Dramatische Szenen auf dem Flur des Landgerichts Konstanz: Eine junge Frau lag zitternd und weinend in den Armen von Begleitern. Wenig später sagte sie im Prozess gegen einen 29 Jahre alten Konstanzer aus. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vierfache Vergewaltigung und in mindestens einem Fall Körperverletzung mit einer bewusstseinstrübenden Substanz vor.

Seit Mai in Untersuchungshaft

Der 29-Jährige, der auf eine längere Drogenkarriere blickt und noch daheim wohnt, soll von 2015 bis 2019 vier Frauen in Wohnungen von Petershausen zum Sex gezwungen haben. In mindestens einem Fall soll er dem Opfer zuvor bewusstseinstrübende Substanzen verabreicht, und sich dann an ihm vergangen haben.

Der Angeklagte sagt, er habe mit allen vier Frauen, die sich untereinander kennen würden, einmalig oder über längere Zeit sexuell verkehrt, er habe aber keine der Frauen zu etwas gezwungen. 24 geladene Zeugen sollen für Aufklärung in dem Fall sorgen, in dem Aussage gegen Aussage steht. Das Urteil wird am 23. Januar erwartet. Der Angeklagte sitzt seit Mai in Untersuchungshaft.

Eine der Frauen war minderjährig

In zwei Fällen waren die mutmaßlich vergewaltigten Frauen deutlich jünger als der Angeklagte. Eine war nach Angaben des Vorsitzenden Richters Joachim Dospil acht Jahre jünger, die andere elf Jahre. Eine war zum angegebenen Tatzeitpunkt noch minderjährig.

Die Strafkammer entschied, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen durfte, ohne dem Angeklagten direkt begegnen zu müssen. Ihre Aussage in einem separaten Raum wurde per Video in den Gerichtssaal übertragen. Auch die anderen Frauen sagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Keine Spuren oder sonstigen Beweise

Ihre Glaubwürdigkeit dürfte im Prozess eine zentrale Rolle spielen. Denn nur in einem Fall war eine Frau direkt am Tag nach der mutmaßlichen Tat zur Polizei gegangen. Sie habe sich aber nicht körperlich untersuchen lassen, sagte eine Kriminalbeamtin als Zeugin vor Gericht. Kleidungsstücke, die Spuren der Vergewaltigung hätten enthalten können, seien von der Frau gewaschen worden.

Die anderen Taten seien für Spuren zu lange zurückliegend. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden Tablettenkapseln und eine Feinwaage gefunden. Der Angeklagte will die Kapseln nur mit Mitteln zur Nahrungsergänzung befüllt haben.

Langjähriger Drogenkonsum bis 2018

Der Angeklagte streitet alle Vorwürfe ab. Der Mann, der in Konstanz aufgewachsen ist, gab vor Gericht an, zeitweise bei der Bundeswehr gearbeitet zu haben, zeitweise selbstständig im Bühnenbau. Zuletzt hätte er eine Ausbildung als Zugführer machen können, doch Strafen wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln seien dem entgegen gestanden.

Er habe zehn Jahre lang gekifft, zeitweise chemische Drogen konsumiert und regelmäßig größere Mengen Bier. Seit August 2018 habe er sich aber, abgesehen von wenigen Ausrutschern, der Drogen enthalten.

Vergewaltigung in der Wohnung der Eltern?

Vor Gericht sagte er, er schwimme gern, auch mal extrem lang. Er habe sich in einem Konzert-Club für junge Menschen engagiert, wo er teilweise auch die Frauen, mit denen er verkehrte, kennen gelernt habe.

Er lebe noch in der Wohnung der Eltern, die oft verreist seien. Ein Teil der angeklagten Taten soll sich dort ereignet haben. Zu seinen Zukunftsplänen sagte der Angeklagte: Er wolle wieder zurück zur Bundeswehr. Die feste Struktur dort habe ihm gut getan.

Sexuell unter Druck gesetzt?

„Er gab einem immer das Gefühl, man ist was Besonderes“, sagte eine heute 23 Jahre alte Frau als Zeugin vor Gericht. Sie gab an, von Ende 2014 bis Anfang 2016 eine Beziehung mit dem Angeklagten gehabt zu haben. Ihre frühere Freundin gehört zu den Frauen, die dieser zum Sex gezwungen haben soll.

Die Freundin habe ihr nie buchstäblich von einer Vergewaltigung berichtet, aber dass der Angeklagte sie sexuell unter Druck gesetzt habe. Sie habe ihr nur damals nicht geglaubt. Sie sei vielmehr eifersüchtig und verletzt gewesen, weil die Freundin mit dem Angeklagten zur gleichen Zeit sexuell verkehrte wie sie.

Streit wegen sexuellen Wünschen

Die 23-jährige Zeugin berichtete weiter, wie abhängig sie selbst vom damaligen Partner gewesen sei. „Er hat mir das Gefühl gegeben, dass man was wert ist.“ Der Angeklagte habe sehr häufig Sex gewollt, und es sei jeweils zu Debatten und Streit gekommen, wenn sie den Wünschen nicht nachgekommen sei.

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Aber ihr gegenüber habe er ein Nein letztlich immer akzeptiert, ebenso dass sie bestimmte Praktiken aus dem Sado-Maso-Bereich grundsätzlich abgelehnt habe. Sie berichtete, der Angeklagte habe sich zeitweise wegen Drogenkonsums auffällig verhalten.

„Manche wollen nur Kuscheln“

Seine Geschwister berichteten als Zeugen, sie könnten sich nicht vorstellen, dass der Bruder sexuell übergriffig wurde. Der ältere Bruder stellte fest: Zwei der Frauen, die heute diese Vorwürfe machten, seien im Haushalt der Eltern ein- und ausgegangen.

Er habe selbst erlebt, wie sich der Bruder einmal aufregte, weil eine seiner Frauen ihn durch „Fummeln“ angeheizt habe, dann aber keinen Sex haben wollte. Der Angeklagte habe dies akzeptiert.