Selten ist die Höri-Halle in Gaienhofen voller. Die Gemeinde zählt 3300 Einwohner, etwa 600 Interessierte kamen zur offiziellen Vorstellung der Kandidaten durch die Gemeinde vor der Bürgermeisterwahl. Doch Bürgermeister und Wahlausschussvorsitzender Uwe Eisch musste zu Beginn der Veranstaltung der Neugierde einen Dämpfer geben. Nicht alle sechs Kandidaten waren erschienen. Dauerkandidat Samuel Speitelsbach fehlte unentschuldigt, Heiko de Vita hatte dem Bürgermeister sein Fernbleiben ‚aus persönlichen Gründen‘ mitgeteilt.
Ein Missverständnis beim Treffpunkt
In der ersten Reihe saßen die Kandidaten Fatih Cicek, Frank Schweitzer und Andreas Werft. Derya Yildirim fehlte bei der Begrüßung am Beginn der Vorstellung. Aufgrund eines Missverständnisses wartete sie am Treffpunkt bei der Schule. Dorthin wurden die Kandidaten geführt, weil sie den Auftritt der anderen nach den Regeln für die Vorstellung nicht verfolgen durften.
Auch ein Audiomittschnitt und die Übertragung von digitalen Daten an die Kandidaten sei während der Vorstellung verboten, erläuterte Uwe Eisch. Die Kandidaten traten in der Reihenfolge der Abgabe ihrer Bewerbung ans Rednerpult. Sie hatten Zeit für eine fünfzehnminütige Rede und standen danach zehn Minuten für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung.
Einer will immer ans Telefon gehen
Fatih Cicek, 50 Jahre alt aus Amtzell im Allgäu, ist nach eigenen Angaben „selbständiger Wirtschaftsbeauftragter“. Ein Beruf, „unter dem man viel verstehen kann“, wie ein kritischer Zuhörer aus dem Publikum in der Fragerunde bemerkte. Cicek selbst gibt sich eher fröhlich und als zugewandter Geist: „Ich verspreche Ihnen, immer ein offenes Ohr zu haben und Ihnen wohlgesonnen zu sein“, rief er den Zuhörern entgegen. Das Telefon sei bei ihm nicht umgeleitet: „Wenn ich im Büro bin, gehe ich auch ran.“
Was Cicek verspricht
Und er war der Kandidat mit den meisten Wahlversprechen: „Bei mir werden die Mitarbeiter leistungsgerecht bezahlt.“ Egal ob in der Kita, auf dem Bauhof oder Kläranlage: „Gute Arbeit muss gut bezahlt werden“, proklamierte Cicek in der Höri-Halle. Zudem gebe es für alle runden Geburtstage ab 70 einen Blumenstrauß der Gemeinde, überreicht von ihm. Zudem wolle er von seinem ersten Gehalt allen Hundehaltern die Hundesteuer zurückerstatten.

Wer keinen Hund hat, dem versprach Cicek wie allen im Saal einen Teller Gulaschsuppe. Die Voraussetzungen sind: Cicek wird zum Bürgermeister gewählt und man kommt am Tag der Wahl in die Höri-Halle. Es gibt auch Dinge, die Fatih Cicek nicht mag: „Über eine Tempo 30e-Zone wäre ich nicht wirklich erfreut.“ Und natürlich die Hundesteuer. „Ich bin der Meinung, dass Hunde nicht besteuert werden sollten.“
Zurück in die Abi-Prüfung 1990
Frank Schweitzer, 52 Jahre, Architekt und Immobilienökonom mit Wohnsitz in Zürich, bezeichnet Gaienhofen als seine Heimat. Weil seine Mutter hier wohnt, weil er am Ambrosius Blarer Gymnasium sein Abitur gemacht hat, weil er hier sein Privatleben pflegt. Bei der Vorstellung kokettierte Schweitzer kurz mit seinem Zustand: „Ich fühle mich zurück versetzt in meine Abi-Zeit im Jahr 1990, so nervös bin ich.“ Und mit seinem Aussehen: „In der Pandemie sind meine Haare lang geworden.“
Schweitzer will innerorts Tempo 30
Obwohl Schweitzer Gaienhofen ein Top-Angebot für eine Gemeinde dieser Größe attestierte, beschrieb er doch Aufgabenfelder für sich als neuen Bürgermeister. Etwa den Ausbau des Breitbandnetzes für ein schnelles Internet oder die Modernisierung von Kindergärten und Schulen.
Für die Jugend wünscht sich Schweitzer einen Anlaufpunkt. Kurzfristig könne er sich einen Raum im Bürgerhaus vorstellen. Mittelfristig sollte eine Räumlichkeit gefunden werden, die von der Jugend auch bewirtschaftet werden sollte. Deutlich positioniert sich Frank Schweitzer bei der Geschwindigkeitsfrage, er schlug Tempo 30 in den Ortsteilen und Tempo 70 auf den Verbindungsstraßen vor: „Wir brauchen mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer.“
Bauen, Wohnen, Tourismus – diese drei Themen fasste Schweitzer in einem größeren Zusammenhang zusammen. Eine verdichtete Bauentwicklung sei notwendig, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die Natur zu bewahren.
