Aufgrund merkwürdiger Umstände eingestellt hat das Amtsgericht Sigmaringen, unter Vorsitz von Richterin Katharina Heinzelmann, ein Verfahren gegen einen 67-Jährigen aus der Kreisstadt, der sich wegen sexueller Belästigung verantworten musste. Sein gegen einen Strafbefehl von 2024 erhobener Einspruch hatte somit Erfolg.

Vorfälle auf einem Pferdehof

Laut Anklage soll der Mann 2023 auf einem Pferdehof mit Reitanlage gegenüber einer jungen Meßkircherin während einer von ihm dargebotenen Massage zunächst übergriffig geworden sein und die Frau gleich darauf am Rande einer Pferdebox erneut unsittlich berührt und sich somit strafbar gemacht zu haben. Für den Angeklagten übernahm dessen Pflichtverteidiger Benjamin Fischer das Wort. Sein Mandant mache keinerlei Angaben, die Tat würde von ihm bestritten. Gleichzeitig stellte er bei der Richterin den Antrag, dass sie es gestatten möge, dass die Geschädigte im Fall sich ergebender Widersprüche zum angesetzten Folgetermin abermals in den Zeugenstand geladen wird. Doch so weit kam es dann erst gar nicht.

Frau willigt einer Massage ein

Die Klägerin, eine mittlerweile verheiratete 23-Jährige aus einem Meßkircher Ortsteil, erzählte im Zeugenstand, dass sie auf dem von ihr nicht weit entfernt liegenden Pferdehof zunächst Ponys trainiert hätte und danach zu den Pferden unter Obhut des Angeklagten gewechselt sei. Bei einer mündlichen Vorbesprechung hätte sie ihre Probleme im unteren Rückenbereich offenbart. Der Mann habe ihr aufgrund seiner physiotherapeutischen Kenntnisse eine Massage angeboten, der die damals 21-Jährige einwilligte. Doch der Mann hätte sich daran nicht gehalten und sich bis zu ihren Brüsten vorgearbeitet – unter der Vorgabe, er müsse entdeckte „Knoten“ wegen des Verdachts auf Brustkrebs genau untersuchen. Das sei ihr zu weit gegangen. Sie sei entsetzt und geschockt gewesen, hätte sich angeekelt gefühlt und sich ihm sogleich entzogen. Zu einer weiteren unliebsamen Begegnung mit dem Angeklagten sei es dann Tage später in der Sattelkammer gekommen, die als Aufenthaltsraum dient. Dort hätte er sich ihr unter Liebesbekundungen genähert, sie in die Enge getrieben und an ihr Gesäß gefasst. Sie hätte ihn nach ihrer Aufforderung, dies zu unterlassen, weggeschubst und sei davongelaufen und hätte den Pferdehof seither nicht mehr betreten.

Richterin und Staatsanwältin mit Detailfragen

Von der Richterin wurde die Geschädigte in ausdauernder Gründlichkeit zu allen Details minutiös befragt. So unter anderem, zu welcher Jahreszeit denn diese Vorfälle gewesen sein sollen. Die junge Frau kämpfte unter Tränen mit ihren Erinnerungen und meinte, sich schwer zu tun, dies zeitlich einzuordnen, es müsste wohl im Frühjahr 2023 gewesen sein. Laut polizeilichen Protokoll sei sowohl Mitte April als auch Mitte Mai vermerkt worden, hielt ihr die Richterin vor. Auch der zweite Fall, protokollarisch von ihr als Ereignis unmittelbar darauf geschildert, soll nun ihrer aktuellen Aussage gemäß an zwei verschiedenen Tagen passiert sein. Die Richterin hinterfragte auch, weshalb sie erst im Juni 2023 Strafanzeige erstattete. Dies begründete die Geschädigte damit, sie habe nicht gewusst, was sie machen solle, hätte sich dann aber ihrer Mutter anvertraut. Diese hätte nicht nur ihre Sachen aus dem Pferdehof abgeholt, sondern auch ihr den Rat gegeben, zur Polizei zu gehen.

Glaubwürdigkeit der Betroffenen wird angezweifelt

Oberstaatsanwältin Susanne Braun stellte der Klägerin nur eine Frage: Wo der Angeklagte sie genau angefasst hätte, an der linken oder rechten Pobacke? Sie sagte, es sei die rechte gewesen – im Protokoll war es die linke. Offensichtlich war die „Geschädigte“ somit endgültig unglaubwürdig. Die Richterin wünschte eine Verhandlungspause, der Verteidiger regte ein Rechtsgespräch zur Beweiswürdigung an. Man zog sich ins Beratungszimmer zurück. Über das Ergebnis, die vom Verteidiger angeregte Einstellung, informierte die Richterin. Die Klägerin wurde entlassen, der Verteidiger hätte keine Fragen mehr an sie, der sich nach ihrem Abgang ein höhnisches „April oder Mai?“ auf ihre zeitlich unsicheren Einordnungen nicht verkneifen konnte. Zwei wartende Zeugen wurden nicht mehr benötigt, die für den nun entfallenden Fortsetzungstermin vorgesehenen Zeugen entladen. Richterin, Staatsanwaltschaft und Verteidiger und zuletzt auch der Angeklagte stimmten der Verfahrenseinstellung zu.