Georg Lange

Wenn es im Unterricht, auf dem Schulhof oder zuhause kriselt, sind Schulsozialarbeiterinnen wie Alexa Peterson und Siobhan O‘Connor an Ort und Stelle wichtige Ansprechpartnerinnen. Sie hören sich die Sorgen der Schüler an, schlichten Streits oder helfen beim Lösen von Problemen. Seit der Schließung der Schulen sind auch auf der Höri Familien zerrissen zwischen virtuellem Lernen, dem Homeoffice sowie der Kurzarbeit mit niedrigeren Bezügen. Der Familienfrieden hängt vermehrt durch die Belastungen in Folge der Corona-Pandemie schief.

Von jetzt auf nachher blieben Kinder dem Unterricht in der Schule fern. Sie waren daheim, übten sich im virtuellen Lernen mit einer Flut an Hausaufgaben und verzichteten auf Hobbies und Schulfreunde. Alleinerziehende mit mehreren schulpflichtigen Kindern stand im Homeoffice nur ein altes Laptop zur Verfügung – für mehr reicht das Budget nicht aus. Es fehlten nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch das Wissen, wie neue Informationstechnologien funktionieren. Und über Nacht hatten auch die Schulsozialarbeiterinnen den direkten Kontakt zu allen verloren. Sie richteten eine „Nummer gegen Kummer“ ein und helfen Familien und Schülern am Telefon.

Die Schulsozialarbeiterinnen der Grund- und Werkrealschule auf der Höri sind selbst Mütter und verstehen den Druck und die Herausforderungen an die Familien aus eigener Erfahrung. „Alle Fragen, mit denen die Eltern konfrontiert sind, hatten auch wir“, bekennt Siobhan O‘Connor. Es sei ein neues Leben hinzu gekommen, mit dem Menschen bisher keine großen Erfahrungen gemacht hatten und das ihnen neue Fähigkeiten abverlange, erzählt die Schulsozialarbeiterin an der Hermann Hesse Werkrealschule und an der Horner Grundschule: „Das ist in unserem Leben so noch nicht passiert.“

Siobhan O‘Connor sprach mit der Gemeindeverwaltung und überlegte sich Maßnahmen, wie sie als Schulsozialarbeiterin weiterhin in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen sowie mit Lehrern und Eltern bleiben könnte und richtete ein Sorgentelefon ein. Vor zehn Tagen schloss sich Alexa Peterson der Idee an und bietet für Eltern und Kinder der Grundschule Öhningen und Weiler Beratungen an.

Viele Eltern und Schüler machten einen Crashkurs in Informationstechnologien (IT). Einige Familien hatten Experten zuhause, doch viele Familien hatten keine Erfahrungen im Umgang mit Computern, sozialen Netzwerken oder virtuellem Lernen. Stand nur ein Computer für das Homeoffice, das virtuelle Lernen und die Aufgaben der Kinder zur Verfügung, mussten Termine für dessen gemeinsame Nutzung gefunden sowie Gespräche mit Lehrern für die Abgabe der Hausaufgaben und das virtuelle Lernen geführt werden.

Als sich die Schüler noch mit Siobhan O‘Connor in einer Laufgruppe treffen konnten, bewegten sie vor allem die Frage, ob sie die Klasse wiederholen müssten und was mit ihren Noten geschehe. Nachdem die Kontaktsperren verschärft wurden und die Laufgruppe eingestellt war, beobachte O‘Connor, dass Whatsapp-Gruppen immer kleiner wurden, Schüler weniger schrieben und sie karger darin reagierten. Zwischen den Schülern gebe es weniger Kontakt.

Druck auf die Kinder ist gewachsen

Was beide Schulsozialarbeiterinnen besonders bewegt, ist die Verfassung der Kinder. Normalerweise bedeute zu Hause sein auch in Sicherheit zu sein. Aber für viele Kinder sei das nicht der Fall. Es gebe Situationen, da sei es für das Kind wirklich gefährlich, zu Hause zu sein. Der Druck sei im Moment größer als zuvor. Kinder könnten nicht weggehen, Fahrrad fahren und ihre Wut heraus lassen. Schon vor der Corona-Krise hatten die Schulsozialarbeiterinnen vermehrten Kontakt mit dem Jugendamt und den sozial-psychiatrischen Kliniken. Doch nun wüssten sie nicht, wie groß Bedarf nach mehr therapeutischen Hilfen nach der Krise sei.

Alexa Peterson kennt die Vorteile ihres Zusatzangebots für die Kinder. Die Schulsozialarbeiterin an der Grundschule in Weiler und Öhningen schätzt ihre neutrale Funktion gegenüber Kindern und Lehrern. Für gewöhnlich wurde sie angesprochen, wenn Kinder schulische Probleme oder Schwierigkeiten mit Freundschaften und dem Zuhause hatten und sie sich vor unlösbaren Konflikten sahen. Das Kind lebe in einem ganzen System aus Mitschülern, Lehrern, Eltern und Freunden. Manchmal seien Probleme durch eine der Gruppen verursacht. Dann sei es eine schwierige Gratwanderung und ein diplomatischer Drahtseilakt, allen gerecht zu werden und das Problem zu lösen, erzählt Peterson.

Persönliche Nähe fällt derzeit weg

Einseitige Schuldzuweisungen seien häufig gar nicht angebracht. Im Idealfall arbeiteten alle Systeme gut miteinander. Doch seit der Schließung der Schule sei der persönliche Kontakt zu den Kindern gekappt. Der Grundpfeiler der Schulsozialarbeit sei die Niederschwelligkeit des Angebots, erläutert Peterson: Sie war für die Grundschüler vorort. Doch genau das falle nun weg. Da nur wenige Kinder der Grundschule ein eigenes Handy besäßen oder kaum die Möglichkeit für ein freies Gespräch am Telefon hätten, sei sie nun besorgt, dass die Kinder nicht selber in der Lage sind Hilfe zu holen.

Die Schulsozialarbeiterinnen stünden für die Jugendlichen, Eltern, aber auch für Lehrer selbstverständlich immer bereit, betont Peterson. Manche Menschen seien mehr von den wirtschaftlichen Folgen tangiert, die allermeisten jedoch von emotionalen, hat Peterson erfahren. Details nennt sie nicht. Denn das größte Pfund als vertrauensschaffende Maßnahme sei ihre Schweigepflicht. Und wenn Hausaufgaben massiv den Hausfrieden stören würden, empfiehlt sie ein Gespräch mit dem Lehrer, um gemeinsam zu überlegen, was das Kind zu leisten vermag.