Auch will Schweitzer prüfen lassen, ob eine Erhöhung der Zweitwohnungssteuer nicht einen Beitrag für eine Entlastung auf dem Wohnungsmarkt leisten könne. Zudem müsse die Gemeinde eine Lösung finden für eine klimaneutrale Energiegewinnung. Schweizer sprach als Möglichkeiten Flächen-Photovoltaikanlagen und die Gewinnung von Wärme aus dem Seewasser an.
Der Beruf als Qualifikation
Andreas Werft, 55 Jahre, Bauleiter aus Gaienhofen, möchte Verantwortung übernehmen. Werft war sich bei seiner Vorstellung sicher: „Das passt zu mir. Als Beleg führte Werft seine berufliche Tätigkeit an: ‚Ich habe die Aufgabe, Projekte erfolgreich umzusetzen und die Baustellen am Laufen zu halten.‘
Kandidat Werft zitierte aus einer Untersuchung von Professor Paul Witt von der Fachhochschule Kehl zu den Anforderungen, die an einen Bürgermeister in Zukunft gestellt werden: 70 Prozent seien es menschliche Qualitäten, 30 Prozent fachliche Qualitäten, die für die Ausübung des Amts wichtig seien. „Das lebe ich seit 20 Jahren“, sagte Werft.
Werft setzt auf eine gemeinsame Analyse
Mehrere Ziele skizzierte Andreas Werft in seiner Rede. So möchte er sich für den Erhalt der Einrichtungen einsetzen: „Die Unterstützung für Händler, Gastronomen und Landwirte ergibt die Handlungsfähigkeit unserer Gemeinde.“ Die Veränderung zum Besseren möchte er in kleinen Schritten erreichen. Dazu brauche es eine gemeinsame Analyse mit dem Gemeinderat und allen Bürgern: „Was wollen wir?“

Auch Andreas Werft hat sich das Schaffen von Wohnraum und die Förderung des sanften Tourismus ins Programm geschrieben. „Wer im Sommer herkommt, der lebt hier klimaneutral.“ Seiner Vorstellung nach müsste der Tourismus besser gesteuert werden: „Es braucht Parkplätze, Gastronomie und Plätze zum Sitzen und Flanieren.“
Auch wünsche er sich mehr Grün und mehr Papierkörbe. Mehr Verkehrssicherheit wünscht sich Werft an der Schule Schloss Gaienhofen: „Der Zustand muss verändert werden, da rennen die Schüler jeden Morgen über die Straße.“
Eine Kandidatin für den Gleichklang
Derja Yildirim, 42 Jahre alt aus Radolfzell, verkündete bei ihrer Vorstellung: „Ich bin kein Schönwettermensch, ich trage die Sonne im Herzen.“ Sie trete in Gaienhofen an, um sich einzubringen, „wie sich dieser herrliche Flecken Erde weiterentwickelt“. Ihre Aufgaben sehe sie darin, wieder einen Gleichklang zwischen der Schönheit und den Störfaktoren herzustellen. Dabei setze sie auf Bürgerbeteiligung.
Zu ihrer Person rückte sie ihre Tätigkeiten als Gastronomin und Betreiberin der beiden Bäder in Radolfzell und die Aufgabe als Stadträtin (SPD) in den Vordergrund. Und noch eine Erfahrung war ihr wichtig, die als Mutter. Deshalb richtete sie eine Ansprache an die Männer im Saal: „Wenn Sie Zweifel an meiner Verwaltungskompetenz haben, fragen Sie Ihre Frau oder Ihre Mutter.“
Yildirim bringt ihre Persönlichkeit ein
In ihrem Engagement für das Gemeinwohl habe sie die Erfahrung gemacht, dass immer dann Projekte scheitern oder verzögert würden, wenn sie auf Einzelinteressen träfen. „Dann heißt es: Nicht in meinem Garten, nicht in meiner Nähe.“ Das gelte es auch in Gaienhofen zu überwinden. Da sei sie guten Mutes: „Hier spürt man, wie die Menschen sich um Haus und Hof kümmern.“
Auch Derya Yildirim stört der große Bestand an Zweitwohnungen, es seien 440 an der Zahl, die den Einheimischen und Wohnungssuchenden nicht zur Verfügung stünden. Das größte Problem seien die Verkäufer, sagte Yildirim und forderte: „Wir müssen den Spekulanten die Freude nehmen.“ Dagegen will sie die Freude in den Hemmenhofen, Gaienhofen, Horn und Gundholzen als Bürgermeisterin einziehen lassen: „Ich wünsche mir für alle Ortsteile einen Dorfplatz.“