Kindergartenplätze sind in Gottmadingen eigentlich rar. Die Gemeinde schreibt auf Anfrage: „Die Auslastung der Kindertageseinrichtungen ist insgesamt hoch.“ Am Rande eines Waldgebietes zwischen Gottmadingen und Hilzingen sieht die Lage aber anders aus. Der Natur-Waldorf-Kindergarten Morgenstern sucht sogar per Anzeige nach Kindern. Das hat auch mit der Personalsituation zu tun, unter anderem gab es einen Wechsel in der Kindergartenleitung.

Der Kindergarten liegt in der freien Natur. Zwei Bauwägen bieten Schutz vor Wind und Wetter: Der „Fuchsbau“ dient den älteren Kindern und der „Igelbau“ den jüngeren – eigentlich. Denn momentan sind die Wagen zwar beide in Benutzung, es gibt aber nur eine Gruppe. Das berichtet die neue Kindergartenleiterin Isabel Höldke. Grund dafür sei unter anderem die momentan geringe Kinderzahl. „Wir hoffen, dass wir wieder mehr Kinder bekommen, um dann vielleicht auch wieder zweigruppig zu werden“, sagt die Erzieherin. Momentan gingen 13 Kinder in den Kindergarten, es gebe aber eine Betriebserlaubnis für 35 Kinder.

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Erzieherisches Mischkonzept

Der Naturkindergarten ist keinesfalls ein gewöhnlicher Kindergarten, denn er vereint mehrere pädagogische Konzepte. Zunächst einmal arbeiten die Erzieher nach den vier Prinzipien der Waldorfpädagogik: „Rhytmus und Wiederholung“ sowie „Vorbildung und Nachahmung“. Diese Ausrichtung ist laut Isabel Höldke im Tages- und Wochenrhythmus des Kindergartens spürbar. „Was bedeutet, dass wir jede Woche an denselben Tagen dieselben Sachen machen“, sagt die Erzieherin. Mittwochs bereiten die Kinder beispielsweise Müsli zu und es ist Putztag. Donnerstags backt die Gruppe Brötchen, geht spazieren oder in den Wald. Am Freitag steht unter anderem Eurythmie auf dem Plan. Das ist die waldorfpädagogische Bewegungserziehung.

Isabel Höldke leitet seit kurzem den Kindergarten. Sie bringt nach eigenen Angaben viel Erfahrung in der Waldorfpädagogik mit.
Isabel Höldke leitet seit kurzem den Kindergarten. Sie bringt nach eigenen Angaben viel Erfahrung in der Waldorfpädagogik mit. | Bild: Kilian Nagel

Zusätzlich zum Waldorfkonzept integriert der Kindergarten die Naturpädagogik. Der Kindergarten war im letzten Jahr in die Natur umgezogen, wie auf der Webseite der Gemeinde Gottmadingen zu lesen ist. „Dann hat sich das so angeboten, dass wir die Naturpädagogik mit in unser Konzept aufnehmen“, erzählt Erzieherin Caroline Mollweide. Durch die naturpädagogische Ausrichtung sind die Kinder viel in der Natur, sagt Leiterin Isabel Höldke. Sie sollen den jahreszeitlichen Rhythmus am eigenen Leib erleben, berichtet die Leiterin.

Einer der Bauwägen von innen. Die Wägen sind beheizt und verfügen über Toiletten.
Einer der Bauwägen von innen. Die Wägen sind beheizt und verfügen über Toiletten. | Bild: Kilian Nagel

Natur- und Waldorfpädagogik hängen nicht automatisch zusammen. „Es sind eigentlich zwei unterschiedliche Konzeptionen, die zusammengeführt wurden“, erklärt Höldke. Es gäbe aber bereits viele Waldorf-Naturkindergärten. Für das Team des Gottmadinger Kindergartens ist das Konzept aber ungewohnt: „Tatsächlich ist es für uns eher etwas Neues. Wir müssen uns da ein bisschen reinarbeiten“, sagt Höldke.

