Am Ende kamen sie dann doch noch, die hierzulande wahrscheinlich bekanntesten Hits von Wolfgang Ambros, „Es lebe der Zentralfriedhof“ und „Schifoan“. Das Publikum hat sich beides als zweites Zugabenset beim Auftritt von Ambros und seinem Trio erklatscht. Am Ende stehen auch fast alle Zuschauer, die den Auftaktabend des Strandkorb Open-Air in Aach miterlebt haben – sie tanzen sich in den kühlen Temperaturen des Herbstabends warm und jubeln ihrem Idol zu. Immer schön in Zweiergrüppchen, denn die Strandkörbe dienen genau dazu: Das Publikum gleichzeitig auf Corona-konformem Abstand zu halten und doch ein halbwegs gemeinschaftliches Musikerlebnis zu ermöglichen. Größtenteils Paare mittleren Alters hatten sich in den Strandkörben eingefunden.

Gefühlt waren ausschließlich Experten und Fans unter den Zuschauern, deren Zahl Veranstalter Clemens Scherzinger mit etwa 400 angibt. Da wurde mitgesungen, Refrainzeilen ergänzt, begeistert geklatscht und gejubelt – und am Ende eben auch getanzt. Dabei hat es ein Weilchen gedauert, bis Künstler und Publikum wirklich zueinander fanden – des räumlichen Abstands zwischen Bühne und Strandkörben wegen. Ambros nahm diesen Abstand im Lauf des Abend mehrmals süffisant aufs Korn, doch gegen Ende entstand sie dann doch noch, die berühmte Symbiose von Künstler und Publikum.

Sabine und Klaus Brachat aus Hilzingen in ihrem Strandkorb: Sie verbindet viel mit Ambros‘ Musik.
Sabine und Klaus Brachat aus Hilzingen in ihrem Strandkorb: Sie verbindet viel mit Ambros‘ Musik. | Bild: Tesche, Sabine

Zwei Zuschauer, die eine lange Verbindung zur Musik von Wolfgang Ambros haben, sind Sabine und Klaus Brachat aus Hilzingen. Sie stammt aus Wien, beide spielen auch in einer Band. „Ich bin mit Ambros aufgewachsen, das war meine Jugend“, sagt Sabine Brachat. Lange habe sie Ambros nicht mehr live auf eine Bühne gesehen, da freue sie sich auf den Auftritt. Auch ihr Mann sagt, er sei mit dieser Musik groß geworden, vom Watzmann bis heute. Und „Schifoan“, mit dem der Abend dann zu Ende ging, das sei schon lange ein Hit, den die Band im Programm habe, erzählt Klaus Brachat.

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Vorangegangen war diesen letzten beiden Zugaben ein Abend mit Liedern aus 50 Jahren Musikleben. Ambros, der den Auftritt im Sitzen absolvierte – 2014 wurde er wegen mehreren verkrümmten Wirbeln operiert -, war mit Günter Dzikowski an den Tasteninstrumenten und Roland Vogl an der Gitarre auf der Bühne, im eher kleinen und intimen Rahmen, der die große Bühne kaum füllte. Wenn ein Musiker eine solche Bilanz zieht, ist immer auch interessant, welche Lieder er zusammenstellt. Die Hymne an den Wintersport, die es schon längst als Party-Mugge ins Après-Ski verschlagen hat, und das berühmt-makabre Geburtstagslied für den Zentralfriedhof mit der Feier der Toten gehörten jedenfalls nicht zum Hauptprogramm, man könnte auch sagen, Kern des Abends.

Menschsein, Leben und Liebe

Eher ging es ums Menschsein an sich, das Leben als Paar, die Liebe – die großen Themen eben, die schon immer besungen werden. Ambros hat sich dabei eine eigene Stimme erarbeitet, gilt als ein Begründer des Austropop. Und wenn er beispielsweise ein Lied ankündigt, das er mit 19 Jahren geschrieben habe, nämlich „Du bist wia de Wintasun“ vom Album „Alles andere zählt net mehr...“ (1972), zeugt das von großer Beständigkeit. Er kann nicht nur nach so vielen Jahren dieses Lied problemlos nach wie vor auf einer Bühne vertreten. Die damalige Jugend-Melancholie wirkt auch beim nun 69-Jährigen immer noch authentisch.

Provokanter schwarzer Humor darf an einem Abend mit Ambros aber auch nicht fehlen. Im Lied „Mir geht es wie dem Jesus“ vom Album „Eigenheiten“ (1973) zum Beispiel – in dem dem Sprecher „das Kreuz so weh“ tut. Das Lied hätten sie kürzlich aus einer Laune heraus in Altötting gespielt, erzählt Ambros in seiner Moderation – also immerhin in einem berühmten bayerischen Wallfahrtsort. Die große Menge habe es goutiert, aber „ein paar Leute haben schief geschaut“. „Sehr schief“, ergänzt einer seiner Musikerkollegen auf der Bühne. In Aach bringt der knitze Humor das Publikum zum Johlen und Pfeifen. Was Ambros im Laufe des Abends bietet, ist ein Querschnitt seiner Hintergründigkeit zwischen Feinsinn und Derbheit. Die knarzige Stimme passt da perfekt ins Gesamtbild.

Und wie sieht es Clemens Scherzinger, der das Aacher Strandkorb Open-Air mit dem Veranstalter Hockeypark aus Mönchengladbach auf die Beine gestellt hat? Er äußert sich nach dem Auftaktabend zufrieden, auch wenn viele Plätze frei geblieben sind: „Stimmung und Konzert waren klasse, die Besucher hatten Spaß.“ Auch die Organisation habe gut geklappt.