Wanderschuhe wären jetzt richtig. Das hätte man sich eigentlich denken können. Wenn man mit dem Gottmadinger Umweltbeauftragten, Gemeinderat und Vorsitzenden des BUND-Kreisverbandes Konstanz verabredet ist, bleibt es nicht bei der Theorie.
Täglich ist Eberhard Koch mit seinen Helfern im Gelände, um die Biotope zu pflegen. Seine Mission: „Die Lebensräume für Flora und Fauna müssen vernetzt werden. Nur so lässt sich das Artensterben aufhalten.“
Pasteurisiergerät zum Ausleihen als Anreiz
Wie die Naturschützer das in Gottmadingen erreichen wollen und zum Teil auch schon erreicht haben, wollte die Grünen-Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger wissen. Und mit ihr die baden-württembergische Landesvorsitzende des BUND, Sylvia Pilarsky-Grosch.
Zum Aufwärmen und Gedankenaustausch trifft man sich im BUND-Stützpunkt in Gottmadingen. Eberhard Koch und seine Helfer führen die beiden Frauen zunächst einmal in die Werkstatt. Hier stehen das Geschirrmobil und zwei Pasteurisiergeräte.

Was noch vor wenigen Jahren beinahe exotisch klang, ist in Gottmadingen heute zur Selbstverständlichkeit geworden. Das Geschirrmobil, das zum Selbstkostenpreis ausgeliehen werden kann, ist im Dauereinsatz, wenn nicht gerade Pandemie herrscht.
Mit den Pasteurisiergeräten stellen die Besitzer von Streuobstwiesen ihren eigenen Saft her. „Jetzt stehen die Maschinen in der Werkstatt, weil sie hier gewartet werden, um für den Herbst wieder einsatzbereit zu sein“, wie Jan Sommer und Pia Vogel erklären. Die beiden absolvieren ihren Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) und ein freiwilliges soziales Jahr beim Gottmadinger BUND.
Aufwand soll belohnt werden
Es hört sich nicht gerade wirtschaftlich an, wenn Maschinen so lange ungenutzt herumstehen. Und prompt kommt auch die Frage von Sylvia Pilarsky-Grosch, wie oft die Maschinen im Einsatz sind. Für Koch ist der finanzielle Aspekt sekundär. Ihm geht es um den Artenschutz, und dazu gehört eben auch der eigene Apfelsaft.
Wie das zusammenpasst? „Wir haben großes Interesse daran, dass die Besitzer von Streuobstbäumen ihren eigenen Saft herstellen können“, sagt Koch. „Streuobstwiesen sind extrem wertvolle Lebensräume für Insekten. Die Pflege ist mit Aufwand verbunden. Und wer sich darum kümmert, der will auch am Ende das eigene Produkt genießen, von dem er weiß, dass es garantiert biologisch erzeugt wurde.“
Unterstützung für die Pflege von Naturschutzflächen
Das Problem ist, dass viele Besitzer von Streuobstwiesen den Aufwand scheuen. Mittlerweile ist die kleine Gruppe auf so einer Wiese angekommen. Auf der lichten Wiese stehen die Obstbäume aus dem Pflanzprojekt der Firma Cowa, die für jeden Neukunden einen Apfelbaum pflanzt, beschriftet und das Mulchen der Wiese bezahlt.
„Das Schnittprogramm des Landes ist eine tolle Sache“, lobt Eberhard Koch in Richtung Grünen-Politikerin. Was er meint, ist, dass man für den fachgerechten Baumschnitt auf Streuobstwiesen eine Förderung vom Land bekommen kann.
Wehinger legt gleich eine Zahl nach: „Alleine der Kreis Konstanz bekommt 1,4 Millionen Euro vom Land für die Pflege von Naturschutzflächen.“ Die Pflege werde zu 90 Prozent von den Landwirten übernommen, ergänzt Koch.
Ukraine-Krieg führt dazu, dass Maßnahmen infrage gestellt werden
Durch diese Regelung habe der Interessenkonflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz deutlich entschärft werden können, bestätigt auch Sylvia Pilarsky-Grosch. Das gilt nicht nur für die Obstwiesen, sondern für alle landwirtschaftlichen Flächen, die nicht mehr intensiv, sondern extensiv bewirtschaftet werden, also mit geringem Kapital- und Arbeitseinsatz und auch geringerem Ertrag.
Bedenklich sei allerdings, dass der Natur- und Artenschutzgedanke durch den Krieg in der Ukraine wieder infrage gestellt werde. Weil die Getreide- und Ölsaatenproduktion in dem von Russland attackierten Land stockt, droht auf dem Weltmarkt ein massiver Mangel. Das befeuert die Kritik von Produzenten, die höhere Erträge auf ihren Flächen erwirtschaften wollen.
Bedrohte Arten kehren durch richtige Pflege zurück
Im Kleinen zeigen Eberhard Koch und der Gailinger Roman Döppler durch ihren täglichen Einsatz in den geschützten Gebieten, wie sich mit Hilfe von Blumenwiesen, einem ausgeklügelten Mähplan und Dreifelderwirtschaft bedrohte Arten zurückholen lassen. Jetzt geht es ihnen darum, die Lebensräume zu verbinden.
„Die Biolandwirtschaft braucht mehr Fläche“, sagt Koch. „30 bis 40 Prozent der Flächen werden für den Artenschutz benötigt.“ Dabei helfen soll das Agrarumweltprogramm, das die extensive Bewirtschaftung der Flächen durch Ausgleichszahlungen an die Landwirte fördert.
„Das funktioniert nur mit einer angemessenen Bezahlung für die Bauern“, räumt auch Dorothea Wehinger ein. Der Grund dafür sei unter anderem, dass Landwirte, die solche Flächen pflegen, anderes Gerät brauchen.
Orchideen siedeln sich wieder an
Das wissen die ehrenamtlichen Helfer beim Gottmadinger BUND sehr zu schätzen. Alleine mit Körpereinsatz ist da nicht viel zu erreichen, obwohl die Gruppe täglich im Gelände ist. Eberhard Koch steigt geschwind auf einer steilen Wiese empor. Hier haben sich seltene Orchideen dicht an dicht ausgebreitet.
Die Gruppe bemüht sich, hinterherzukommen. Belohnt werden die Besucher mit einem fantastischen Blick in die Landschaft. Doch Koch lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bocksriemenzunge. „Früher war diese Orchidee sehr selten. Mittlerweile sind dieser Magerrasen und der Gailinger Berg zu Hotspots geworden“, sagt Koch. Mit einem geschickten Mahdrhythmus auf den Blumenwiesen können die Insekten gut ausweichen.
Der Biber macht Probleme
Die beiden Besucherinnen sind fasziniert und wollen mehr wissen. Aber langsam wird die Zeit knapp. Eberhard Koch will noch den vom Biber gefluteten Litgraben und die angrenzende kleine Seenlandschaft zwischen Randegg und Murbach zeigen. Hier muss etwas geschehen, weil eine Brücke in Gefahr ist.

Der Grund: Der neue Biberbeauftragte des Regierungspräsidiums habe sich noch nicht um die Gottmadinger Biber gekümmert. Sollten die benachbarten Flächen überflutet werden, werde es Probleme mit den Bauern geben.
Ihnen wurde versprochen, dass die Drainage ihrer Wiesen erhalten bleibt. Deshalb muss der Biber bei aller Schutzbedürftigkeit in Schach gehalten werden. Die Praxis zeigt: Ganz ohne Regeln funktioniert das friedliche Nebeneinander von Naturschutz und Landwirtschaft eben doch nicht.