Das Gebilde sieht von außen fast schon künstlerisch aus: Mächtige Baumstämme stützen in der Kreuzlinger Straße zwei historische, rund 500 Jahre alte Häuser ab. Dort, wo bis vor rund einem Jahr ein Doppelhaus stand, befindet sich nur gähnende Leere. Die Besitzer haben das Doppelhaus abgerissen, das bis zur Straße zur Laube reichte. Der ursprüngliche Plan sah vor, dort im Erdgeschoss einen Drogeriemarkt zu eröffnen, darüber sowie dahinter sollten Wohnungen entstehen. Doch seit Oktober herrscht Stillstand.
Ein Drogeriemarkt hat nach wie vor Interesse
Seit Herbst 2016 existieren Baupläne, nach denen ein vierstöckiges Wohnhaus mit einem Geschäft im Erdgeschoss entstehen soll. Das Drogerieunternehmen dm soll Interessent für das Ladengeschäft sein. Auf Anfrage schreibt Daniela Hübner, dm-Gebietsverantwortliche für die Region: „Wir sind stets auf der Suche nach geeigneten Objekten, die unseren Ansprüchen an ein familienfreundliches Einkaufserlebnis gerecht werden und unsere sieben dm-Märkte im Raum Konstanz optimal ergänzen. Bezüglich des Standortes in der Kreuzlinger Straße befinden wir uns nach wie vor in Gesprächen, weshalb wir hier momentan keine konkrete Auskunft geben können.“
Das Problem Stellplatz scheint ungelöst
Unklarheit herrschte im vergangenen Jahr auch noch bei der Lösung der Stellplatzfrage. Da deren Bereitstellung im Bereich der Kreuzlinger Straße kaum möglich ist, müssten Parkplätze abgelöst werden. Bei einer solchen Ablöse kann ein Bauherr der Stadt eine nach Standort gestaffelte Summe bezahlen – in der Kreuzlinger Straße läge diese bei knapp 13 000 Euro je Stellplatz. Dieses Geld muss die Stadt dann für die Schaffung von öffentlichem Parkgelegenheiten oder Maßnahmen gegen Parkplatznot verwenden.

Fakt ist: Unter dem aktuellen Baustillstand leiden Anwohner und Geschäftsleute der unmittelbaren Nachbarschaft. Franco Nesci wohnt mit seiner Familie im Haus rechts von der Baulücke. Im Erdgeschoss betreibt er sein Geschäft, einen PC-Reparaturservice. „Wir wissen seit Monaten nicht, wie es weitergeht“, sagt er. „Wann wird gebaut? Was wird gebaut? Ich dachte nicht, dass so etwas in Deutschland möglich ist.“ Er selbst hat keine geschäftlichen Einbußen, auf Laufkundschaft ist er nicht angewiesen. Anders sieht die Lage bei Kuyu Kebap links von der Hauslücke aus.

Umsatzeinbußen bei den benachbarten Bistros
„Im Sommer sitzen unsere Gäste draußen direkt neben der Baustelle„, erzählt Zeki Alakus, Sohn des Besitzers des Imbiss. „Durch die Gatter mit dem Sichtschutz vor der Lücke sieht man uns vom Schnetztor nicht mehr. Das ist sehr schädlich für uns.“ Auch Adrian Sarlacan, Wirt des Restaurants und der Eisdiele Grezzo neben dem Gebäude von Franco Nesci, beklagt weniger Kundschaft wegen der Baustelle. „An einem sonnigen Samstag im Sommer vor der Baustelle hatten wir rund 1000 Euro Umsatz. An einem sonnigen Samstag im Juli waren es bei bestem Wetter 280. Unsere Gäste beschweren sich. Das ist nicht schön.“
Erste Risse an der Hausfassade

Neben den Einbußen im Umsatz kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Das Haus von Franco Nesci zeigt im Eingangsbereich erste Risse an der Fassade – eine Sprieße stützt den Türrahmen. „Ich wollte mein Haus eigentlich verkaufen und mit meiner Frau und meinen Kindern nach Oberdorf ziehen“, sagt der Italiener. „Aber wer kauft dieses Haus mit dieser Unsicherheit in der Nachbarschaft?“

Baufälligkeit – aber warum?
Dazu kommt noch ein Schreiben, das Franco Nescis Haus offensichtlich Baufälligkeit bescheinigt. Das Büro Fecker Ingenieure hat die Hauswand von Franco Nescis Gebäude analysiert und kam zu dieser Beurteilung: „Die Streben und Schwellen in diesem Wandabschnitt sind durch Fäulnis stark beschädigt und bereichsweise ohne Resttragfähigkeit. Es ist keine ausreichende Verbindung zwischen Giebelwand und Längswand vorhanden. Der Zustand dieser Wand ist als baufällig zu benennen. Eine ausreichende Standsicherheit ist nicht vorhanden.“

Das Büro schreibt weiter als „erforderliche Maßnahmen“: „Entlastung des Wandabschnittes durch Abstützung der Deckenkonstruktion im ersten Obergeschoss und im Erdgeschoss. Erneuerung der Wandkonstruktion im Erdgeschoss. Sanierung der Wandkonstruktion im ersten Obergeschoss.“ Franco Nesci ist außer sich: „Die Risse sind erst seit dem Abriss des Hauses gekommen. Der Hausbesitzer möchte, dass wir unsere Wände erneuern. Wer kann mir zu 100 Prozent sagen, dass unser Haus auch ohne den Abriss des Nachbarhauses Schaden genommen hätte? Es ist dokumentiert, dass die Risse erst danach entstanden sind.“
Bauherren reagieren nicht auf Anfragen
Das Baurechts- und Denkmalamt der Stadt Konstanz schreibt auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Nach Abbruch des Gebäudes Kreuzlinger Straße 14/16 ergaben sich besondere statische Gegebenheiten. Das beauftragte Prüfingenieurbüro hat zwischenzeitlich die notwendigen Maßnahmen festgelegt, welche noch auszuführen sind. Die Bauherrschaft steht im Gespräch mit den Nachbarn. Nach Fertigstellung dieser notwendigen statischen Maßnahmen bzw. nach Sicherung der Nachbargebäude, kann das Bauvorhaben fortgeführt werden.“ Die Bauherren haben trotz mehrmaliger Anfrage keine Stellung bezogen.
