Die Fassade des Telekomhochhauses an der Moltkestraße, das viele Bürger als Schandfleck bezeichnen, soll an einem einzigen Abend im März zum Schauplatz für Lichtkunst werden. Die Konstanzer Künstlerin Teresa Renn und ihr Mann Jan Behnstedt-Renn beleuchten das Gebäude nach einer ganz bestimmten Choreografie – abgestimmt auf die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, die die Südwestdeutsche Philharmonie (SWP) live dazu spielt. Das Spektakel wird nur eine halbe Stunde dauern. Doch geplant wird das komplexe Projekt Lichtsinfonie seit über zwei Jahren.
Die Idee entsteht an einem gemütlichen Abend am Rhein
Die Idee dazu hatte das Ehepaar schon vor drei Jahren, wie die beiden erzählen: „Wir bereiteten damals die Illuminationen für das Konziljubiläum vor und saßen abends am Rhein„, so Jan Behnstedt-Renn, Dozent für Medien und Geschichte an der Universität Konstanz. „Plötzlich sahen wir, wir in einem Haus auf der anderen Uferseite das Licht in einem Lift und im Nebenraum gleichzeitig angingen, das hatte etwas Choreografiertes.“
Kontakt zur Immobilienfirma
Seine Frau Teresa Renn, Regisseurin und Filmproduzentin, ergänzt: „Wir dachten beide sofort, dass wir etwas daraus machen müssen.“ Als klar war, dass das Telekomhochhaus zum Wohnturm umgebaut wird, klopften sie bei der zuständigen Immobilienfirma BPD und deren Projektentwickler Rainer Beitlich an und stießen sofort auf Begeisterung.
Ein Bild entsteht auf den Fenstern des Hochhauses
Die Idee geht so: In 351 Fenstern des Telekomgebäudes (das sind alle bis auf die beiden unteren Stockwerke) steht je ein LED-Fluter. Die Fluter werden so programmiert, dass sie ein Gesamtbild auf die Fassade zaubern. „Jedes Fenster ist also wie ein Pixel des Bildes“, erklärt Jan Behnstedt-Renn. „Wir arbeiten an einer abstrakten Interpretation von Beethovens Musik, es werden dynamische Farbflächen zu sehen sein.“ Das Schwierigste sei, Licht und Musik synchron hinzubekommen.
Dirigent Kevin Griffiths übernimmt die Leitung
Da es im März draußen zu kalt für die Instrumente ist, sitzen die Musiker der Philharmonie nebenan im ehemaligen Postgebäude. Über einen Monitor sieht der Dirigent die programmierte Animation, denn er hat keine Sicht auf das Hochhaus. SWP-Intendantin Insa Pijanka holte den britischen Dirigenten Kevin Griffiths ins Boot, der Erfahrung mit Live-Projekten hat. „Wir möchten auch Menschen zur Kultur bringen, die sich dafür sonst weniger interessieren“, sagt das Ehepaar Renn.
Arbeit an der Dramaturgie
Das Grobe ist geplant, nun geht es an die Feinabstimmung. Immer und immer wieder hören die Künstler sich Beethovens Fünfte an, analysieren die Musik und überlegen sich, wie sie welche Passage mit ihrer Lichtkunst interpretieren wollen. Gibt es dabei gar keinen Streit? „Nein, wir sind uns künstlerisch erstaunlich einig“, sagt Teresa Renn und lacht. „Wir teilen uns die Partitur zwar auf, haben uns aber gemeinsam ein Gesamtnarrativ überlegt und denken darüber nach, wie man eine spannende Dramaturgie schafft“, so die 42-Jährige.
Geschichten aus Lautsprechern in Bäumen
Mit ihrem Projekt möchten sie und ihr Mann auch auf die Veränderungen im gesamten Quartier aufmerksam machen. Dazu lassen sie sechs oder sieben Bäume auf der Wiese vor dem Telekomhochhaus sprechen: Aus Lautsprechern in den Ästen werden die Stimmen verschiedener Betroffener zu hören sein, die ihre Geschichten erzählen. Dazu interviewt das Ehepaar unter anderem Hans-Dieter Schmidt, ehemaliger Leiter des Fernmeldeamts und der späteren Telekomniederlassung, der im Hochhaus zehntausende Objekte der Fernmeldetechnik gesammelt hat. Zu Wort kommen bei „Talk in Trees“ (Gespräche in Bäumen) auch Bürger, die im Quartier aufwuchsen und den Bau des Hochhauses von 1968 bis 1971 miterlebten, sowie Architekten, die die Planungen zum Umbau erläutern.
Aus Gewerbe wird Wohnen
Wie das Telekomhaus einmal aussehen soll, weiß Rainer Beitlich genau. Er steht im 14. Stock und sagt stolz: „Eigentümer des Gebäudes sind wir schon seit September 2017, Besitzer nun seit 1.1.2020.“ Die Architekten des Berliner Büros Sauerbruch Hutton wollen dem Hochhaus zu einem schöneren Gesicht mit teils verglasten Balkons verhelfen. Rund 90 Ein- bis Vierzimmerwohnungen werden dort entstehen, im obersten Geschoss als Maisonette. Ganz oben soll eventuell eine Art Sky Lounge als Gemeinschaftsraum für alle Bewohner angeboten werden.

Zusätzlich wird es eine Tagesgastronomie und Büros im Erdgeschoss geben, auch ein neuer Pavillon für eine mögliche Postfiliale soll gebaut werden. Ob sich aber tatsächlich ein Käufer findet, der darin eine Post betreiben will, ist laut Beitlich noch unklar. An der Stelle des alten Postgebäudes entsteht eine Tiefgarage mit rund 76 Stellplätzen. Die Wiese vor dem Hochhaus bleibt erhalten, der gesamte Platz wird aber modernisiert, es wird Angebote wie Carsharing geben.

Das alles hat seinen Preis. Die Wohnungen im Telekomturm werden laut Beitlich so viel kosten wie im Laubenhof oder sogar noch mehr. Unter anderem liege dies daran, dass auch bei einem alten Haus Standards wie beim Neubau hergestellt werden müssen, was Statik, Schall- und Brandschutz, Böden und Decken angeht. Der 53-Jährige sagt mit einem Augenzwinkern: „Das alles wird preiswert. Es ist seinen Preis wert.“

Im April soll das Baugesuch für den Turm eingereicht werden, im Herbst könnte der Rückbau beginnen, 2021 dann der Bau. Noch in diesem Frühling soll es für die Bevölkerung einen Tag des offenen Hochhauses geben. Von der Idee, das Gebäude an einem Abend durch die Lichtsinfonie in Szene zu setzen, war Rainer Beitlich sofort angetan: „Das wird ein in Licht gehüllter Leuchtturm. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das ist ein einzigartiges Ereignis.“
Auch die Telekom baut um
Parallel arbeitet BPD an Planungen für das nebenstehende Technikgebäude der Telekom, in dem 120.000 Telefon-Ortsanschlüsse zusammenkommen. „An diese analoge Technik traut sich niemand ran, also lassen wir sie unten stehen und reißen nur die oberen Stockwerke ab“, erklärt der Projektentwickler. Darüber sollen 280 bis 300 Wohnungen mit begrüntem Dach entstehen, die Teil des städtischen Handlungsprogramms Wohnen sind und die sich auch Konstanzer Familien leisten können sollen. Diese Wohnungen könnten 2025 fertig sein.