Die über 1000 Jahre alten, wertvollen Wandmalereien in der St. Georgs-Kirche auf der Insel Reichenau sind ein zentraler Bestandteil des Weltkulturerbes und sollen künftig noch besser geschützt werden vor Schimmelbefall und Verschmutzung. In einem zweijährigen Forschungsprojekt, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wurde, haben Fachleute aus verschiedenen Bereichen umfassende Messungen und Analysen vorgenommen.

Erforscht wurde dabei das gefährliche Zusammenwirken von Klimaschwankungen im Inneren der Kirche mit Pilzbefall, Staubbelastung und Salzen an den Wänden der Krypta. Das Resultat ist nun ein neues System, das automatisch das Raumklima und den Feuchtigkeitsgehalt kontrolliert und reguliert – und dies nicht nur wie in den vergangenen Jahren durch ein gesteuertes Öffnen und Schließen der Fenster, sondern zusätzlich durch eine zeitweilige Aktivierung der vorhandenen Sitzbankheizung, erklären die Projektleiter Dörthe Jakobs vom Landesamt für Denkmalpflege und Professor Harald Garrecht von der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart. Letzterer betont, das System sorge alle zwei Minuten für eine Optimierung des Klimas. Und Jakobs erläutert, dass die Messsonden, die auf den Wandbildern angebracht sind, mit ihren Daten den Impuls geben, wann aufgrund von Kondensatbildung die Heizung eingeschaltet werden müsse. Zur Steuerung wurde eine eigene Technologie entwickelt und eine Software programmiert. Die jeweils aktuellen Klimadaten könne sie nun zudem übers Internet auch andernorts verfolgen, so Dörthe Jakobs.

In der Krypta der Kirche gebe es bereits seit September 2015 ein System zur Klimasteuerung. Nun habe man nachweisen können, dass es dadurch einen Rückgang des Pilzbefalls gebe. Hier wurden zugleich bei den Untersuchungen Erkenntnisse gewonnen über eine Belastung der Wände durch Salze, die aus dem zementhaltigen Außenputz aus den 1960er Jahren durchs Mauerwerk eingedrungen seien.

Klimamessungen in der Georgs-Kirche gibt es bereits seit den frühen 1980er Jahren. Verfeinert wurde das System aber erst, nachdem 2003 ein starker Schimmelbefall und eine starke Verschmutzung festgestellt wurden, was eine aufwändige Säuberung durch Jakobs und andere Restauratoren nötig machte. Daraufhin wurde eine Vorrichtung zum automatischen Öffnen und Schließen der Fenster installiert. Es zeigte sich jedoch im Lauf der Zeit, dass eine Belüftung wenig Sinn ergibt, wenn außen die Luftfeuchtigkeit hoch ist, so die Fachleute. 2011 wurden die Klimamessungen intensiviert und rund 160 Sensoren aufgehängt. Das Ergebnis war, so Harald Garrecht, dass es kritische Grenzbereiche gab, wo Schimmelbefall immer möglich war. „Das war nicht ausreichend genug.“

2013 konnten die Denkmalpfleger die Kirchengemeinde davon überzeugen, dass die Kirche zur Besucherlenkung in der Saison tagsüber geschlossen werden sollte und nur zeitlich beschränkt Führungen angeboten werden sollten. Dies habe zwar etwas gebracht, so Jakobs und Garrecht, aber schließlich habe man erkannt, dass eine andere Form der Raumluftkontrolle nötig sei, weshalb dann das nun abgeschlossene Forschungsprojekt beantragt wurde.

Im Rahmen dessen seien nun auch alle Messdaten aus über 30 Jahren – rund 30 Millionen Datensätze – geschlossen ausgewertet und in Relation zu den jeweiligen Wetterdaten gesetzt worden, so Garrecht. Dies habe Aufschluss gegeben über die Zusammenhänge von Außen- und Innenklima, so die Experten. Weitere neue Erkenntnisse haben die Analysen von rund 120 Staubproben ergeben, die von den Wänden genommen wurden.

Eine Besonderheit des Projekts sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten aus der Denkmalpflege und Konservierung, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren gewesen, so Jakobs: „So etwas geht nur in einem unglaublich guten Team.“ Zudem habe man viele moderne Untersuchungsmethoden anwenden können, die vorher noch nicht in solchen Fällen eingesetzt worden seien. Bei einer Tagung auf der Reichenau wurden die Ergebnisse vorgestellt. Und etliche der daran teilnehmenden rund 200 Denkmalpfleger, Fachleute und Wissenschaftler, die mit anderen historischen Stätten befasst sind, hätten gemeint, dies gebe ihnen unglaubliche Impulse für ihre Arbeit.

Wobei auch in St.  Georg die Arbeit nicht beendet sei, so Garrecht: „Es kann sein, dass wir noch optimieren müssen. Das muss man beobachten.“

Original und Kopie

Die St. Georgs-Kirche wird bis heute für Gottesdienste genutzt. Deshalb würde es auch keinen Sinn ergeben, zum Schutz des Originals eine Kopie für Besucher zu bauen – wie es etwa in Frankreich mit der berühmten Steinzeithöhle von Lascaux gemacht wurde. Was viele jedoch nicht wissen: Von St. Georg gibt es bereits eine Kopie – im Ort Rittersbach im Odenwald. Nachdem 1879 auf der Reichenau die acht mittelalterlichen Wandbilder über Wundertaten Jesu wieder entdeckt worden waren, bauten die Verantwortlichen in Rittersbach 1886 eine Basilika, in der die Wandbilder von der Reichenau nachgemalt wurden. (toz)