichendorffschule steht, soll in einigen Jahren ein neues Wohnquartier vielen Menschen ein Zuhause bieten.
Wo heute noch die Eichendorffschule steht, soll in einigen Jahren ein neues Wohnquartier vielen Menschen ein Zuhause bieten. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Die Anneliese-Bilger-Stiftung, deren Stiftungsrat identisch mit dem Gottmadinger Gemeinderat ist, hat bereits ein Mehrgeschoss-Gebäude in der Hilzinger Straße erstellt, das nach der Landeswohnraumförderung günstige Mieten anbieten kann. „Hierbei handelt es sich nicht um Sozialwohnungen im früheren Sinn, es sollen auch übliche Berufsgruppen, wie Schichtarbeiter oder Pflegekräfte, zum Zug kommen“, so Klinger. Einen Berechtigungsschein für die Anmietung solcher Wohnungen kann beispielsweise eine Familie mit zwei Kinder erhalten, deren Jahreseinkommen 66.000 Euro nicht übersteigt. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Stiftung ein zweites Gebäude gebaut, um dort günstige Mieten zu ermöglichen, die etwa ein Drittel unter dem durchschnittlichen Marktniveau liegen“, so Klinger.

Neues Wohnareal soll nach Abriss der Schule entstehen

Auch dem Eichendorff-Areal sollen nach dem Abriss der alten Realschule Mehrgeschoss-Wohnungen gebaut werden, auch geförderter. Bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum komme auch der Wohnbaugenossenschaft Gottmadingen (WBG) große Bedeutung zu. In der Flieder/Hardstraße entstehen 44 Wohnungen, davon sind etwa 80 Prozent gefördert“, erklärt Klinger. Die WBG plane weitere solche im Großteil geförderten Häuser.

Senioren verkaufen Häuser und ziehen in den Ortskern

Auf dem Gottmadinger Graf-Areal werden Gebäude mit Mehrgeschoss-Wohnungen gebaut. Die liegen in einer höheren Preisklasse. „Die Wohnungen sind hochwertig und altersgerecht ausgestattet. Es gibt eine Entwicklung, dass ältere Menschen ihre Häuser in Gottmadinger Randgebieten, wie dem Heilsberg, für gutes Geld verkaufen und stattdessen eine seniorengerechte Wohnung in Nähe des Ortskerns erwerben“, schildert Klinger. „Die vielen Baukräne zeigen es: Junge Familien erweitern oder bauen Häuser um, statt neue Eigenheime erstellen zu lassen“, sagt Klinger. Insgesamt etwa 20 Bauplätze für Einfamilienhäuser seien in Bietingen und beim Gottmadinger Friedhof geplant oder in der Umsetzung.

Im neuen Aacher Wohngebiet Längenberg Ost wird kräftig gebaut.
Im neuen Aacher Wohngebiet Längenberg Ost wird kräftig gebaut. | Bild: Jürgen Waschkowitz

Das planen kleinere Gemeinden im Hegau

  • Gailingen: Die Gemeinde Gailingen bereitet einen Bebauungsplan für das Gewann Bei der Erlenwies vor. Insgesamt sollen zunächst auf einer Fläche von zwei bis drei Hektar der Bau von Privathäusern möglich werden, wie Bürgermeister Thomas Auer berichtet. Spätestens Anfang 2023 sollen die Häuslebauer loslegen können. Mehrgeschoss-Gebäude sind im Gebiet Hinter der Hofwiese geplant. Dort soll es auch günstiges Wohnen geben. „Wir haben bei der Vergabe von Bauplätzen bewusst auf ein Punktesystem verzichtet. Es schafft auch nicht mehr Gerechtigkeit wie eine freie Vergabe. Bei dieser müssen wir auch die auferlegten Kriterien einhalten“, begründet Auer.
  • Aach: In Aach befindet sich das Neubaugebiet Längenberg Ost in der Bebauung. Die gemeindeeigenen Bauplätze seien allesamt verkauft, berichtet der Aacher Hauptamtsleiter Florian Rapp. „Es sind noch zwölf Grundstücke verfügbar, die der katholischen Kirche gehören. Sie verkauft sie aber nicht, sondern vergibt sie in Erbpacht“, erklärt Rapp. Anfragen müssten bei der katholischen Kirche gestellt werden. Die aktuellen Grundstückspreise liegen in Aach laut Rapp bei 185 bis 215 Euro pro Quadratmeter. Fünf Mehrfamilienhäuser sollen auf demselben Baugebiet den Bedarf an Geschoss-Wohnungen abdecken. (bit)