Joachim Filleböck würde im Zweifel wieder vor Gericht ziehen. Der Rechtsstreit gegen die Stadt Konstanz sei der richtige Weg gewesen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Aus Frust ist bei Filleböck allerdings so etwas wie Lust geworden. Lust auf den Erhalt eines historischen Gebäudes. Der Denkmalschutz – für die einen wie ein Fluch, für die anderen wie ein Segen.
Auch Denkmalschutz verpflichtet
Eigentum verpflichtet, Denkmalschutz verpflichtet, und Fluch deshalb, wenn beim Umbau "jemand drein redet", umreißt es Christian Ulmer. Jemand ist in diesem Fall die Denkmalschutzbehörde bei der Stadt Konstanz. Als Ulmer sein Elternhaus in der Altstadt umbauen wollte, um mit seiner Familie einzuziehen, sorgten die Auflagen des Amts für Verdruss.
Bis erst einmal fachmännisch analysiert war, welche bautechnischen Möglichkeiten das Gebäude aus dem Jahr 1319 bietet und zulässt, war viel Geld weg. Aus finsterer Miene wurde eine heitere. Christian Ulmer hat im Laufe der Zeit unter Mithilfe des Architekten und der Denkmalschutzbehörde erkannt, welchen Schatz er da besitzt. Heute spricht er von Glück, das Haus nicht abgerissen zu haben.
Gesetz schreibt Instandhaltung vor
Wobei das Denkmalschutzgesetz des Landes das nicht vorsieht. Es schreibt die adäquate Instandhaltung eines gelisteten Gebäudes vor, Land und Kommunen sind zur finanziellen Unterstützung angehalten. Es geht auch anders, wie Joachim Filleböck aufgezeigt hat. Genauer gesagt war es die katholische Kirche in Konstanz, die er vertritt.

Sie hat einen fünf Jahre lang andauernden Streit vom Verwaltungsgericht in Freiburg klären lassen, das laut eigener Aussage selten solche Fälle auf den Tisch bekommt. Es urteilte: Ist eine Sanierung wirtschaftlich nicht zumutbar, darf das per Gesetz geschützte Denkmal zugunsten eines Neubaus abgerissen werden. Die Kirche wollte in dem Jahrhunderte alten Haus Wohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen. 1,5 Millionen Euro sollte eine Sanierung kosten.
Kirche klagt gegen Stadt Konstanz
Die Pfarrei schaute nochmals auf ihre Konten, erhielt Zuschüsse und entschied sich doch für den Erhalt. Trotz der unter dem Strich stehenden 2,3 Millionen Euro. Joachim Filleböck spricht im Rückblick von einer guten Lösung. Und Christian Ulmer von einem veränderten Blick. In dem Fachwerkhaus hätten historische Kostbarkeiten geschlummert, die sich einem Laien nicht auf Anhieb zeigten. Aus den einst unterschiedlichen Zielen von Bauherr und Amt folgte laut Filleböck: "Wir haben Kompromisse gefunden. Ohne das Urteil würde das Haus heute nicht so dastehen, wie es das tut." Es habe auf beide Seiten eingewirkt. Allerdings hat nicht jeder Bauherr fünf Jahre Zeit, Geld und Geduld bis zu einem Kompromiss.
Ämter raten zur frühzeitigen Beteiligung
Der oberste Denkmalschützer in Konstanz, Frank Mienhardt, will frühzeitig involviert sein. Um böse Überraschungen zu vermeiden, wenn zu einem späten Zeitpunkt gesetzliche Auflagen einen Strich durch die Planungen machen. "Das schafft auch mal Frustration auf Eigentümerseite", sagt Mienhardt. Sehen manche Bauherrn seine Arbeit als Gängelei, versteht er sie als konstruktive Unterstützung.

