Die aktuellen Bewerber für das Bürgermeisteramt in Engen, Marco Russo, Tim Strobel und Frank Harsch, sind alle drei älter als 25 Jahre. Damit haben sie das bisher geltende Mindestalter für Bürgermeister überschritten. Theoretisch könnten die drei aber auch noch deutlich jüngere Konkurrenz bekommen. Denn für die Wahl am 24. September gilt erstmals das neue kommunale Wahlrecht von Baden-Württemberg.
Was sie von den Neuerungen im Wahlrecht halten, erläutern der Engener Bürgermeister Johannes Moser, der bereits vier Mal für das Bürgermeisteramt kandierte, und Patrick Stärk, der sich erst nach vielen Jahren als Engens Hauptamtsleiter für das Bürgermeisteramt aufstellen ließ.
1. Änderung: Zu jung für das Amt?
„Die Wählbarkeit ab 18 Jahren sehe ich relativ schmerzbefreit“, drückt es der Bürgermeister von Mühlhausen-Ehingen, Patrick Stärk, auf Nachfrage aus. Die Wähler müssten entscheiden, wer gewählt werde. Patrick Stärk macht aber auch deutlich, dass 18-jährige Bewerber lediglich ein Abitur oder eine gerade abgeschlossene Ausbildung haben können und nicht etwa ein Studium oder Berufserfahrung.

„Das könnte suggerieren, dass das jeder kann. Es kann aber nicht jeder“, sagt Stärk über das Arbeit als Bürgermeister. Über viele Jahre hat er als Hauptamtsleiter an der Seite von Johannes Moser gearbeitet und ist seit 2021 Bürgermeister in der Engener Nachbargemeinde. Die Wählbarkeit ab 18 könnte vielleicht einen falschen Zungenschlag in die Öffentlichkeit bringen. „Ich hätte mich mit 18 nicht befähigt gefühlt“, gibt Stärk aus eigener Erfahrung zu verstehen.
Ein „zu alt“ gibt es nicht mehr
Neu ist auch der Wegfall der Höchstaltersgrenze von 67 Jahren bei Bürgermeisterwahlen. Genauso wie die Regelung, dass Bürgermeister spätestens mit 73 Jahren in den Ruhestand gehen müssen, auch wenn ihre Amtszeit noch nicht zu Ende ist. Die abgeschafften Höchstalter gehen für Patrick Stärk in Ordnung: „Der Wähler muss entscheiden, ob ein Mensch zu alt ist“, sagt er schlicht.
2. Änderung: Mit Stichwahl entfällt ein „Rettungsanker“
Auch beim weiteren Wahl-Prozedere gibt es Änderungen: Bisher gab es eine Neuwahl, wenn der erste Wahlgang keine absolute Mehrheit für einen Kandidat brachte. Die wird ab jetzt durch eine Stichwahl ersetzt. Das heißt, dass dann in einem zweiten Wahlgang zwischen den beiden Kandidaten entschieden wird, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten. Dass sich Bewerber erst nach dem ersten Wahlgang melden, wie etwa der später gewählte Tengener Bürgermeister Selcuk Gök, ist also nicht mehr möglich.
Das sieht Patrick Stärk kritisch: Die bewährte Neuwahl sei manchmal der letzte Rettungsanker und der werde nun ein Stück weit genommen. Stärk geht davon aus, dass sich durch die neue Regelung das Bewerbungsverhalten verändern wird. Wer das Amt in Erwägung zieht, wird – und muss – sich gleich bewerben, da die Möglichkeit der Neuwahl mit neuen Kandidaten entfällt.
3. Änderung: Erst mit Unterschriften wird‘s ein Kandidat
Das neue Recht fordert außerdem eine Unterschriftenliste von jedem Bewerber. Die Zahl der benötigten Unterschriften richtet sich nach der Größe der Kommune. Das findet Patrick Stärk nicht dramatisch.
4. Änderung: Sonderregeln für Beamte, Richter und Co.
Ganz im Gegensatz dazu hält er den neuen Rückkehranspruch für Beamte, Richter und Beschäftigte des Landes für sehr kritisch. Nach neuem Recht sollen die nach Ende der Amtszeit als Bürgermeister auf ihre ehemaligen Posten zurückkehren können. „Das hat sonst auch niemand. Das finde ich im Sinne des Gleichheitsgebots nicht zuträglich“, sagt Stärk.
Zur neuen Wählbarkeit ab 18 Jahren für das Bürgermeisteramt möchte sich der scheidende Engener Bürgermeister Johannes Moser nicht äußern. Er ist Vorsitzender des Wahlausschusses für die Engener Bürgermeisterwahl und möchte hier seine Neutralität wahren.
5. Änderung: Gemeinderat schon mit 16 Jahren
Das gilt aber nicht für die Änderungen bei den Kommunalwahlen. Zum ersten Mal dürfen bei den Wahlen 2024 auch schon 16-Jährige für den Gemeinde-, Orts- und Kreisrat kandidieren. „Das sehe ich sehr kritisch“, sagt Johannes Moser. Für seine Haltung hat er mehrere Gründe. Einer ist, dass 16-Jährige noch finanziell von den Eltern abhängig seien.

So könnten sie keine Verantwortung in einem Aufsichtsrat übernehmen, wo sie auch finanziell haftbar gemacht werden könnten. Immerhin habe es mittlerweile eine nachträgliche Änderung gegeben, die unter 18-Jährige für den Verwaltungsrat der Sparkassen ausschließen.
Ganz abgesehen von rechtlichen Belangen findet Johannes Moser das Amt als Stadtrat nicht gut für so junge Menschen: „Man steht da sehr in der Öffentlichkeit“, weiß er. Unter Jugendbeteiligung verstehe er etwas anderes. Die Kritik habe auch der Landesverband des Gemeindetags, bei dem er Mitglied ist, gegenüber der Landesregierung geäußert. Gleichzeitig glaubt Moser aber nicht, dass es sehr viele so junge Kandidaten bei den Kommunalwahlen geben wird.