Morgens, 7.30 Uhr in Stockach: Im obersten Stockwerk des Rathauses beginnt der Arbeitstag von Bürgermeister Rainer Stolz. „Manchmal wird es auch eher 8 Uhr“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Dafür komme es aber oft vor, dass der Feierabend sich bis 22 Uhr hinauszögert. Aber was macht der Stockacher Bürgermeister eigentlich den ganzen Tag, wie sieht sein Berufsbild aus und ist der Posten gut bezahlt? Anlässlich der Suche nach seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin gibt Rainer Stolz im Gespräch mit dem SÜDKURIER einen Einblick in sein Berufsleben.
Trotz langer Arbeitstage ist sein Beruf für Stolz noch immer der schönste der Welt. „Die Tätigkeit ist so spannend und vielseitig, weil es kaum eine Beschränkung gibt“, sagt er. Das bedeute aber auch, dass man in alle Belange einer öffentlichen Verwaltung gut eingearbeitet sein muss. Dazu kommen dann noch Tätigkeiten etwa im Aufsichtsrat von Krankenhaus und Stadtwerken. Die Anforderungen, vor denen die Bewerber um Stolz ‚ Nachfolge stehen, sind also hoch.
Was ein Bürgermeister nie sagen kann
„In Städten unserer Größe erleichtert ein fachlicher Hintergrund diese Aufgabe enorm und stärkt zudem die Glaubwürdigkeit“, sagt Stolz. „Das Thema geht mich nichts an“, könne man als Bürgermeister nicht so einfach sagen, fügt er hinzu.
Man müsse immer Wege aufzeigen können, wie ein Problem gelöst werden kann. Am Ende müsse man vor allem auch bereit sein, Entscheidungen zu treffen. Manchmal auch unkonventionelle. Denn egal ob Unwetter, Überschwemmung, Corona oder Großbrand, immer sei auch die Stadtverwaltung gefragt, schnell zu reagieren.
Deshalb brauche es aus seiner Sicht fundierte Kenntnisse der öffentlichen Verwaltung. Diese kann man sich zwar aneignen – „dann werden die ersten Jahre aber sehr hart“, sagt Stolz.
Auch der Bürgermeister hat mehrere Chefs
„Wie viel der Bürgermeister selbst bestimmen darf, das entscheidet am Ende der Gemeinderat“, erklärt Stolz auf die Frage, wie viel Macht der Rathauschef überhaupt hat. Das Gremium, das von den Bürgern gewählt wird, kann beispielsweise finanzielle Rahmenbedingungen festlegen.
„Je besser das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat ist, desto mehr Spielraum hat man“, erklärt Stolz. Es gebe aber auch viele Entscheidungen, die mit Geld nichts zu tun haben. „Da ist es dann einfach wichtig, miteinander zu einem guten Ergebnis zu kommen. Anders geht es nicht“, sagt Stolz.
Die Aufgabe des Bürgermeisters sei es, die Themen der Zeit zu erkennen und daraus eine eigene Perspektive der Stadt zu entwickeln. „Dabei geht es darum, Lösungen zu finden, die auch in fünf bis zehn Jahren noch eine Entwicklungsmöglichkeit darstellen.“
Heute wisse jeder alles besser
Eins steht indes fest: Man kann es nie allen recht machen. „Insbesondere seit der rasanten Zunahme der Informationsflut im Internet weiß heute jeder alles besser“, sagt Stolz. Dabei werde oft mit oberflächlichen Informationen oder Sachverhalten, die auf die Stadt Stockach oder den speziellen Fall gar nicht zutreffen, argumentiert.
Man muss überall ansprechbar sein
Da bleibt es dann auch nicht aus, dass sich der Bürgermeister Kritik und Anfragen stellen muss, wo immer er gerade ist. „Es kam schon vor, dass ich beim Verlassen der Kirche nach einem Gottesdienst wegen eines Anliegens angesprochen wurde. Da musste ich dann sagen, lassen Sie uns doch erstmal raus gehen“, erzählt Stolz und muss lachen.
Insgesamt sei in diesem Beruf Kommunikationsfähigkeit gefragt. „Man muss mit den Leuten reden können und wollen“, sagt Stolz. Dazu gehöre natürlich, präsent zu sein, insbesondere bei den Ehrenamtlichen.
Bei ihm sei das Bewusstsein dafür, was Ehrenamt ist, und was es für eine Stadt bedeutet, erst so richtig entstanden, als er Bürgermeister war. Da sei ihm schnell bewusst geworden: „Das muss man, so gut es geht, unterstützen. Und zwar nicht nur mit Geld, sondern auch mit gutem Willen.“
Das bedeutet aber eben auch, auf Vereinsveranstaltungen und allgemein in der Stadt immer ansprechbar zu sein. Das gilt natürlich auch in der einstündigen Mittagspause, die sich der Rathauschef gönnt. Und Wochenendtermine gehören zum Alltag. „Privatmann kann ich seit 1993 eigentlich nur noch sein, wenn ich in den Urlaub fahre“, sagt Stolz.
Wie sieht der Stundenlohn aus?
Der größte Teil des Arbeitstags liegt an diesem Dienstagvormittag noch vor Rainer Stolz. „Mit einem Acht-Stunden Tag ist es in der Regel nicht getan. Insbesondere am Anfang, wenn man sich mit den Sachverhalten nicht auskennt“, sagt er. Schließlich sei man als Bürgermeister derjenige, der mit seiner Unterschrift für Entscheidungen gerade stehen muss. „Da muss man sich gut einarbeiten.“ In seinen ersten acht Jahren habe darunter auch sein Familienleben sehr gelitten, gesteht Stolz.
Aber hat er sich bei diesem Arbeitspensum mal seinen Stundenlohn ausgerechnet? Die „Bild“-Zeitung titelte schließlich erst vor Kurzem mit Blick auf die anstehende Stockacher Wahl: ‚Warum meldet sich keiner für diesen 9000-Euro-Job?‘. Tatsächlich fällt der Posten des Bürgermeisters in einer Stadt mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern in die Besoldungsgruppe B3 oder B4. Nach der Landesbesoldungsordnung wird er also mit mindestens 8.955,70 Euro vergütet.
„Das Bürgermeisteramt ist nicht aus finanziellen Gründen attraktiv“, sagt Stolz und verweist darauf, dass man in der freien Wirtschaft mit ähnlicher Verantwortung deutlich mehr verdienen würde. „Geld ist sicher ein Punkt, aber es darf nicht der entscheidende sein. Wer aus finanziellen Gründen Bürgermeister werden will, wird am Anfang bei der Bezahlung vielleicht denken ‚Ah toll!‘. Doch das wird er dann schnell bereuen“, ist sich Stolz sicher.
Fachkräfte fehlen, doch was ist mit Nachfolger?
Nach dem Gespräch mit dem SÜDKURIER setzt er sich wieder an den Schreibtisch. „Die Öffentlichkeit nimmt die Arbeit des Bürgermeisters vielleicht zu einem Prozent wahr. Die anderen 99 dienen der Vorbereitung von Entwicklungen der Stadt, Analysen von Gesetzen und bundes- sowie landespolitische Diskussionen mit Bezug auf die kommunale Arbeit“, sagt Stolz. Dazu kommt die Personalverantwortung für die Stadtverwaltung.
Auch hier seien Führungsqualitäten gefordert, denn auch hier herrsche Fachkräftemangel. Dass sich für den Chefposten im Rathaus jemand Gutes finden wird, davon ist Stolz aber überzeugt.