Es sind schwere Vorwürfe, die zwei CDU-Kreisräte aus dem Hegau kurz vor den Kommunalwahlen erheben. Ein SPD-Kreistagsmitglied soll zu seinem Platz im Kreistag im vergangenen Jahr durch taktisches Handeln gekommen sein. So die Behauptung der langjährigen Kreisräte Alfred Mutter, ehemaliger Bürgermeister von Volkertshausen, und Hans-Peter Lehmann, ehemaliger Bürgermeister von Mühlhausen-Ehingen. Die Vorwürfe richten sich gegen Tim Strobel (SPD), der im Herbst bei der Bürgermeisterwahl in Engen kandidiert hat. Was ist dran an den Behauptungen?
Nachdem der frühere Tengener Bürgermeister und Kreisrat Marian Schreier (SPD) im April 2023 nach Berlin gezogen war, musste der Kreistag eine Nachfolgeregelung treffen. Wie Alfred Mutter und Hans-Peter Lehmann in einem Brief, der dem SÜDKURIER vorliegt, schildern, wäre laut damaligem Wahlergebnis Angelika Strobel als erste Ersatzbewerberin nachgerückt.
Sie habe jedoch erklärt, dass sie für das Ehrenamt nicht zur Verfügung stehe, weil „sie durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Fürsorge für ihre Familie erheblich behindert wird“, schreiben Mutter und Lehmann. In der Kreistagssitzung am 22. Mai 2023 habe der Kreistag daraufhin dem Antrag auf Ablehnung von Angelika Strobel, Mutter von Tim Strobel, zugestimmt.
Der nächste Nachrücker laut Wahlergebnis von 2019 wäre Max Hahn gewesen. Auch er soll erklärt haben, dass er nicht zur Verfügung stehe. Er hatte ausgeführt, „dass er bereits 25 Jahre dem Kreistag angehört hat und älter als 62 Jahre ist“, so das Schreiben der CDU-Kreisräte. Auch dieser Ablehnung habe der Kreistag zugestimmt.
Als dritte Ersatzperson galt Tim Strobel, der schließlich in derselben Sitzung als neues Mitglied des Kreistags verpflichtet wurde. „Bei der anschließenden Bürgermeisterwahl in Engen konnte er dann auch mit seiner Mitgliedschaft im Konstanzer Kreistag werben“, so Alfred Mutter und Hans-Peter Lehmann in ihrem Schreiben.
Hahn und Strobel stehen wieder auf der Wahlliste
Verwundert zeigen sich die beiden CDUler knapp zehn Monate später, als Max Hahn und Angelika Strobel bei den bevorstehenden Wahlen im Wahlkreis Engen wieder für den Kreistag kandidieren. Hahn müsse zwischenzeitlich „in einen Jungbrunnen gefallen sein“ und bei Strobel „müssen wundersame Veränderungen eingetreten sein“, da sie nicht nur für den Kreistag, sondern auch für den Engener Gemeinderat kandidiere, schreiben Lehmann und Mutter.
Die beiden CDU-Kreisräte fühlten sich hintergangen, schreiben sie weiter. So könne man nicht für „Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Anstand in der Kommunalpolitik werben“. Was sagen die Betroffenen zu diesen Anschuldigungen? Und wie steht der Landrat dazu?
Angelika Strobel: Aus familiären Gründen verzichtet
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER schildern die drei SPD-Politiker ihre Sicht der Dinge. Alle drei machen deutlich, dass der Inhalt des Schreibens sie überrascht habe. Alle drei erklären auch, dass die Vorgänge im vergangenen Jahr rechtmäßig seien – genauso wie der Entschluss, sich noch einmal auf die Liste für die Kreistagswahl aufstellen zu lassen.
Laut Angelika Strobel sah sie sich nach Schreiers Ausscheiden aufgrund eines gesundheitlichen Problems in der Familie nicht in der Lage, dieses Ehrenamt auszuführen. „Diese Hintergründe habe ich dem Büro des Landrats und der Verwaltung kommuniziert. Dass diese private Angelegenheit nun an die Öffentlichkeit dringt, finde ich nicht optimal“, sagt sie.
