Kitakrise? Über 700 Konstanzer Kinder ohne Betreuungsplatz und auch in anderen Orten im Landkreis stark eingeschränkte Betreuungszeiten, weil Personal fehlt? Laura Rauch kennt die Ausgangslage. Sie ist ausgebildete Erzieherin und betreut als Tagesmutter fünf Kinder unter drei Jahren in Konstanz. „Ich kann Ihnen sagen, warum wir das Problem nicht in den Griff bekommen“, sagt sie.

Denn die 38-Jährige würde gern viel mehr Kinder betreuen. Und sie kenne jede Menge Mütter und Väter, die sich gern zu Tageseltern weiterbilden würden. „Gemeinsam könnten wir das Betreuungsproblem deutlich eindämmen. Aber viele trauen sich nicht, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen.“

Derzeit betreut Laura Rauch die fünf Kinder auf zwölf Quadratmetern in ihrer eigenen Fünf-Zimmer-Wohnung. Ihr Traum wäre ein zentral gelegenes Ladenlokal mit großen Fenstern. „Dann wäre die Tagespflege sichtbarer und würde als gleichwertiges Angebot zu den Kitas wahrgenommen“, sagt die dreifache Mutter.

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Trotz langwieriger Suche findet sie aber kein passendes Angebot für die Tagespflege in anderen geeigneten Räumen, wie es behördlich heißt. Dort würde sie gern mit einer anderen Person zusammen neun Plätze anbieten. Doch die Auflagen sind streng und die Mieten teuer.

Bei Bewerbungen auf Räume sei sie zwar schon in die engere Auswahl gekommen, doch letztlich erhielt ein Rechtsanwalt oder anderer Dienstleister den Zuschlag. „Viele Vermieter denken, Kinder seien zu laut“, sagt die Tagesmutter. Noch etwas stört sie: „In Konstanz arbeiten wir aufgrund der schwierigen Suche nach Räumen isoliert in unseren Wohnungen, es gibt kein Vier-Augen-Prinzip und keine Möglichkeit zum Austausch. Und wenn wir krank sind, fällt die Betreuung aus, wir bräuchten ein Vertretungssystem.“

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„Wir sind am Vertretungsmodell dran“

Dass die Rahmenbedingungen für Tagespflege nicht einfach sind, bestätigt Sabrina Falkner, Tagesmutter in Singen-Friedingen und Vorsitzende des Tagesmüttervereins im Landkreis Konstanz. Vor allem die Notwendigkeit, bei Betreuung von Kindern eine Nutzungsänderung beim Bauamt beantragen zu müssen, sei „kostspielig und langwierig“.

Dies verlangen alle Kommunen im Kreis Konstanz außer Singen, wenn es um Betreuung in der eigenen Wohnung geht. Ansonsten gelten laut Falkner im Landkreis nahezu die gleichen Voraussetzungen für eine Betriebserlaubnis.

Tagesmutter Sabrina Falkner betreut die Kinder Letizia, Vincent, Lars, Pepe und Emily. Die Hürden für die Einrichtung einer ...
Tagesmutter Sabrina Falkner betreut die Kinder Letizia, Vincent, Lars, Pepe und Emily. Die Hürden für die Einrichtung einer Kindertagespflege findet sie schwierig, sagt aber: „Die Anforderungen für das Eröffnen einer Krippe sind ungleich höher.“ | Bild: Falkner

Auch Sabrina Falkner hat Wünsche, die denen von Laura Rauch ähneln. Dazu zählen die Willkommenskultur für die Kindertagespflege von Seiten der Vermieter sowie das Vertretungsmodell. „Da sind wir dran, aber leider gibt es noch keine Lösung im Landkreis für Tageseltern, die im eigenen Haushalt betreuen.“

Immerhin bezahlen Singen, Radolfzell und Gottmadingen eine Förderung von 750 Euro für eine Vertretung, wenn jemand in anderen geeigneten Räumen Kinder betreut. Diese Vertretung wird von der Tagespflegeperson angestellt. Auch das hat einen Haken: Die Tagesmütter und -väter sind dann Arbeitgeber, somit steigen die Anforderungen für die Räume, da das Arbeitnehmerschutzgesetz greift.

