Lichtblick für Konstanzer Familien: Ab November 2024 gibt es auf dem heiß umkämpften Betreuungsmarkt 80 neue Kitaplätze. 55 davon stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung, 25 Plätze werden an Betriebe vergeben. Bürgermeister Andreas Osner betont: „Jeder Platz ist extrem wichtig und entlastet eine Konstanzer Familie.“
Das Modell ist in Konstanz einzigartig: Eine gemeinnützige GmbH tritt als Träger auf und kann anders agieren als eine Verwaltung, die an viel mehr Vorgaben gebunden ist. Gleichzeitig kooperiert dieser Träger mit der Stadtverwaltung und kann damit öffentliche Plätze anbieten und sein eigenes Risiko absichern. Auch Konstanzer Unternehmen profitieren: Viele haben Bedarf an Kitaplätzen für ihre Mitarbeiter – aber nicht so viel, dass sie selbst eine Einrichtung ins Leben rufen würden.
Andreas Osner ist begeistert von der Zusammenarbeit mit dem neuen Träger: „Es sind Welten, die zwischen einer Verwaltung und der freien Wirtschaft liegen. Aber diese Welten passen hier wunderbar zusammen – auch deshalb, weil so tolle Vorarbeit geleistet wurde.“

So vergingen vom ersten Kontakt bis zur Genehmigung im Gemeinderat gerade einmal vier Monate. Wer aber sind diese Leute, die in Blitzgeschwindigkeit eine Kindertageseinrichtung mit Finanzplan, Brandschutzkonzept, pädagogischem Konzept und all den weiteren Auflagen aus dem Boden stampften?
Hinter den Seekids stecken vier Personen: Die beiden erfahrenen Erzieherinnen Julia Schollenberger und Mareike Pranschke sowie Sabine Kutscher, die betriebswirtschaftlichen Hintergrund hat. Dazu kommt ihr Mann Matthias Kutscher, der zunächst die Geschäftsführung übernimmt.

„Wir Frauen sind schon lange befreundet und hatten am Anfang erstmal nur den Gedanken, eine private Kita aufzubauen“, erzählt Sabine Kutscher, die bis vor kurzem bei der Stadt angestellt war, um am Wohnprojekt Hafner mitzuarbeiten. „Aus den ersten Phrasen entwickelte sich nach und nach eine konkrete Idee.“
Immer wieder geriet das Quartett an Grenzen. „Wir dachten oft, dass es jetzt nicht weitergeht, weil irgendeine neue Vorschrift dazukam“, sagt Mareike Pranschke, die bislang Erzieherin bei der Wessenbergstiftung war. „Doch gemeinsam mit der Stadt haben wir jedes Mal eine Lösung gefunden, sodass wir 14 Monate nach der ersten Idee ein Kinderhaus eröffnen können.“
Welche Räume werden für die Kita genutzt?
Das Haus befindet sich in der Byk-Gulden-Straße 2 im Industriegebiet. Es stand zuletzt leer, davor befanden sich im Erdgeschoss Werkstätten und im Obergeschoss Büros. Noch ist die Kita eine Baustelle. Wände müssen durchbrochen, woanders neue Mauern eingezogen werden. Überall liegen Kabel und Werkzeug herum, es ist noch viel zu tun bis zur Eröffnung im November.
„Den Umbau finanziert der Eigentümer, ein großer Immobilienfonds“, erläutert Matthias Kutscher. „Dafür bekommt er mit der Seekids gGmbH einen treuen Mieter für mindestens 20 Jahre.“ Die Stadt gewährt für diese Zeit eine Mietgarantie – springt also ein, falls dem Träger finanziell die Puste ausgehen sollte.

Es war auch kein Problem, Konstanzer Unternehmen zu finden, die die Firmenplätze ergattern wollten. „Die waren sehr schnell weg“, berichtet Julia Schollenberger. Trotzdem ist den Seekids eines wichtig, wie Matthias Kutscher betont: „Unsere Prämisse ist und bleibt es, eine schwarze Null zu schreiben. Wir machen keine Gewinne, sondern möchten etwas für Konstanzer Familien tun.“
Da Kitas generell ein Verlustgeschäft sind, finanziert die Stadt das Defizit zu 92 Prozent. „Wir fördern die Seekids genau wie die anderen Konstanzer Einrichtungen“, sagt Alfred Kaufmann, Leiter des Sozial- und Jugendamts.

Woher soll das Personal kommen?
Nachdem die Räume gefunden waren und die Finanzierung stand, ging es um die wichtigste Frage: Woher soll das Personal kommen, wenn derzeit 300 Kitaplätze in Konstanz nicht belegt werden können, weil Erzieher fehlen?
Dazu kommt, dass die Seekids nur 20 Schließtage haben werden – im Gegensatz zu manch anderen Einrichtungen, die 30 Tage im Jahr dicht sind. „Dadurch erhöht sich der Personalschlüssel nochmals“, sagt Julia Schollenberger, 29 Jahre, die vom Kinderhaus St. Martin in die neue Einrichtung wechselt.
„Dieses Thema war der kniffligste Punkt bei dem Projekt“, sagt Alfred Kaufmann. „Wir haben die Seekids darum gebeten, möglichst nicht Konstanzer Erzieher abzuwerben. Denn wenn sie nur von einer in die andere Einrichtung wechseln und dadurch woanders ein Loch reißen, ist gar nichts gewonnen.“
Diese Bitte beherzigen die drei Frauen, die sich die Leitungsstelle teilen. „Wir schauen in unseren Netzwerken nach Kollegen, die nicht mehr am See wohnen, und kooperieren mit Fachschulen“, sagt Mareike Pranschke. „Das funktioniert, aber auch wir haben gemerkt, dass nicht gleich 20 Leute parat stehen, die bei uns anfangen wollen.“

Sabine Kutscher freut sich, wenn endlich die ersten Kinder ins neue Haus kommen. „Es war eine große Herausforderung, das alles neben der regulären Arbeit in vielen Nachtschichten auf die Beine zu stellen“, sagt die 42-Jährige, Mutter von zwei Schulkindern.
Dabei haben die Beteiligten selbst viel gelernt. „Als Erzieherin erhält man sonst keine Einblicke in Raumplanung, Brandschutz oder Anforderungen an Kitamöbel“, sagt Mareike Pranschke, 39 Jahre. Alfred Kaufmann bestätigt: „Eine Kita eröffnet man nicht einfach so locker-flockig.“ Seine Hoffnung: „Vielleicht finden sich trotzdem Nachahmer.“