Erfreulicherweise habe sich die private Situation inzwischen geändert, sodass auch Strobel eine Kandidatur wieder in Betracht gezogen habe. Auch mit Hans-Peter Lehmann habe sie inzwischen gesprochen und ihm ihre Sicht der Dinge geschildert.
Max Hahn: Er will der SPD Stimmen bringen
Max Hahn erklärt auf Nachfrage, dass die damaligen Gründe für seinen Verzicht ihre Gültigkeit haben. Er habe aber auch aus einem anderen Grund verzichtet. „Ich werde dieses Jahr 70 und war lange Kreisrat. Jetzt ist es mir wichtig, dass junge Leute in den Kreistag kommen“, sagt er. Gründsätzlich hätte er zur Verfügung gestanden, wollte aber einem jungen Menschen den Vortritt lassen. Dass er den Platz auch aus taktischen Gründen abgelehnt habe, sei aus seiner Sicht nicht verwerflich. „Sowas passiert im Kleinen und im Großen immer wieder“, sagt der Allgemeinmediziner. Er bereue sein Vorgehen nicht.
Allerdings habe sich durch die Debatte um den neuen Klinikstandort im Landkreis für ihn eine Chance geboten, mitdiskutieren zu können. „Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre es für mich interessant, im Kreistag zu sitzen“, sagt Hahn. Er halte aber an seinem Ziel fest, jungen Menschen den Vortritt zu lassen. Aus diesem Grund stehe er auf Listenplatz 3, nach Selcuk Gök, Bürgermeister in Tengen, und Tim Strobel. „Dass da jetzt so viel Wirbel gemacht wird, sehe ich als Zeichen, dass wir eine starke Liste haben“, sagt er.
Tim Strobel: Überrascht und verwundert über Unterstellungen
Tim Strobel, der Marian Schreiers Platz im Kreistag eingenommen hat, betrifft die Angelegenheit auch emotional, wie er im Gespräch einräumt. „Ich war sehr überrascht über den Ton und verwundert über die Unterstellungen“, sagt er. Strobel könne die Argumente der CDU-Kreisräte nicht nachvollziehen. Inhaltlich sei es damals „die beste Entscheidung gewesen“, so zu handeln.
Die aktuellen Kandidaturen von Max Hahn und Angelika Strobel (Listenplatz 5) seien eher als unterstützende Kandidaturen anzusehen, damit die SPD mehr Stimmen bekomme. Das Schreiben von Alfred Mutter und Hans-Peter Lehmann habe sich aber wie „ein Nachtreten angefühlt“, sagt der Verwaltungswissenschaftler, obwohl „rechtlich gesehen alles seine Richtigkeit hat“. Das bestätigt auch das Landratsamt.
Das sagt das Landratsamt
Als Kreiswahlleiter unterliegt Landrat Zeno Danner der Neutralitätspflicht, sodass er keine persönliche Beurteilung zu dem Fall geben kann, sagt Pressesprecher Jens Bittermann auf Nachfrage. Doch der Landrat erklärt die rechtlichen Regelungen:
Der Kreistag ist für die Feststellung zuständig, ob ein wichtiger Grund nach Paragraf 12 der Landkreisordnung zur Ablehnung eines Ehrenamts vorliegt. „Sowohl Frau Strobel als auch Herr Hahn haben entsprechende Gründe dargelegt und der Kreistag hat in seiner Sitzung am 22. Mai 2023 einstimmig zugestimmt“, sagt Danner.
Im Hinblick auf die anstehende Wahl seien alle wahlberechtigte Kreiseinwohner in den Kreistag wählbar. Geprüft werde dann, ob Hinderungsgründe vorliegen. Ist dies der Fall, könnten diese Menschen nicht in den Kreistag einziehen. Wählbar bleiben sie jedoch. Demnach ist bei dem vorliegenden Fall rechtlich und auch inhaltlich alles in Ordnung.