7.19 Uhr am Gottmadinger Bahnhof. Der rote Zug der Deutschen Bahn rollt aus Richtung Schaffhausen an. Zahlreiche Menschen, vorwiegend Schüler, suchen sich im dichten Pulk einen guten, weil schnellen Einstiegsplatz. Die letzten Fahrgäste zwängen sich noch rechtzeitig in die Waggons. Dort stehen und sitzen die Personen hautnah beieinander, wenn auch den Corona-Verordnungen folgend mit Masken. Die beständigen Szenen am Gottmadinger Bahnhof und in den Zügen haben in Corona-Zeiten nichts von ihrem Schrecken verloren. Ab dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember soll ein Doppelstockzug für Entlastung sorgen. Er verkehrt laut Fahrplan sechs Minuten früher als die bisherige Regionalbahn, die weiterhin die Linie Schaffhausen-Singen via Gottmadingen bedienen soll.

- Deutliche Verbesserung: „Geduld üben“ ist nun laut Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger noch wenige Tage angesagt. Und er ruft vor allem die Schüler dazu auf, den geräumigen Interregio-Express der Linie Basel-Ulm mit Sonderhalt in Gottmadingen zu nutzen. Der Bürgermeister kämpft aufgrund der misslichen Lage und vieler Beschwerden seit Jahren um eine deutliche Verbesserung. Dazu verfasste er zahlreiche Schriftstücke, die er an die Deutsche Bahn und das Verkehrsministerium Baden-Württemberg, dem Besteller der Züge für die Linie Schaffhausen-Singen, sendete. Und davon blieben laut Klinger viele Schreiben unbeantwortet. Dennoch stellen sich durch die Beharrlichkeit Erfolge ein, wie der weitere Schülerzug, den auch Pendler nutzen können.
- Ausfälle durch Reparaturen: Auch eine Ausschreibung soll im Sommer 2022 über eine Neuvergabe der Züge für die genannte Linie erfolgen. Verkehrsminister Winfried Hermann macht dies zur Chefsache. Dass die Verbindung neu aufgestellt wird, soll laut Pressemitteilung auch als Vorzeigeobjekt für eine erhebliche Steigerung der Qualität sorgen. „Schlechter geht es aber kaum“, sagt Michael Klinger. Der bisherige Schülerzug ist in die Jahre gekommen. Nötige Reparaturen sorgen immer wieder für Ausfälle und Engpässe. Je mehr die Zeit verstreicht, desto stärker bezweifelt Klinger, ob im nächsten Jahr eine weitere Verbesserung eintritt. „Die Ausschreibung müsste längst in die Gänge kommen. Gerade ein qualitativ hochwertiger Anbieter braucht eine Vorlaufzeit. Fehlt diese, könnte wieder ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn selbst zum Zug kommen, der schnell und günstig die Bedienung der Linie zusagen kann“, so Klinger.
- Qualität soll Vorrang haben: Das baden-württembergische Verkehrsministerium widerspricht Klinger: „Die Neuausschreibung läuft auf Hochtouren. Der Zuschlag wird spätestens im zweiten Quartal 2022 erfolgen. Dieser wird nicht nur anhand des Preises erteilt, sondern es werden auch qualitative Aspekte bei der Wertung der Angebote berücksichtigt“, erklärt Pressesprecher Tobias Schick.
- Pendlerin zweifelt: Dass der neue Doppelstockzug eine deutliche Verbesserung bringt, bezweifelt Janina Sowada aus Gottmadingen. Sie pendelt von ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz nach Villingen und benutzt für den ersten Teil der Strecke einen Frühzug, um dann in Singen umzusteigen. „Der Regionalexpress, der nun für Entlastung sorgen soll, ist bisher schon 20 Minuten früher, um 6.54 Uhr, von Gottmadingen aus gefahren. Der fällt nun weg. Also handelt es sich nur um eine zeitliche Verschiebung. Die Frühzüge sind bisher auch schon ziemlich voll, weil viele Pendler mitfahren“, zeigt sie auf. Den neuen Fahrplan bewertet Michael Klinger als deutliche Verbesserung, zumal bisher keine Doppelstockzüge im Einsatz seien. Pendler sollten Verbindungen außerhalb des Schülerverkehrs nutzen und auch Verschiebungen um wenige Minuten akzeptieren.
- Auch Bus fährt: Und das sagt die Deutsche Bahn zur derzeitigen Situation auf der Linie Schaffhausen-Singen: „Die Bahn fährt die Züge zwischen Gottmadingen und Singen mit der vom Land bestellten Kapazität. Wir haben extra nochmal nachgefragt, die Schülerverkehre sind in den letzten Tagen in voller Länge unterwegs gewesen“, erklärt ein Bahnsprecher. Ab dem Fahrplanwechsel werde sich die Situation im Schülerverkehr verbessern. Auf Bestellung des Landes fahre neben dem zusätzlichen Doppelstockzug mit Halt in Gottmadingen ein Bus ab Bietingen über Gottmadingen mit Fahrtziel Singen.
