Das Urteil war für Prozessbeobachter nicht überraschend. Der 43-jährige Angeklagte wurde freigesprochen. Im wurde zur Last gelegt, am 31. Juli 2018 das Hofgut Balisheim absichtlich in Brand gesetzt zu haben, um die darin befindlichen Personen zu töten. Versuchter Mord in neun Fällen lautete die Anklage. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer lebenslänglich für den Hilfsarbeiter aus Paraguay.

Doch fehlten letztlich die Belege, die seine Schuld eindeutig nachweisen. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer am Konstanzer Landgericht, Taso Marek Bonath, fasste zusammen, dass man niemanden verurteilen könne, wenn es Zweifel gebe.
Und dass der 43-Jährige den Brand gelegt habe, sei nicht feststellbar, allerdings auch nicht gänzlich auszuschließen. In dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten.
Die Brandursache ist weiterhin unklar
Auf diesem juristischen Grundsatz stützte auch der Radolfzeller Rechtsanwalt Björn Bilidt sein Plädoyer und forderte Freispruch für den Angeklagten. Nicht nur, dass seinem Mandanten die Brandstiftung nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Die Ursache für das verheerende Feuer auf Hof Balisheim selbst habe vor Gericht nicht eindeutig geklärt werden können.
Defekt ist nicht auszuschließen
Eine Argumentation, der auch die Strafkammer folgte. Die Brandursache sei in keinster Weise eindeutig belegt. Ein Versehen, Zufall oder doch einen technischen Defekt hätten die Gutachter nicht ausschließen können.
Für Rechtsanwalt Bilidt klar ein Indiz, welches für seinen Mandanten spräche. Auch ein anderer, bislang unbekannter Brandstifter, sei eine mögliche Option. Die am Brandort gefundenen Benzinrückstände hätten, da waren sich Bilidt und die Strafkammer einig, auch durch Landmaschinen dort hingekommen sein.
Mehrere Zeugen hatten im Vorfeld angegeben, dass an dieser Stelle öfter einmal zum Beispiel der Rasenmäher stand und dort auch betankt wurde. Dass es sich um den Brandbeschleuniger handle, sei reine Spekulation.
Ein weiteres Indiz, was gegen den Angeklagten sprach, waren verbrannte Haare an der rechten Hand. Dies deutete die Staatsanwaltschaft als klares Indiz für eine Beteiligung am Feuer. Die Gutachter gaben jedoch zu bedenken, dass diese Form von geringfügiger Verbrennung auch im Alltag, zum Beispiel beim Anzünden einer Zigarette, entstehen könne.
Für den Vorsitzenden Richter Bonath kein eindeutiger Beweis für eine Brandstiftung. Ebenso wenig aussagekräftig seien etwaige Rückstände von Benzin an Händen und der Kleidung.
Benzinrückstände sind schwer nachzuweisen
Die Gutachterin hatte angegeben, dass gerade Benzin so schnell verdunste, dass man nur in den seltensten Fälle Benzin an Händen oder Kleidung feststellen. Ein negativer Befund sage nichts darüber aus, ob da je Benzin im Spiel war oder eben nicht. Erneut keine eindeutige Beweislage.
Was die Strafkammer jedoch als gegeben ansah, waren das Motiv und die Tatsache, dass der 43-Jährige zur Tatzeit mit seinem Fahrrad unterwegs war. Dass seine Kündigung und die Abnahme der Firmenschlüssel für den Hilfsarbeiter ein schwerer Schock gewesen seien, wäre nachvollziehbar.
Der Angeklagte radelte häufig herum
Auch dass er am Abend des Brandes unterwegs und nicht zu Hause war, sei erwiesen, so Bonath. Mehrere Personen hätten ihn auf dem Fahrrad identifiziert. Allerdings habe keiner ihn auf dem Hofgut gesehen. Viele Indizien, so der Vorsitzende Richter, seien nur Konstrunktion der Dinge, die man nicht wisse. Seine Unschuld sei zwar nicht eindeutig nachgewiesen, aber auch nicht seine eindeutige Schuld.
