Beim Blick aus dem Fenster kommt die Erinnerung zurück. Vor zwei Jahren erlebte Familie Burkart aus Gaienhofen ihren persönlichen Albtraum. Das 700 Jahre alte Bauernhaus, das sie zum Teil selbst bewohnten und an Feriengäste vermieteten, geriet in der Nacht auf den 1. August 2018 in Brand.

Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt, alle Familienmitglieder und die 32 Feriengäste konnten sich retten. Es folgte ein Prozess wegen Brandstiftung, der aus Mangel an Beweisen mit einem Freispruch endete.

Gerne würde die Familie dieses Kapitel abschließen. Endlich wieder weiter machen. Doch noch klafft ein großes Loch mitten auf dem Anwesen der Burkarts.

Ein Brand zerstörte in der Nacht vom Dienstag, 31. Juli, auf Mittwoch, 1. August, das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen. Die ...
Ein Brand zerstörte in der Nacht vom Dienstag, 31. Juli, auf Mittwoch, 1. August, das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen. Die Feuerwehr war bis zum Mittwochmittag mit Löscharbeiten beschäftigt. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Die Burkarts sind Bauunternehmer. Sie wissen, wie man Häuser plant und baut, das gehört zu ihrer täglichen Arbeit. Doch ihr eigenes haben sie auch nach zwei Jahren noch nicht wieder aufbauen können. „Ständig rufen Feriengäste an und wollen wissen, wann sie wieder kommen können. Mir tut es jedes Mal weh, sie vertrösten zu müssen“, sagt Kerstin Burkart.

Baugenehmigung kommt mit der Anfrage des SÜDKURIER

Grund dafür war die damals ausstehende Baugenehmigung für den Neubau. Diese wird eine Woche später und nach einer offiziellen Anfrage des SÜDKURIER beim Landratsamt überraschend kommen, doch zum Zeitpunkt des Treffens mit der Familie wissen sie das noch nicht.

Sie berichten von ihrer Odysee mit den Behörden, den vielen Hürden, verlorenen Dokumenten und der Frustration, Tag für Tag auf die Ruine blicken zu müssen.

Neubau muss genau so sein wie das abgebrannte Haus

Drei Monate nach dem Brand ging Familie Burkart an die Planung für einen Neubau. Sie wollten genau das gleiche Gebäude wieder aufbauen. Einzige Änderung, das schnell brennbare Stroh, welches man für die Tiere brauche, sollte ausgelagert werden. Die Brandversicherung zahle nur einen Neubau „der gleichen Art und Güte“, erklärt Heinz Burkart.

Doch dann der erste Schock: Sämtliche Unterlagen und Genehmigungen für das abgebrannte Gebäude waren verschollen. Heinz Burkart vermutete, sie seien den Flammen zum Opfer gefallen. Doch auch im Landratsamt selbst war in den Archiven angeblich nichts zu dem vorherigen Bau zu finden. „Mir wurde gesagt, der Bau, der 700 Jahre bei uns im Hof stand, sei illegal“. Heinz Burkart ist fassungslos.

Feuer zerstört das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen auf der Höri. Die Polizei vermutet Brandstiftung. Noch in der Nacht ist ...
Feuer zerstört das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen auf der Höri. Die Polizei vermutet Brandstiftung. Noch in der Nacht ist ein Tatverdächtiger festgenommen worden. In dem Hofgut befanden sich zur Tatzeit 34 Personen. | Bild: Matthias Güntert

Im Winter 2018/2019 starb der Großvater der Familie, Albert Burkart. Beim Durchsehen der Sachen des Großvaters – er war zuletzt nicht mehr auf dem abgebrannten Hofgut untergebracht – stieß die Familie auf ein Geheimfach in einem Schrank. Dort waren alle Unterlagen versteckt gewesen, die das historische Hofgut betreffen.

Endlich könne es losgehen, dachten die Burkarts. Denn auch im Landratsamt seien zufällig die vermissten Unterlagen wieder aufgetaucht, berichtet Heinz Burkart. Angeblich im falschen Archiv abgelegt, sei die Erklärung gewesen.

