Die starken Regenfälle der vergangenen Tage haben das Wasser an vielen Orten am Bodensee über die Ufer treten lassen. Der Seepegel ist so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Doch während die Schweizer Behörden am Dienstagvormittag für den Untersee die höchste Gefahrenstufe 5 ausriefen, galt für die gegenüberliegende deutsche Seite weiterhin die Meldestufe 2 „Mittleres Hochwasser“. Wie kann das sein? Ist die Lage auf der Schweizer Uferseite tatsächlich schlimmer? Diese liegt ja nur einen Kilometer Luftlinie entfernt. Und wie sieht es in den Gemeinden vor Ort aus?

Unterschiedliche Bemessungsgrundlagen

Die Pegelstände seien laut Edith Oosenbrug, Hydrologin beim Schweizer Bundesamt für Umwelt, gar nicht der Grund für die unterschiedlichen Hochwasser-Warnstufen in Baden-Württemberg und der Schweiz. „Unterschiede in der Einstufung eines Ereignisses beruhen auf den unterschiedlichen Definitionen beziehungsweise Kriterien der Gefahrenstufen selbst, nicht auf unterschiedlichen Auswirkungen auf Schweizer und der deutschen Seite“, erklärt Oosenbrug.

Das heißt: Obwohl die Pegelstände auf beiden Seiten des Untersees etwa gleich hoch sind, können die Warnstufen aufgrund unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen voneinander abweichen.

Das bestätigt auch Rüdiger Friese von der Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) Baden-Württemberg. „Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen, diese Dinge zu einzuordnen und zu klassifizieren“, erklärt der Hydrologe. Selbst innerhalb von Deutschland haben die verschiedenen Bundesländer kein einheitliches System.

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In Baden-Württemberg erfolgt die Einstufung laut Friese allein anhand von langjährigen statistischen Berechnungen, sogenannten Jährlichkeiten. Also in wie vielen Jahren das Ereignis statistisch einmal vorkommt. Die Gefahrenstufen bei Schweizer Seen basieren hingegen nicht auf statistischen Werten.

Dabei machen 25 Zentimeter den Unterschied zwischen Gefahrenstufe 4 und 5, wie Oosenbrug erklärt. Die Grenze für Gefahrenstufe 4 liegt bei der Hochwassergrenze – also bei der Höhe, bei der der See über das Ufer tritt. Die höchste Gefahrenstufe, die am Dienstagvormittag ausgerufen wurde, liegt 25 Zentimeter darüber. „Ab Gefahrenstufe 5 nimmt aber die Betroffenheit von Gebäuden deutlich zu“, so Oosenbrug. „Das heißt aber nicht, dass eine ganze Stadt unter Wasser steht.“

Das Wasser schwappt in Steckborn über die Ufer

In Steckborn in der Schweiz schwappt das Wasser aber tatsächlich schon an einige Gebäude entlang des Sees. „Momentan stehen die Parkanlagen und die Häuser entlang des Sees teilweise im Wasser“, schildert Dominic Jost, Leiter des Werkhofs.

Die Parkanlage in Steckborn entlang des Sees steht unter Wasser.
Die Parkanlage in Steckborn entlang des Sees steht unter Wasser. | Bild: Pascal Guegan

Das Restaurant Schiffländi am Hafen in Steckborn hat es erwischt: Hier ist das Wasser durch die Elektroleitungen in den Innenraum eingedrungen, erzählt Bernadette Hofer vor Ort. Deshalb muss sie das Wasser regelmäßig absaugen. „Man muss auch nachts aufstehen, um abzusaugen“, berichtet die Frau. Sie nimmt es dennoch noch gelassen: Aber wenn man an so einem schönen Ort wohnt, müsse man das halt hinnehmen, meint Hofer. „Sonst muss man nicht hier wohnen.“

Bernadette Hofer vom Restaurant Schiffländi in Steckborn saugt das eingedrungene Wasser ab.
Bernadette Hofer vom Restaurant Schiffländi in Steckborn saugt das eingedrungene Wasser ab. | Bild: Pascal Guegan

Seit Montag können Seeanwohner beim Werkhof Sandsäcke beziehen. Einige hätten davon bereits Gebrauch gemacht, so Werkhof-Leiter Jost. Manche Anwohner der Seestraße hätten auch eine Mauer vor dem Hauseingang erreichtet, um so ein Einlaufen des Wassers zu verhindern. Mehr Sicherheitsmaßnahmen seien derzeit jedoch nicht geplant.