Es gehe um eine Hilfestellung, "das Gebäude zu begreifen", um ein Gefühl für historische Qualitäten zu bekommen. 1250 Denkmäler und Anlagen hat Mienhardt in der Liste stehen, in einer Stadt mit der "vermutlich größten Dichte an denkmalgeschützten Gebäuden".
Beispiele im Landkreis: Reichenau und Gaienhofen
Heute haben die Denkmalschutzämter ein genaues Auge auf Bauvorhaben und Auflagen. "Die Hälfte der Bauherrn ist nicht angetan", sagt Renate Kunz. Sie ist eine von mehreren Baumeistern im Landkreis Konstanz und für den Denkmalschutz in kleineren Kommunen zuständig. "Meistens findet man einen Kompromiss", fügt sie hinzu; etwa wenn der Häuslebauer in Iznang beim Aushub des Kellers auf eine Pfahlbausiedlung stößt.

Dann sind die Denkmalschützer und Archäologen zur Stelle. Schwierig werde es, wenn Eigentümer am Haus etwas verändern, das nicht genehmigungspflichtig ist. Bekommt das Landratsamt Wind davon, sind Ärger und Diskussionen vorprogrammiert. Aber: "Es gibt viele Fälle, in denen Eigentümer mit viel Liebe restaurieren", beleuchtet Renate Kunz die andere Seite. In Gaienhofen das Hermann-Hesse- sowie das Otto-Dix-Haus – zwei herausragende Beispiele im Landkreis, ist Kunz der Auffassung. Und natürlich die Insel Reichenau als Unesco-Welterbe.
Mehr als 3000 geschützte Objekte
Ob große Anlagen oder kleine Häuser, im Landkreis gibt es über 3000 gebaute Zeitzeugen. Einer, der sich mit dem Erhalt ebenfalls auskennt, ist Architekt Martin Bächle. Er hat mit seiner Frau Karin Meid-Bächle denkmalgeschützte Gebäude im Auftrag von Eigentümern saniert, aber auch einem eigenen Gebäude in Konstanz vorbildlich, so ein Preisgericht, zu neuem Glanz verholfen.

Die Architekten legen bei ihrer Arbeit nach intensiver Bauforschung ein Augenmerk darauf, wesentliche historische Spuren zu erhalten und in der Restaurierung das Alte wie das Ergänzte ablesbar zu machen. Denn, so Martin Bächle: "Jedes historische Haus ist ein Geschenk, man muss es nur erkennen."
Nicht nur alte Gebäude sind geschützt
- Gebäude: Auch neuere Bauwerke stehen verstärkt unter Denkmalschutz – etwa die 1976 fertiggestellte Geschwister-Scholl-Schule in Konstanz als Beispiel für Schularchitektur der 1970er. Das hat in der Stadt zunächst für Verärgerung gesorgt, weil Pläne für eine Sanierung dadurch neu geplant werden muss. Der Konzern, der in Singen ein Einkaufszentrum errichten will, wollte lange das Café Hanser mit Möblierung aus dem Jahr 1934 erwerben. Die Eigentümer erteilten eine Absage, somit bleibt das Café in seiner jetzigen Art erhalten.
- Finanzen: Wer ein Denkmal besitzt, kann Zuschüsse für Pflege und Erhalt beantragen. Lukrativ dürften aber vor allem die Steuererleichterungen sein. Hierfür ist für das Finanzamt eine Bescheinigung notwendig, die die Denkmalämter ausstellen. Wie ein Eigentümer mit einem denkmalgeschützten Objekt umzugehen hat, ist im Denkmalschutzgesetz des Landes geregelt. Darin werden bei mutwilliger Zerstörung oder Veränderung eines Denkmals Strafen von bis zu 250 000 Euro, in besonders schweren Fällen von bis zu 500 000 Euro angedroht.
- Objekte: Streit gibt es auch um andere denkmalgeschützte Objekte. In Konstanz forderte eine Initiative den Abriss eines Steinsoldaten, weil das von Nationalsozialisten 1937 in Auftrag gegebene Werk den Beruf des Soldaten in propagandistischer Weise heroisiere. Der Denkmalschutz lehnte, rein aus baulicher Bewertung, ab. Der Soldat sei ein geschichtliches Dokument. Eine am Soldaten angebrachte Tafel erklärt zwischenzeitlich den historischen Hintergrund.