- „Unpünktlich und Ausfälle“: Marcel Theiler, der in der benachbarten Schweiz bei einer Firma Öffentlichkeitsarbeit betreibt und beim grenzüberschreitenden Slow-up das Organisationskomitee leitet, prangert die Zustände an. „Die Deutsche Bahn fährt oft unpünktlich. Und viele Züge fallen aus“, wettert Theiler. Zudem seien die Waggons schmuddelig. Er fordert deshalb, dass die Schweizerische Bundesbahn (SBB) auf den von der DB bedienten Linien einen permanenten Schnellbus zur Verfügung stellt. Die SBB fährt nur die Verbindung Schaffhausen-Thayngen, früher ist sie bis nach Singen verkehrt.
- Viele Baustellen: „Das Verkehrsministerium arbeitet mit Hochdruck an Verbesserungen auf der gesamten Südlinie, wo es noch Probleme gibt, wie durch fehlende Elektrifizierungen. Im Besonderen soll es aber schnelle Verbesserungen der Verbindung Schaffhausen-Singen geben. Und dabei ist der Einsatz des Doppelstockzuges ein erster wichtiger Schritt“, erklärt die Grünen-Abgeordnete Dorothea Wehinger. Bei der Neuausschreibung sei etwas Geduld gefragt. Das Verkehrsministerium werde sich um eine gute Lösung bemühen. Alternativ sei eine Vergabe an die SBB denkbar. Bei der vorigen Ausschreibung sei die SBB beim Angebot aber wesentlich teurer als die Deutsche Bahn gewesen.
Das sagen der Verkehrsminister und DB Regio
- Vorzeitige Neuausschreibung: Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg (VM) und die DB Regio AG sind sich im Grundsatz einig, den Verkehrsvertrag für die Regionalbahn (RB) Singen – Schaffhausen bereits zum Sommer 2022 vorzeitig auslaufen zu lassen. Aktuell ist dieser Vertrag bis zum Dezember 2023 geschlossen. Die Verkehrsleistungen auf der RB Singen – Schaffhausen standen wegen zu kurzer oder ausfallender Züge immer wieder in der Kritik seitens der Fahrgäste. Hauptgrund für diese Probleme ist, dass die Fahrzeuge der Baureihe 426 nicht vor Ort, sondern im entfernten Stuttgart gewartet und repariert werden. „In einer gemeinsamen Analyse mit der DB Regio AG sind wir zu dem Schluss gekommen, dass diese Werkstattanbindung aufgrund der Störanfälligkeit der Fahrzeuge nicht mehr optimal ist“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann in einer Pressemitteilung.
- Lange in der Werkstatt: „Es dauert einfach zu lange, bis ein mangelhaftes Fahrzeug in die Werkstatt kommt und wieder zurück an der Strecke ist. Dies ist keine Entscheidung gegen die DB und schon gar nicht gegen das Betriebspersonal vor Ort, sondern gegen das Wartungskonzept. Ich danke den Mitarbeitern der DB ausdrücklich für ihre gute Arbeit und bin überzeugt, dass sie diese auch weiterhin leisten werden“, führt der Minister aus. „Auch wenn wir uns auf ein vorzeitiges Auslaufen des Vertrages einigen, gilt es, dem Verkehrsministerium und den Fahrgästen für die verbleibende Laufzeit einen Vorschlag für die Frage der Werkstattanbindung zu unterbreiten, um hier eine Stabilisierung zu erreichen“ so David Weltzien, Vorsitzender der Regionalleitung von Regio Baden-Württemberg und ergänzt: „In keinem Fall müssen sich unsere Mitarbeiter in der Region Singen Sorgen machen, wir können ihnen allen einen sehr sicheren Arbeitsplatz bieten“.
Ein vorzeitiges Auslaufen des Vertrags hat eine Neuvergabe der Leistungen zur Folge. Hier prüfe das Land derzeit, ob einzelne Verbindungen bis nach Konstanz verlängert werden können. Dadurch würde in Singen ein besserer Anschluss an die Gäubahn aus Stuttgart entstehen. - Qualität statt günstiger Preis: Bei der Neuausschreibung soll nicht mehr der Günstigste, sondern derjenige mit dem überzeugendsten Gesamtkonzept gewinnen. Ziel sei es, bei allen Vergaben künftig einen größeren Fokus auf einzelne Aspekte des Betriebskonzeptes legen. Die Linie Singen – Schaffhausen werde dabei der Pilot sein. Die Erfahrung habe gezeigt, dass vermeintlich kleine Stellschrauben große Auswirkung auf die Gesamtqualität haben können.