„Wenn das Wetter trocken bleibt, dann fällt der Seepegel auch wieder relativ schnell“, erklärt Jost. Diesbezüglich sehe es aufgrund der Wettervorhersagen für die kommenden Tage auch ganz gut aus. Mit Sicherheit ließe sich das aber nicht einschätzen. „Wenn es wieder eine Woche lang regnet, fangen wir halt wieder von vorne an“, scherzt Jost.

Gaienhofen trifft Vorkehrungen

Auf der gegenüberliegenden Seite in Gaienhofen auf der Höri sieht die Lage etwas entspannter aus. Am Mittwoch standen nur Teile der Wege und Wiesen entlang des Ufers leicht unter Wasser.

Zwei Personen sitzen auf einer Bank in Gaienhofen, während das Wasser über den Seeweg schwappt.
Zwei Personen sitzen auf einer Bank in Gaienhofen, während das Wasser über den Seeweg schwappt. | Bild: Pascal Guegan

Aus Sicherheitsgründen seien ufernahe Fußwege in Gaienhofen und dem Ortsteil Hemmenhofen gesperrt worden, erklärt Jürgen Maas, Bürgermeister der Gemeinde. Derzeit bestehe aber keine unmittelbare Gefahr. „Kritisch wird es bei uns aber erst ab einem Pegelstand von 5,30 Meter“, so Maas. Der höchste Wasserstand am Untersee wurde am Dienstag gemessen, in Radolfzell wurde ein Pegel von 4,84 Metern vermeldet.

Jürgen Maas, Bürgermeister von Gaienhofen.
Jürgen Maas, Bürgermeister von Gaienhofen. | Bild: Johanna Stehle

Trotzdem habe die Gemeinde weitere Vorkehrungen getroffen. So habe man vorsorglich 10.000 Sandsäcke bestellt und einige bereits mithilfe der Feuerwehr befüllt. Außerdem seien Kanaldeckel abgedichtet worden, sodass im Falle eines weiteren Anstiegs des Pegels kein Bodenseewasser in die Kanäle fließt und die Kläranlage der Gemeinde überlastet wird. Doch mit einem weiteren Anstieg des Bodensees rechne man derzeit auch in Gaienhofen nicht.

Unwetter-Folgen in Öhningen

Das See-Hochwasser bereitet Öhningen keine großen Probleme, erklärt der Bauhofleiter Anton Osterwald. In der Nacht von Sonntag auf Montag traf allerdings ein Unwetter den Ort und sorgte für Überflutungen. So seien etwa Straßen, Wege und der Brandweiher mit Kies vollgespült worden. Auch im Wald gäbe es massive Schäden, so der Bauhofleiter. Er rechne mit schätzungsweise 100.000 bis 200.000 Euro Schaden.

„Wir werden noch Wochen Arbeit haben beim Bauhof, bis wir wieder alles einigermaßen aufgeräumt haben“, sagt Osterwald. Zudem gebe es derzeit noch Probleme mit der Wasserversorgung. Durch das Unwetter wurde das Trinkwasser verunreinigt, dass nun mithilfe von Chlor gereinigt wird.

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In der Nacht des Gewitters habe die Feuerwehr über 1000 Sandsäcke befüllt. Die lägen kostenlos im Bauhof bereit und könnten nun auch für ein See-Hochwasser genutzt werden. Doch bisher habe sich erst ein Hausbesitzer aus dem Ortsteil Wangen danach erkundigt, für den Fall, dass der Pegel weiter ansteigt. Aktuell sei aber lediglich der Hafen mit Wasser überspült. Schäden an Gebäuden gebe es nicht. „Also da ist es bei uns im Moment noch total entspannt“, sagt Osterwald.

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Entwicklung des Wasserstands

Am Donnerstagmorgen betrug der Wasserpegel am Untersee in Radolfzell 4,79 Meter. Den Prognosen zufolge soll der Pegel in den kommenden Tagen weiter sinken. Am Samstag rechnet die Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg mit einem Wasserstand von 4,75 Metern.