Ohne jede Gefühlsregung nimmt der 43-Jährige die Verlesung der Anklageschrift auf. Vielleicht versteht er auch nicht, was gesprochen wird. Der Mann aus Paraguay versteht etwas Deutsch, ihm wurde aber ein Übersetzer an die Seite gestellt. Für den Fall, dass er nicht folgen kann. Dieser wird aber selten zu Rate gezogen. Jetzt sitzt er nur da und starrt ins Leere.
Staatsanwaltschaft klagt wegen versuchten Mordes an
Versuchter Mord, heimtückisch und aus niederen Beweggründen, in neun Fällen werden ihm zur Last gelegt. Er soll bewusst am späten Abend des 31. Juli 2018 unter den Wohnräumen von Kerstin Burkart ein Feuer gelegt haben. Aus Rache, dass er entlassen worden war.

Der Familie Burkart gehört das Anwesen, fast die ganze Familie wohnt auf dem Grundstück. Der Angeklagte war einige Jahre bei ihnen angestellt. Sein Arbeitsverhältnis endete jedoch genau an diesem Tag, dem 31. Juli.
Angeklagter macht keine Aussage
Zu den Vorwürfen schweigt der Angeklagte vor Gericht. Ob er sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern möchte, das ließ sein Anwalt, Björn Bilidt aus Radolfzell, noch offen. Er selbst verliest nur eine kurze Stellungnahme zur Person des Angeklagten.
Geboren in einem kleinen Dorf in Paraguay, nach sechs Jahren Schule fing er an zu arbeiten. Eine Ausbildung hatte er nicht. Der Wunsch nach einem besseren Leben führte ihn nach Deutschland, seit 2011 war er auf Hof Balisheim als Hilfsarbeiter angestellt. Dort lebte er mit seiner Ehefrau und den Kindern.
Sein schweres Alkoholproblem sei bekannt gewesen
Von Anfang an, so berichtet Kerstin Burkart in ihrer Aussage, habe man das Alkoholproblem des Angeklagten bemerkt. Doch er habe sich auch Mühe gegeben und lange Zeit sei das kein Problem gewesen.
Zumindest nicht bei der Arbeit. Privat soll der unscheinbare und unauffällige Mann als aggressiv und gewaltbereit gegolten haben. Andere Mitarbeiter hatten Angst vor ihm.
Probleme begannen, als ihn seine Frau verlassen hat
Ende 2017 soll ihn dann seine Frau mit den zwei eigenen und dem Stiefkind verlassen haben. Ab da habe sei er in eine Abwärtsspirale geraten. Nach einigen Alkoholexzessen, Diebstählen und Lügen habe Kerstin Burkart den Angeklagten entlassen.
Am Tag des Brandes habe es noch einmal telefonisch Diskussionen gegeben, da er die Kündigung nicht akzeptieren wollte. „Er hat mich angebettelt, er war richtig verzweifelt“, beschreibt sie die Szene.
Da er in einer Betriebswohnung lebte, drohte ihm mittelfristig auch die Obdachlosigkeit. „Ich hatte Angst, dass er etwas macht, er hatte schließlich nichts mehr zu verlieren“, sagte sie.
Zur Tatzeit soll der Angeklagte stark betrunken gewesen sein
Wochen vor dem Brand hatte der Angeklagte Kerstin Burkart nachts über eine Handynachricht seine Liebe gestanden und um ein Treffen gebeten. Sie sei darauf jedoch nicht eingegangen.
Sie schob es auf den Alkohol. "Ich habe das Gefühl, wenn er getrunken hat, erinnert er sich nicht mehr an alles". Am Abend des Brandes hatte er laut medizinischem Gutachten einen Alkoholwert von 2,1 bis 2,8 Promille.
Zeugin berichtet von der dramatischen Brandnacht
Später am Abend habe sie ihre Kinder zu Bett gebracht. Sie selbst wollte sich auch zum Schlafen legen, als Feriengäste des Hofgutes, die noch länger hinters Haus sassen, gegen 22.15 Uhr das Feuer bemerkten.
Bei den Schilderungen dieser Szenen bricht sie immer wieder in Tränen aus. Ihr jüngster Sohn sei gerade einmal sechs Monate alt gewesen. Die älteren Kinder habe sie an den Flammen vorbei aus dem Haus scheuchen müssen.
Alle konnten sich aus den Flammen retten
Verletzt wurde bei dem Feuer wie durch ein Wunder niemand. Auch die Feriengäste und anderen Hausbewohner konnten sich rechtzeitig aus dem Haus retten.
Technischer Defekt wird nicht ausgeschlossen
Ein technischer Defekt als Ursache für den Brand wird allerdings noch nicht ausgeschlossen. Laut Kerstin Burkart habe man erst im Frühjahr 2018 einiges am historischen Hofgut gemacht, unter anderem auch die Stromanschlüsse. Ein neuer Stromkasten sei installiert worden.
Andere Zeugen hätten außerdem berichtet, das Licht in der Küche habe zum Teil nicht funktioniert. Als Ursprung des Feuers wurde jedoch der Durchgang in der Mitte des Hauses lokalisiert.
Freispruch oder lebenslange Haftstrafe?
Der Schaden wird laut der Familie Burkart auf 2,5 bis 28 Millionen Euro geschätzt. Es sind insgesamt sechs Verhandlungstage veranschlagt, 30 Zeugen und drei Gutachter werden zur Klärung dieses Falls beitragen. Dem Angeklagten droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Haftstrafe.