Verteidiger Björn Bilidt sah seinen Mandanten hingegen als Sündenbock. Er sei ein Sonderling, ohne viele soziale Kontakte und schwer alkoholkrank. In der Gemeinde habe es viele Gerüchte und Gerede gegeben, das meiste habe vor Gericht nicht standhalten können.
Gerüchte haben den 43-Jährigen belastet
So wurde dem 43-Jährigen nachgesagt, er habe massiv Frauen belästigt. Eine der angeblichen Opfer sagte jedoch aus, er habe ihr lediglich eine Freundschaftsanfrage im sozialen Netzwerk gestellt, die sie abgelehnt habe.
Die gesamte Anklage stütze sich auf Indizien, die alle bewusst gegen den Angeklagten ausgelegt worden seien. Vor Gericht gelte jedoch „Im Zweifel für den Angeklagten“ und aus diesem Grund müsse er freigesprochen werden, so Bilidt.

Für den Staatsanwalt sah die Sache hingegen völlig anders aus. Er hatte lebenslänglich für den 43-Jährigen gefordert. Auch er sprach von einem Tatnachweis allein durch Indizien. Jedes einzelne Indiz könne widerlegt werden. Doch in der Summe gesehen, würden die Indizien eine deutliche Sprache sprechen.
Der Angeklagte sei an dem Tatabend gesehen und identifiziert worden. Zwar nicht am Hof direkt, aber kurz nachdem der Brand entdeckt wurde auf dem Heimweg. Er solle auch einen erheblichen Umweg gefahren sein, um nicht auf dem direkten Weg von Hof Balisheim gesehen zu werden, schlussfolgerte Staatsanwalt Karol Thalheimer. Auch sei für die Staatsanwaltschaft eine Brandstiftung als Brandursache am wahrscheinlichsten.
Mann ist schwer alkoholabhängig
Der psychologische Gutachter habe auch dargelegt, dass der 43-Jährige nicht nur ein starker Alkoholiker sei, sondern auch zu unberechenbarem Verhalten neige, nachdem er getrunken habe. Die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt sei deswegen bei einer Verurteilung angebracht.
Auch weil laut Gutachter durchaus eine gesteigerte Wiederholungsgefahr vorliege. Trotz hohen Alkoholkonsums sei die Schuldfähigkeit beim Angeklagten nicht vermindert gewesen, da er gewohnheitsmäßig viel Alkohol trinke.
Prozess ging über fünf Verhandlungstage
Für die drei Richter und zwei Schöffen der Strafkammer waren diese Indizien nicht schwerwiegend genug, um den 43-Jährigen zu einer lebenslänglichen Strafe zu verurteilen. Der Prozess wurde über insgesamt fünf Verhandlungstage geführt. Gehört wurden neben insgesamt 30 Zeugen auch drei Gutachter.
Zum Verfahren
Bereits vor Eröffnung, war der Prozess gegen den 43-Jährigen umstritten. Das Landgericht hatte ursprünglich die Anklage der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Auch der Tatverdächtige, der seit mehr als fünf Monaten in Untersuchungshaft saß, musste nach dem Urteil des Landgericht freigelassen werden. Dies wollte die Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren und hatte beim Oberlandesgericht Einspruch eingelegt. Sie forderten eine Prozesseröffnung und die Inhaftierung des Verdächtigen. Und hier haben im Grunde beide Parteien Recht bekommen. Das OLG entschied, dass der Prozess beginnen könne, da ein hinreichender Tatverdacht gegen den 43-Jährigen bestünde. Aber er weiterhin auf freiem Fuß bleiben müsse, da der Tatverdacht nicht dringend sei. Der Angeklagte wurde in Paraguay geboren, arbeite aber seit mehreren Jahren in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft hatte Sorge, er würde sich noch vor dem Prozess zurück nach Südamerika absetzten, doch dies war nicht geschehen. (ans)