Herr Toder, würden Sie den Satz unterschreiben – wenn ich nicht katholischer Pfarrer in Horn sein kann, dann wenigstens Leiter der Evangelischen Schule Schloss Gaienhofen?
(lacht) Ich würde diesen Satz nicht unterschreiben, weil es mich zu stark zum Provinzkönig machen würde. Unabhängig davon ist es eine wunderbare und wunderschöne Aufgabe.
Ich habe jetzt eher an die Aussicht gedacht. Sie haben einen ähnlichen traumhaften Arbeitsplatz wie der Pfarrer in Horn.
Ja, im Alltag geht das leider etwas unter. Ich komme nicht dazu, hier den See zu betrachten. Aber es stimmt, es ist ein sehr schöner Arbeitsplatz. Vor allem seit 2016 die ganze Schule umgebaut worden ist und die Schulleitung von dem Verwaltungsgebäude oben runtergezogen ist ins Schloss. Seither ist die Schulleitung auch näher zusammengerückt, weil alle Abteilungsleiter hier auf der Schlossetage vereint sind.

Trotzdem werden Ihre Besucher neidisch sein, wenn Sie aus Ihrem Büro aus dem Fenster schauen?
Ich sage nicht, wie viele Granden von der Höri hier reingekommen sind und gesagt haben: O, ist das ein Büro!
Wie schwer fällt es Ihnen, diesen Arbeitsplatz zu verlassen und in den Ruhestand zu gehen?
Ich glaube zu schwer. Ich sollte eigentlich schon seit einem Jahr üben, loszulassen. Man hat mir gesagt, genieß die letzten Male. Letzte Gesamtkonferenz, letzte Zeugnisausgabe. Ich habe sehr gerne hier gewirkt und geschafft, wie der Schwabe sagen würde. Es fällt mir schwer, weil es eine interessante und tolle Aufgabe ist. Gleichzeitig kann ich auch loslassen, weil etwas zu Ende gekommen ist. Der Umbau der Schule ist abgeschlossen, in der Schulentwicklung ist das individuelle Lernen mit mobilen Endgeräten etabliert. Aber es wird neue Schritte geben, es gibt neue Arbeitsgruppen, das christliche Profil der Schule wird weiter geschärft.
Waren Sie als Schulleiter einer privaten Schule mehr Manager oder mehr Pädagoge?
Wenn ich die Rückmeldungen der Schüler bei den Verabschiedungen wirken lasse, dann bin ich Gott sei Dank doch als Pädagoge wahrgenommen worden. Als Schulmanager im klassischen Sinne habe ich viel meinem Stellvertreter Herrn Horn zu verdanken. Vielleicht hilft eine Anekdote: Ich habe zum Abschied von ihm ein Schild überreicht bekommen. Das hing im Ruderkeller. Ich habe Herrn Horn und alle, denen ich die Schule gezeigt habe, zuerst in die Ecken geführt. Ich habe zu ihm gesagt, wenn man die Schule begreifen möchte, dann geht man nicht zuerst in die Unterrichtsräume, sondern in die anderen Räume. Wo sind die AGs? Was machen die Theaterleute? Was passiert in der Kantorei? Bei den Ruderern hing so ein Schildchen, da hatten die Schüler draufgraviert: Was nützt die ganze Theorie, setzt Dich ins Boot, halt‘s Maul und zieh‘!
Schöner Satz!
Ja. Für einen Acht- oder Neuntklässler ist so eine Erfahrung unter Umständen viel wichtiger als die nächste Mathe- oder Franzarbeit. Das zeigt, hier gibt‘s Orte an dieser Schule, wo sich die Schüler selbst organisieren und zusammenfinden, wo Jugend lebt. Das war mir wichtig.
Sie haben in Ihrer Zeit als Schulleiter den Wandel vom Internat zur reinen Tageschule in den Jahren 2012, 2013 durchgestanden. Damit einher gingen heftige Auseinandersetzungen. War das die größte Herausforderung für Sie?
