Dass die Gemeinden einmal als Arbeitgeber für Ärzte auftreten würden, hatten sich die Bürgermeister von Gottmadingen und Gailingen, Michael Klinger und Thomas Auer, bis vor rund zwei Jahren kaum vorstellen können. Umso erstaunlicher ist, wie es nun mit dem gemeinsamen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) vorangeht. Nach der Gründung der GmbH sind nun Räume gefunden, bereits im Juli 2025 soll es darin losgehen.
Schon die Gemeinderatsbeschlüsse in den beiden Kommunen für die Gründung dieser medizinischen Einrichtung waren im Eiltempo gefasst worden, nachdem klar wurde, dass die hausärztliche Versorgung in den beiden Dörfern in einen Notstand geraten würde. Viele Allgemeinärzte haben das Rentenalter längst erreicht und geben nach und nach ihre Praxen auf. In Gottmadingen hatte sich eine kleine Bürgerinitiative gegründet, die von der Gemeinde ein Gegensteuern forderte. Dabei sind eigentlich die Krankenkassen für die medizinische Grundversorgung zuständig.
Doch die Krankenkassen vergeben zwar die Arztsitze; für die personelle Ausstattung fühlen sie sich jedoch offenbar nicht verantwortlich. Aus diesem Dilemma heraus haben sich unterversorgte Kommunen deutschlandweit auf das Modell der Medizinischen Versorgungszentren gestützt. Das bedeutet, dass die Gemeinden Praxisräume bauen oder anmieten und die benötigten Hausärzte für die dort entstehenden Stellen einstellen. Eine neue Aufgabe, die auf die Kommunen bisher nicht vorbereitet waren.
Der Vorteil für die Ärzte besteht darin, dass sie sich ganz auf die Behandlung der Patienten konzentrieren und die Bürokratie abgeben können. Weitere Vorteile des Angestelltenverhältnisses sind geregelte Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle. Das ist besonders für jüngere Ärztinnen in der Familienplanung interessant. Der Landarzt, der Tag und Nacht für seine Patienten zur Verfügung steht, wird mehr und mehr zum Auslaufmodell.
Praxis-Gründung als Kraftakt für die Kommunen
Was in der Theorie bestechend daher kommt, werde in der Umsetzung zum Kraftakt, wie die Bürgermeister im Hegau feststellen mussten. So auch in Gottmadingen. Umso größer ist die Freude nun darüber, dass man zusammen mit der Sparkasse Engen-Gottmadingen eine Lösung gefunden hat. Denn es geht ja auch darum, entsprechende Räume für ein MVZ anbieten zu können.
Hier kommt Andrea Grusdas ins Spiel. „An Anfang war es nur eine flapsige Idee“, erzählt sie. Michael Klinger habe sie gefragt, ob die Gemeinde nicht das unbebaute Nachbargrundstück für den Neubau eines MVZ kaufen könne.

„Warum bauen, wenn wir doch im Sparkassen-Altbau so viel freie Kapazität haben“, hatte die Vorstandsvorsitzende gesagt. Das sah die beteiligte Unternehmensberaterin Gabriele Dostal genauso. Bei einem gemeinsamen Informationsaustausch über MVZ mit Singens Verwaltungsspitze hatten Klinger und Auer die Unternehmensberaterin aus Niederbayern kennengelernt.
Drei Ärzte stehen schon fest
Bis Ende 2023 hat sie nach eigenen Aussagen mit ihren Partnern in der Management-Gesellschaft jedes dritte der bundesweit insgesamt 43 kommunalen MVZ gegründet. Seit 1. April ist sie nun auch die Geschäftsführerin der „MVZ Gottmadingen Gailingen GmbH“. Die startet mit den beiden ortsansässigen Allgemeinärzten Joachim Kaiser in Gottmadingen und Michael Psczolla in Gailingen. Von einem dritten Arzt, der zum 1. Januar 2025 in Gottmadingen anfangen will, habe sie eine „absolute Zusage“ bekommen.

Auch wenn die Gemeinden nicht gerade erfreut auf die zusätzliche Aufgabe reagiert haben, so ist die Freude nun umso größer, nachdem eine Lösung so zügig gefunden wurde. Und auch Andrea Grusdas sprüht vor Energie, wenn sie von dem Projekt erzählt. Erst vor wenigen Tagen hatte der Gottmadinger Ausschuss für Technik und Umwelt dem Umbau der alten Sparkasse zugestimmt. Die tatsächliche Freigabe des Bauantrags muss allerdings noch von der Baubehörde im Landratsamt kommen.
Sparkasse ist froh, neue Nutzung für leere Büros zu finden
„Für uns ist die neue Nutzung leer stehender Räume im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss ein Gewinn“, sagt Sparkassendirektorin Andrea Grusdas. Die Sparkasse benötigt seit der zunehmenden Digitalisierung weniger Personal und damit weniger Büroräume. Die sollen jetzt zu Praxisräumen mit 15 Sprech- und Behandlungszimmern mit Labors umgebaut werden. Das Dachgeschoss will die Bank selbst weiternutzen. Gleich neben dem Eingang soll ein Fahrstuhl eingebaut werden. Das Dach werde energetisch saniert.
Mit dem Singener Architekturbüro Michael Graf habe man einen sehr kompetenten Partner gefunden, sagt Grusdas. „Die haben viel Erfahrung mit dem Umbau im Bestand und denken von der Nutzung her.“ Auch Michael Klinger lobt das Tempo der Planung. „Wir haben das Projekt in einem halben Jahr ausgearbeitet“, erklärt er. Im September will die Sparkasse mit dem Umbau beginnen. Man hoffe, dass sich viele heimische Handwerker an der Ausschreibung beteiligen, so Grusdas. Anfang Juli 2025 will die Gemeinde das MVZ eröffnen.
Gemeinde Gailingen hat sich als Vorreiter positioniert
Gailingen hat diesen Prozess schon vor ein paar Jahren vollzogen. Dort hatte die Gemeinde ehemalige Räume der Volksbank übernommen und zu Praxisräumen umgebaut. Der dortige Landarzt Michael Psczolla wolle noch drei Jahre weiterarbeiten, weiß Thomas Auer. Er freut sich als kleinerer Partner über die Zusammenarbeit mit Gottmadingen. Gailingen hält ein Drittel der Anteile an der GmbH, Gottmadingen als größere Gemeinde zwei Drittel. Auer weiß aber auch: „Das Risiko für das MVZ haben wir als Unternehmer“.