Es dauert nicht lange, und die beiden Männer bieten sich gegenseitig die Aufnahme in ihre Partei an. „Ich hole dich zu uns Grünen“, sagt Mohamed Badawi zu Moritz Janas, der dankend abwinkt und lächelnd erwidert: „Aber du wärst bei uns in der FDP gut aufgehoben.“ Auch hier gibt es ein freundliches Kopfschütteln als Replik.
Rund vier Stunden spazieren die beiden Kandidaten für den Gemeinderat durch Konstanz, begleitet vom SÜDKURIER-Redakteur. Es entstehen spannende Diskussionen, ein reger Meinungsaustausch und am Ende die nicht so neue Erkenntnis: Auf kommunaler Ebene spielt die Parteizugehörigkeit nur eine untergeordnete Rolle. Thematische Übereinstimmungen sind bei Themen, die die Welt unmittelbar vor der Haustür betreffen, selbst bei fundamental anders ausgerichteten Parteien keine Seltenheit.
„Es muss uns darum gehen, gemeinsam diese schöne Stadt noch schöner zu machen“, erzählt Mohamed Badawi, der dafür keinerlei Widerspruch erntet.
Streitpunkt Büdingen-Hotel
Anders ist das, als sie auf der Seestraße vor dem Büdingen-Areal stehen. Das noble Hotel. Der Schweizer Investor.

„Die Kritik vonseiten der Freien Grünen Liste ist übertrieben“, sagt Moritz Janas. „Es existiert ein Bebauungsplan. Ich bin überzeugt, dass es den Gegnern nicht darum geht, die Höhe des Gebäudes niedriger zu halten, sondern darum, das Hotel zu verhindern.“ Er sieht die Gefahr, dass der Investor dadurch nur provoziert werde, „dabei muss man auch sehen, dass gut bezahlte Jobs entstehen“.
Mohamed Badawi möchte einhaken: „Natürlich sind die Jobs eine gute Sache“, erklärt er. „Doch das Ausmaß des Hotels ist anders als geplant. Ich finde es nicht akzeptabel, wenn Einheimische nur am Rande durch den Park gehen dürfen.“
„Das stimmt“, entgegnet Moritz Janas. Aber das Grundstück gehöre nun mal dem Investor und nicht der Stadt. Vor Investor Hans Jürg Buff waren die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, davor die Immobilienfirma Gagfah und die Büdingen-Erben Eigentümer.
Jung und Alt: Wem gehört die Stadt?
Das Duo schlendert weiter Richtung Rheinbrücke. Auf der Seestraße begegnet ihnen ein bunter Mix Konstanzer Menschen. Auf dieser Flaniermeile trifft man sich und genießt das Leben. Die Mehrheit macht an diesem Nachmittag die ältere Generation aus – durchaus repräsentativ für die Stadt.
„Wir müssen mehr machen für junge Menschen“, fordert Moritz Janas und zählt gleich mal ein paar Vorschläge auf: „Attraktive und gut erreichbare Grillplätze, mehr späte Busse, Diskotheken nicht nur im Industriegebiet verstecken. Irgendwo müssen die Jungen doch hin.“
Mohamed Badawi bezeichnet den Mix der Generationen als „eine große Chance für Konstanz. Ich gehe als Musiker gerne in Seniorenheime, um mit älteren Menschen ins Gespräch zu kommen über die Musik. Da entstehen faszinierende Gespräche“.
Die Verbindung zwischen Extremen liegt dem gebürtigen Sudaner sehr am Herzen. Er wuchs in dem ostafrikanischen Land auf, studierte dann in Paris – wo er seine heutige Frau kennenlernte. Sie kam vom Bodensee, er begleitete sie in ihre Heimat und verliebte sich in Region und Stadt. Er weiß, wie sich das Leben als Fremder ohne jegliche Sprachkenntnisse und mit wenig Kontakt anfühlt – auch wenn sein Start durch seine Frau und seine Tätigkeit an der Universität vergleichsweise einfach war.
Und doch liegt es ihm am Herzen, Auswärtige willkommen zu heißen. „Wenn wir Menschen uns vereinen und zusammen arbeiten“, sagt er, „dann kann nur Gutes dabei heraus kommen“.
Er ist nach wie vor beeindruckt über die Hilfsbereitschaft der Konstanzer, als 2015 der Flüchtlingsstrom im Land ankam. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Das war Motivation mit Herz und Seele: Der freiwillige Deutsch-Unterricht, die Kleiderspenden, die Alltagshilfe. In den Helferkreisen herrschte eine wunderbare Harmonie.“ Er kann sich sehr gut vorstellen, als eine Art Bindeglied zwischen Neu- und Altbürgern zur Verfügung zu stehen.
Verstopfte Laube: Autos raus aus der Innenstadt?
Auf dem Weg zwischen Rheinbrücke und Seerhein fallen die vielen Autos auf der Laube selbst an diesem Donnerstagnachmittag auf. „Ich wäre sofort dafür, alle Autos aus der Innenstadt zu verbannen“, sagt Mohamed Badawi. „Das wäre mehr Lebensqualität für die Bürger.“
Moritz Janas brennt eine Frage unter den Nägeln: „Stören dich auch wenige Autos? Verbote bringen doch nichts. Unser Ziel muss sein, die Anzahl zu verringern, nicht alle zu verbannen.“
Noch ein Thema, bei dem die beiden Kandidaten unterschiedlicher Meinung sind. Mohamed Badawi erzählt, wie schön autofreie Städte sind: „Das muss man erleben, das ist Lebensqualität. Wir müssen die Autos zu Park & Ride-Stellen begleiten, damit sie nicht hinein fahren.“ Klar ist für ihn: Der Verkehr wird noch mehr zunehmen, „denn die Angebote für Schweizer sind zu verlockend, außerdem kommen noch mehr Studenten nach Konstanz durch das erweiterte Angebot“.
Moritz Janas schlägt vor, „die Strafen fürs Falschparken zu erhöhen. Wir von der FDP haben schon eine Anfrage beim Städtetag gestellt, denn das ist erfahrungsgemäß ein Anreiz, nicht mit dem Auto zu kommen“.
Was wird aus dem BoFo?
Das Bodenseeforum verfügt über (kostenpflichtige) Parkplätze. Doch die sind in der Regel unbesetzt, weil das Haus nicht allzu oft bespielt wird. „Die Hoffnung, dass das Bofo ohne Subventionen auskommen könnte, ist illusorisch“, denkt Moritz Janas. „Ich sehe eine Chance, eine neue Art des Tourismus zu schaffen, unabhängig vom Sommer.“ Der 25-Jährige möchte sich für eine Umwandlung in ein Kongresshaus einsetzen.

„Ich halte davon nicht viel“, entgegnet Mohamed Badawi. „Ich sehe eher ein Kultur-Haus.“ Er schlägt eine Kommission aus Fachleuten von Wirtschaft, Kunst und Verwaltung vor, die sich damit auseinandersetzen solle. Sein Traum: „Musik, Kunst und Kultur für alle.“
Irgendwann ist auch das spannendste Gespräch beendet. Die beiden Kandidaten gehen wieder ihrer eigenen Wege. Beim Abschied wiederholen sie ihr Angebot, den jeweils anderen gerne in ihre Partei aufnehmen zu wollen. Ein Spaziergang als vereinigende Brücke.