Ich würde nicht sagen die größte. Es gab dramatische Vorfälle, plötzliche Todesfälle von Schülern und Lehrerkollegen, das waren auch Herausforderungen. Dennoch, die Umsetzung unseres Masterplans 2020 mit der Einführung neuer Schularten und der Schließung des Internats war ein großer Einschnitt. Der Freundes- und Förderkreis hat die Schule immer kritisch begleitet. Das ist ein großer Wert, wenn Ehemalige sich für die Schule interessieren. Heftige Kritik gab es aus diesem Kreis auch bei der Einführung des Wirtschaftsgymnasiums. Aber der Wandel ist angekommen. Bei der Einweihung unseres neuen Campus-Gebäudes hat ein Ehemaliger aus dieser Widerstandsgruppe sprechen wollen und sehr klar gemacht, ja, wir haben uns offensichtlich getäuscht, die Schule ist weiterentwickelt worden, die Landeskirche hat Wort gehalten und die Schule ausgebaut.

Ist ein Internat heute aus der Zeit gefallen?
Das habe ich mich auch oft gefragt. Ich glaube, für manche Kinder ist das immer noch gut und richtig. Die Bedarfe, da sind Kinder ohne Eltern, da sind Notsituationen nach dem Krieg, da sind Auslandsaufenthalte der Eltern, die Kinder können nicht mit, sind weggefallen. Insofern haben die klassischen Begründungen für ein Internat aufgehört. Aber dass Kinder mal weg müssen von der Familie und ihr eigenes Ding machen müssen, das gibt es bestimmt schon noch.
Wie teuer ist es heute, sein Kind auf die Schule Schloss Gaienhofen zu schicken?
Im Moment haben wir eine Schulgebühr von 114 Euro monatlich. Das kann, glaube ich, jeder schaffen. Zudem gibt es bei uns die Möglichkeit, Stipendien zu erhalten. Mein Satz bei Aufnahmegesprächen ist immer der: Am Geld soll es nicht scheitern.
Was ist noch evangelisch an Ihrer Schule?
Es gibt Formalien, es gibt Schulgottesdienste, es gibt Wochen-Andachten, wir haben einen Morgenkreis in den Klassen fünf bis sieben, wir haben den verpflichtenden Religionsunterricht bis zum Abitur, es gibt das Fach Wirtschaft und Verantwortung, ausgerichtet am christlichen Menschenbild. Da sieht man schon formal den Unterschied. Wir wollen Schüler fördern und fordern. Auch bei uns gibt es Rangkämpfe und Mobbing in den neu zusammengesetzten Klassen. Dann kommt es darauf an, wie man damit umgeht. Da glaube ich sehr wohl, dass es bei uns einen christlichen Umgang miteinander gibt.
Können Sie über die anderen Herausforderungen sprechen, etwa die tragischen Todesfälle, die sich in Ihrer Amtszeit ereignet haben?
Es gab leider mehrere Sachen. Ich bin einmal frühmorgens aus dem Urlaub zurückgekommen und sehe hier Flaggen auf Halbmast. Ich bin sofort in die Schule und habe gefragt, was ist los. Da waren zwei Schüler bei einem Busunglück ums Leben gekommen. Das war ein großer Einschnitt. Das war für uns eine richtige Krise. Dann der Tod meines Vorgängers Lothar Lang 2003, den ich auch dazu zähle.
Welches Projekt hat Ihnen im Rückblick am meisten Freude bereitet?
Mein erstes Projekt, das Schulfach Wirtschaft und Verantwortung einzubringen, ist für mich besonders wertvoll. Sehr spannend fand ich die Entscheidung zur Digitalisierung der Schule. Bei der Anschaffung der mobilen Endgeräte hat uns die Messmer-Stiftung unterstützt, was uns sehr geholfen hat. Mit diesem Modell, mobile Endgeräte in der Hand von Schülern, waren wir eine der ersten Schulen in Deutschland.
Wenn Sie in Ruhestand gehen – gehen Sie auf Abstand oder bleiben Sie in der Nähe?
Meine Frau und ich werden in Horn wohnen bleiben. Man sagt nicht einfach Tschüss und geht zurück ins Hohenlohische. Aber ich selber gehe jetzt erst einmal auf Distanz und ein paar Wochen in Frankreich verbringen. Damit beherzige ich den mahnenden Satz meines Freundes: Alle gehen nach den Ferien wieder in die Schule, Du aber nicht!