Unter einer Versteigerung stellt man sich in der Regel einen mehr oder weniger glamourösen Anlass vor, bei dem gut betuchte Menschen viel Geld für schöne, aber eigentlich nicht lebensnotwendige Dinge ausgeben. Bei einer Zwangsversteigerung ist vieles davon anders, wie ein Termin zeigt, der kürzlich beim Amtsgericht Singen stattfand.

Ort des Geschehens war der nüchtern-zweckmäßig eingerichtete große Sitzungssaal des Amtsgerichts. Und es ging auch nicht um ein Kunstwerk, eine seltene Briefmarke oder die sprichwörtliche chinesische Ming-Vase. Sondern um ein Wohngebäude auf dem Gebiet des Engener Weilers Talmühle – also um Wohnraum, etwas durchaus Lebensnotwendiges.

Das steckt dahinter

Der Weiler liegt an der Bundesstraße 491 zwischen Engen und Tuttlingen, die an dieser Stelle durch eine markante Unterführung die Gleise von Schwarzwaldbahn und Gäubahn kreuzt. Zur Zwangsversteigerung kam ein früheres Bahnhofsgebäude bei der Talmühle. Zum Gebäude gehört ein großes Grundstück. Im Hintergrund des öffentlichen Anlasses stand, dass sich die drei Mitglieder einer Erbengemeinschaft nicht darüber einigen konnten, wie dieses Erbe auseinandergesetzt werden soll.

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Erbauseinandersetzung, so heißt die Aufteilung eines Erbes in der Fachsprache. Und diese Aufteilung ist bei einer Immobilie schwierig zu machen – technisch gesehen müsste jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft einen Anteil an jedem Backstein erhalten, aus dem ein Gebäude gemauert ist.

Können sich Erben nun nicht auf eine Aufteilung einigen, könne ein Mitglied der Erbengemeinschaft die Teilungsversteigerung, eine Variante der Zwangsversteigerung, beantragen, erklärt Amtsgerichtsdirektor Johannes Daun zum Hintergrund. Das könne auch passieren, wenn die Erben die Immobilie nicht gemeinsam verkaufen können oder wollen. Aus der Immobilie wird dann Geld, das wiederum unter den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft aufgeteilt werden kann.

Rechtspflegerin Elke Grießmayer vom Singener Amtsgericht mit ihrem Aktenstapel.
Rechtspflegerin Elke Grießmayer vom Singener Amtsgericht mit ihrem Aktenstapel. | Bild: Freißmann, Stephan

Beim ersten Termin müssen dabei fünf Zehntel vom Verkehrswert erreicht werden, erklärte Rechtspflegerin Elke Grießmayer den etwa 20 Personen, die zum Termin im Amtsgericht erschienen waren. Davon wird allerdings noch der Wert von Verpflichtungen abgezogen, die im Grundbuch festgeschrieben sind – im Fall des früheren Bahnhofs eine Reihe von Auflagen der Deutschen Bahn, die den Bahnbetrieb sichern sollen. Wer die Immobilie kauft, verpflichtet sich, diese Ansprüche gegenüber der Bahn zu erfüllen, so Grießmayer.

Nicht nur nüchterner Termin, sondern menschliches Schicksal

Hinter dem nüchternen Termin kann allerdings auch ein menschliches Schicksal stecken. Im vorliegenden Fall lebte eine der drei Personen, die die Liegenschaft geerbt haben, selbst in dem Gebäude, wie sie beim Termin im Gericht sagte. Die drei Erben sind miteinander verwandt, nähere Angaben machten weder die Rechtspflegerin noch die Bewohnerin oder ihr Anwalt.

Die Bewohnerin war mit ihrem Rechtsbeistand Peter Bothe, einem ausgewiesenen Experten für Erbrecht und Teilungsversteigerungen, als einzige Beteiligte im Gerichtssaal erschienen. Sie stand an einem Punkt, an dem ihr Haus an einen anderen Besitzer gehen könnte. In diesem Fall hätte sie selbst vor einer ungewissen Zukunft gestanden. Denn der Zuschlagsbeschluss sei auch ein Räumungstitel, erklärte die Rechtspflegerin. Das nüchterne Juristendeutsch bedeutet: Wer die Immobilie kauft, kann die bisherigen Bewohner zwangsräumen lassen.

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Es stand in der Bietphase also durchaus etwas auf dem Spiel. Denn ein weiterer Interessent wollte das Gebäude samt dem Grundstück haben. Für ihn gab Gunther Olbort, der in Villingen-Schwenningen als Immobilienberater tätig ist, die Gebote im Saal ab. In Schritten zu 500 Euro schaukelten sich die beiden Bieter hoch, bis die Bewohnerin am Ende doch das höchste Gebot abgab. Auf Antrag des Anwalts Bothe erteilte Grießmayer den Zuschlag sofort.

Die Frau wurde damit noch im Gerichtssaal Eigentümerin der Immobilie und es sind in dem Verfahren keine rechtlichen Schritte mehr möglich, wie die Rechtspflegerin erklärte. Der Erlös der Versteigerung fließe in die Erbmasse ein und könne unter den Erben aufgeteilt werden, erläutert Amtsgerichtsdirektor Johannes Daun.

Die markante Unterführung unter der Bahnlinie bei der Talmühle. Die Bundesstraße 491 verbindet Engen und Tuttlingen.
Die markante Unterführung unter der Bahnlinie bei der Talmühle. Die Bundesstraße 491 verbindet Engen und Tuttlingen. | Bild: Freißmann, Stephan

Was treibt jemanden nun dazu, ein so abgelegenes Gebäude ersteigern zu wollen? „Das ist etwas für Leute, die so etwas wollen“, sagt Immobilienberater Olbort. Mitbieten würden häufig Menschen, für die Zinszahlungen für Kredite kein Faktor sind, sagt er, der nach eigenen Angaben in 20 Jahren etwa 3000 Zwangsversteigerungen miterlebt hat. Doch die Zeit der Immobilien-Schnäppchen bei Zwangsversteigerungen sei nach seiner Einschätzung vorbei.

Amtsgerichtsdirektor Daun schreibt hingegen auf Nachfrage, dass die Versteigerungserlöse zuletzt rückläufig gewesen seien. Allerdings hänge es stark vom Einzelfall ab, wie günstig man bei einer Zwangsversteigerung an eine Immobilie kommen kann.