Personalengpässe führten zu geringer Auslastung

Von den Erzieherin im Gottmadinger Kindergarten wird Lernfähigkeit gefordert, denn keiner von ihnen hat die Zusatzausbildung zum Waldorferzieher absolviert. Momentan sucht der Kindergarten laut der Leiterin nach einer solchen Fachkraft. Isabel Höldke selbst hat laut Eigenaussage viel Waldorferfahrung. Sie sei selbst als Kind in einen Waldorfkindergarten gegangen und habe später in mehreren gearbeitet. Sie ist nach eigenen Angaben staatlich anerkannte Erzieherin. Auch sie habe sich die waldorfpädagogischen Erziehungsmethoden bei der Arbeit angeeignet.

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Noch eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Waldorferzieherin zu absolvieren, kommt für sie derzeit nicht infrage. Neben den Kosten würde sonst auch wichtige Arbeitszeit von ihr abverlangt: „Ich bin jetzt erstmal hier und baue das auf“, sagt sie. Bevor sie die Stelle antrat, hatte der Kindergarten mit personellen Engpässen zu kämpfen, erklärt Höldke. Gerade der waldorfpädagogische Aspekt sei in dieser Zeit untergegangen, sagt sie. „Weil vieles drunter und drüber ging, haben dann viele Eltern gesagt: ‚Ok, das ist nicht mehr so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir suchen uns was Neues.‘“ Nun sollen wieder Eltern für den Kindergarten begeistert werden.

Eltern engagieren sich im Vorstand

Am Tag der offenen Tür, Mitte September, waren auch die Eltern Miriam und Lucian-Berndt Dreier anzutreffen. Die beiden haben zwei Kinder. Eines davon geht schon seit März in den Naturkindergarten, das andere soll noch folgen. Die Eltern gingen einst selbst in einen Waldorfkindergarten, erzählen sie. Die waldorfpädagogische Ausrichtung war ihnen bei der Kindergartenwahl wichtig: „Mit der Natur zusammen war das für uns ein Jackpot“, sagt Miriam Dreier. Die beiden engagieren sich auch im Vorstand des Kindergartens. Lucian-Berndt Dreier hat deswegen einen Überblick über dessen Finanzen. Der Beitragssatz, den die Eltern zahlen, sei wie bei den anderen Kindergärten in Gottmadingen. „Plus noch eine kleine Waldorfzulage und Essenszulage“, ergänzt er. Diese beträgt weitere 30 Euro pro Monat.

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Alle Eltern und Mitarbeiter seien automatisch Mitglieder des Vereins „Freunde der Waldorfpädagogik“. Dieser betreibt den Kindergarten und finanziert sich durch die Bezuschussung der Gemeinde und die Beiträge der Eltern. Die geringe Kinderzahl sorge dafür, dass die Kosten weniger durch die Beiträge gedeckt würden. Der Kindergarten würde aber ohnehin nie kostendeckend arbeiten können. Er fügt hinzu: „Man kann jetzt nicht sagen, dass man jetzt, nur weil es wenige Kinder sind, voll ins Minus arbeitet. Das tun wir auch sonst.“ Das sei bei Kindergärten normal. Die geringe Auslastung sei dennoch „ein großer Dorn im Auge“ der Gemeinde Gottmadingen. Die Gemeinde Gottmadingen teilt auf Anfrage zu ihrer Kindergartenplanung mit, Ziel sei es „im Sinne einer wirtschaftlichen Planung keine dauerhaft hohen Leerstände vorzuhalten.“

Lucias-Berndt Dreier, Miriam Dreier und die gemeinsame Tochter Juna. Ihr Sohn geht bereits in den Kindergarten, die kleine Juna soll ...
Lucias-Berndt Dreier, Miriam Dreier und die gemeinsame Tochter Juna. Ihr Sohn geht bereits in den Kindergarten, die kleine Juna soll 2027 folgen. Die Eltern engagieren sich im Vorstand des Kindergartens. | Bild: Kilian Nagel

Bei der Vergabe der Kindergartenplätze stellt der Naturkindergarten laut der Gemeinde Gottmadingen eine Besonderheit dar. Während alle anderen Kindergärten nur Plätze an Kinder aus der Gemeinde vergeben, stehe der Naturkindergarten momentan auch Kindern aus den umliegenden Gemeinden offen. Grund dafür sei die „besondere pädagogische Ausrichtung“.