Immer wieder neue Aufträge und Gutachten

Doch dann ging die nächste Gedultsprobe für die Familie los. „Wir wollten einen Bauantrag stellen, doch immer wieder hieß es, es würde noch etwas fehlen“, erinnert sich Kerstin Burkart an das Jahr 2019. Die Untere Baurechtsbehörde im Landratsamt habe diverse Gutachten gefordert, wie zum Beispiel für Brandschutz und Statik. „Aber alles kam immer nur tröpfchenweise, das hat sich über Monate gezogen“, sagt Kerstin Burkart.

So langsam drängte auch die Zeit. „Die Brandschutzversicherung bezahlt nur innerhalb von drei Jahren, wenn bis dahin kein Baubeginn stattfindent, erhalten wir kein Geld“, erklärt Heinz Burkart. Und hier gehe es um die Existenz, denn der Neubau solle etwa vier Millionen Euro kosten. Diesen Betrag erwarte man von der Versicherung.

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Doch alles zog sich noch weiter in die Länge. Ein weiterer Höhepunkt sei der Antrag auf zwölf Stellplätze für das Gebäude gewesen. Eingereicht habe die Familie ihn am 24. Januar 2020. Eine Eingangsbestätigung erhielten sie am 2. Juli 2020. „Wir haben keine Ahnung, wieso das Schreiben sechs Monate lang auf irgendeinem Schreibtisch lag“, sagt Kerstin Burkart ärgerlich.

Das Landratsamt erklärt es so: „Die Verzögerung war ausschließlich einem längeren personellen Engpass in der Baurechtsbehörde geschuldet“, schreibt Marlene Pellhammer, Sprecherin des Landratsamtes Konstanz auf Nachfrage.

Ein Brand zerstörte in der Nacht vom Dienstag, 31. Juli, auf Mittwoch, 1. August, das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen. Die ...
Ein Brand zerstörte in der Nacht vom Dienstag, 31. Juli, auf Mittwoch, 1. August, das historische Hofgut Balisheim in Gaienhofen. Die Feuerwehr war bis zum Mittwochmittag mit Löscharbeiten beschäftigt. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Nachdem weitere Auflagen – laut Kerstin Burkart waren diese 21 Seiten lang – erfüllt wurden, war es endlich soweit, dass die Burkarts den Bauantrag stellen konnte. Anfang Mai dieses Jahres hätten sie die Unterlagen via E-Mail und per Einschreiben mit Rückschein an das Landratsamt geschickt.

Nach sechs Wochen ohne Rückmeldung kam nach einer Nachfrage bei der Unteren Baurechtsbehörde der nächste Schock: Der Bauantrag sei nicht angekommen, habe es geheißen. Weder per Mail noch per Einschreiben. Bei der Familie Burkart lagen die Nerven blank.

Familie würde das Kapitel gerne abschließen

„Wir würden das Ganze gerne abschließen und weitermachen. Ein Brand ist schlimm genug, aber alles was danach kam, war ehrlich gesagt noch viel schlimmer“, sagt Heinz Burkart. Eigentlich habe er sich zur Ruhe setzen wollen, die Firma den Kindern übergeben und die Rente genießen. Doch seit zwei Jahren mache er nichts anders, als sich mit den Behörden beschäftigen.

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Nach über einem Monat habe das Landratsamt den Antrag wieder gefunden, berichtet Kerstin Burkart. Die Baugenehmigung erhielt die Familie Burkart Anfang August zeitgleich mit der Antwort der Pressestelle auf die SÜDKURIER-Anfrage.

Auf die Frage, warum das Ganze so lang gedauert habe, teilt die Pressestelle mit: „Aus Datenschutzgründen kann hierzu nicht detailliert Stellung genommen werden. Allgemein kann aber gesagt werden, dass das Verfahren als sehr komplex bezeichnet werden kann und die lange Verfahrensdauer vor allem auf die aufwändige Klärung vieler Detailfragen des Bauvorhabens zurückzuführen ist“, schreibt Marlene Pellhammer.

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Die Baugenehmigung ist für Familie Burkart jedoch kein Befreiungsschlag. Man habe auf Verlangen des Landratsamtes einen Prüfstatiker engagiert. „Das macht alles teurer und komplizierter und eigentlich sind wir der Ansicht wir brauchen das nicht“, so Kerstin Burkart. Aus diesem Grund habe man bisher nur die Erlaubnis die Bodenplatten zu gießen. Jeden weiteren Schritt müsse der Prüfstatiker genehmigen. „Wer weiß, was noch auf uns zukommt“, sagt sie.