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In der Schweiz arbeiten? Möchte Laura Rauch nicht

Laura Rauch könnte es sich leicht machen, wenn sie keinen Raum findet. „Ich bekomme dauernd Angebote, in der Schweiz zu arbeiten. Das lehne ich bewusst ab. Ich möchte für die hiesigen Familien da sein. Es kann ja nicht sein, dass ich mit Schweizer Gehalt Kinder aus der Nachbarschaft in der Schweiz betreue.“

Denn immer mehr Konstanzer Familien klagen einen Kitaplatz in Kreuzlingen ein, weil sie an ihrem Wohnort keinen bekommen. Auch das ist für Laura Rauch „das komplett falsche Signal“. Die Stadt bezahlte vergangenes Jahr 191.600 Euro Aufwendungsersatz an Konstanzer Familien für Plätze in der Schweiz.

Lina, Emma, Jaro und Jakob spielen auch gern im Sandkasten. Ihre Tagesmutter Laura Rauch würde gern noch mehr Kinder betreuen, mit einer ...
Lina, Emma, Jaro und Jakob spielen auch gern im Sandkasten. Ihre Tagesmutter Laura Rauch würde gern noch mehr Kinder betreuen, mit einer anderen Person zusammen, um sich auch mal austauschen zu können. | Bild: Kirsten Astor

„Dieses Geld müsste in die Konstanzer Tagesbetreuung investiert werden, in höhere Zuschüsse für angemietete Räume“, findet Rauch. „Außerdem wäre es toll, wenn ich mein eigenes Kind mit betreuen könnte, ohne dass dafür ein Platz wegfällt, für den ich Geld bekomme.“ Sie ist überzeugt: „Wenn die Bedingungen stimmen, schießen wir Tageseltern wie die Pilze aus dem Boden.“

Städte sind an Vorschriften gebunden

Für die Kommunen ist das Thema Kinderbetreuung auch nicht einfach. Sie kämpfen seit vielen Jahren gegen den Mangel an Plätzen und Fachkräften. Deshalb betont die Stadt Konstanz: „Wir unterstützen Anfragen zur Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen wohlwollend, da wir großes Interesse am Ausbau der Kindertagesbetreuung haben.“

Doch die Städte seien an Gesetze und Verwaltungsvorschriften gebunden. In den vergangenen Jahren seien die Anforderungen für die Kindertagespflege gestiegen, da sie ein rechtlich gleichrangiges Angebot zu den Kitas darstellt. Wo immer möglich, komme die Stadt den Tageseltern entgegen und nutze Ermessensspielräume.

„Wir unterstützen Anfragen zur Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen wohlwollend, da wir großes Interesse am Ausbau der ...
„Wir unterstützen Anfragen zur Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen wohlwollend, da wir großes Interesse am Ausbau der Kindertagesbetreuung haben“, sagt Rüdinger Singer, Leiter der Abteilung Jugendhilfeplanung im Sozial- und Jugendamt Konstanz. | Bild: Kirsten Astor

Auch die Finanzspritze durch die Stadt gebe es bereits. „Das Jugendamt der Stadt Konstanz zahlt aufgrund des vom Gemeinderat genehmigten Förderkonzeptes deutlich mehr Geld an die Kindertagespflegepersonen, als dies die Empfehlungen für Baden-Württemberg vorsehen.“

Außerdem erhalten Konstanzer Tageseltern Sonderkonditionen wie bezahlte Fehlzeiten (bis zu vier Wochen im Jahr), höhere Entgelte bei ungünstigen Betreuungszeiten sowie weitere Zuschüsse, unter anderem zur Miete und zu Sozialversicherungsbeiträgen. Laura Rauch schätzt all diese Vorteile, sagt aber: „Wir sind weit weg von einer Revolution, wenn Kindertagespflege eine wirkliche Alternative für Eltern sein soll.“