Es soll das Ökoflaggschiff der Stadtwerke sein: Die neue mit Flüssiggas (LNG) betriebene Fähre wird als umweltfreundliche Alternative zu den bisherigen Dieselmotoren gefeiert.
Doch Klimaschützer sehen den Treibstoff kritisch: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Konstanz und der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben kommen zu dem Schluss: „Wenn man uns zu dem Flüssiggasantrieb vorher befragt hätte, hätten wir dringend abgeraten.“
Die Stadtwerke Konstanz hingegen sehen im Flüssiggas den ökologisch und ökonomisch bestmöglichen Antrieb.
Die Förderung von Flüssiggas stellt ein Problem dar
Der Knackpunkt beim Flüssiggas: Beim Verbrennen entstehen zwar nachweislich deutlich weniger klimawirksame und gesundheitsschädliche Schadstoffe als beim Einsatz des herkömmlichen Diesels. Doch je nach Methode der Förderung und Weiterverarbeitung kann das besonders klimaschädliche Methan entweichen.
„Bei Leckage-Raten von über drei Prozent hat Gas sogar eine schlechtere Energiebilanz als Kohle“, stellt ein Klimabündnis aus 25 Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen fest. Es hatte im März 2019 in einem Schreiben an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur geplanten Förderung einer Infrastruktur zu LNG-Importen Stellung bezogen.
Der Brennstoff
Das Flüssiggas
Die Abkürzung LNG steht für Liquefied Natural Gas, also verflüssigtes Erdgas. Es handelt sich um herkömmliches Erdgas, das auf minus 162 Grad Celsius gekühlt wird. Es verflüssigt sich dabei und hat nur noch ein Sechshundertstel des Volumens. Transport und Lagerung sind so leichter möglich. Beim Verbrennen entstehen deutlich weniger klima- und gesundheitschädliche Stoffe als beim Schweröl, das im Schiffsverkehr überwiegend zum Einsatz kommt. Bei der Umweltbilanz spielt aber auch eine Rolle, nach welcher Methode das Gas gefördert und verarbeitet wurde, und ob es gelingt, den Methanschlupf zu verhindern, also das Entweichen den besonders klimaschädlichen Gases.
Die Sicherheit
Bei der neuen Konstanzer Fähre unterliegen nach Angaben der Stadtwerke alle Teile, die mit LNG in Berührung kommen, Standards der International Maritime Organization und werden durch eine Klassifikationsgesellschaft überprüft. Die letzte Freigabe liege beim Schifffahrtsamt in Konstanz. Alle gasführenden Rohre würden doppelwandig gebaut, und alle paar Meter mit Gasschnüfflern ausgestattet. Im Falle eines Lecks würden diese Alarm schlagen. Der Treibstoff komme alle sechs Tage mit einem Tanklastzug. Von diesem werde das Schiff nach internationalen Standards direkt betankt. Für den Tankvorgang werde nach Angaben der Stadtwerke eine neue Brücke in Staad gebaut.
Amerika hat hohes Interesse, sein Flüssiggas auch an Deutschland zu liefern. In den USA kommt die wegen der Umweltfolgen umstrittene Fördermethode Fracking zum Einsatz, wohl aber (noch) nicht bei dem Treibstoff, den die Stadtwerke beziehen wollen.
Wegen des möglichen Zusammenhangs von Fracking und der Förderung von Flüssggas hatte sich Leser Wilfried Püls alarmiert gezeigt, und beim SÜDKURIER nachgefragt.
BUND: „Ein moderner, klimafreundlicher Antrieb wäre ein Elektroantrieb gewesen, der mit erneuerbaren Energien gespeist wird“
Für den BUND ist unter dem Strich klar: „Auch Flüssiggas ist ein fossiler Brennstoff. Ein moderner, klimafreundlicher Antrieb wäre ein Elektroantrieb gewesen, der mit erneuerbaren Energien gespeist wird.“
Der Naturschutzbund kommt in seinem Positionspapier zu LNG als Treibstoff im Schiffsverkehr zu einer ähnlichen Einschätzung: „Die Klimabilanz kann gegenüber Schweröl um bis zu 28 Prozent besser ausfallen. Sie kann je nach Lieferkette und Motor aber auch negativ ausfallen.“ Grundsätzlich betrachtet der Verband fossile Gase als Übergangstechnologie und fordert den verstärkten Ausbau regenerativer Energiequellen.

Wissenschaftler sehen Flüssiggas lediglich als Übergangsbrennstoff
Auch das Fraunhofer-Institut und die Forschungsstelle des Deutschen Vereins für Gas- und Wasserfach (DVGW), beide in Karlsruhe, sehen in der gemeinsam verfassten aktuellen Kurzstudie für das Bundes-Umweltministerium das Flüssiggas kritisch: „Aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ist ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline transportiertem Gas nicht begründbar.“
Für den Sonderfall Schiffsverkehr allerdings, bei dem sich noch wenige klimafreundlichere Alternativen anbieten und ein Energieträger mit hoher Dichte benötigt wird, sehen die Wissenschaftler zweckmäßige Einsatzmöglichkeiten von Flüssiggas als Übergangstechnologie.
Stadtwerke: „Für den 24-Stunden-Betrieb der Fähre ist der gefundene LNG-Antrieb die bestmögliche Lösung“
Die Stadtwerke Konstanz verweisen auf umfangreiche Untersuchungen im Vorfeld. Dabei seien der batterieelektrische Antrieb, Brennstoffzellen, Hybridantriebe und Flüssigerdgas nach ökologischen und ökonomischen Kriterien geprüft worden.
„Für den 24-Stunden-Betrieb der Fähre und dem gegebenen Fahrprofil ist nach dem jetzigen Stand der Technik der gefundene LNG-Antrieb die bestmögliche Lösung, auch unter ökologischen Gesichtspunkten“, schreibt Josef Siebler, Sprecher der Stadtwerke auf Anfragen.
Die neue Fähre könnte auch problemlos mit aus Biogasanlagen erzeugtem LNG betankt werden, sobald dieses zu verträglichen Marktpreisen zu haben sei. Dann wäre der Kohlendioxid-Ausstoß bei nahezu Null. Aber auch das klassische Flüssiggas habe Vorteile.
Bundesverkehrsministerium fördert den Antrieb mit Gas
Siebler bezeichnet den Treibstoff LNG als hochgereinigtes, herunter gekühltes, und damit verflüssigtes Erdgas. Bei der Verbrennung fielen keine Rußpartikel an, im Vergleich zum Diesel bis zu 30 Prozent weniger Kohlendioxid und kaum Stickoxide.
Die Vorteile sieht wohl auch das Bundesverkehrsministerium. Es hatte noch im Jahr 2015 mehr als eine Million Euro zur Förderung des innovativen Antriebs überwiesen. Nach Angaben Sieblers wird die Fähre voraussichtlich ab Spätsommer 2020 zwischen Konstanz und Meersburg verkehren.
Alle sechs Tage werde das neue Schiff dann direkt am Hafen über einen Lastzug betankt. Dieser komme in der Anfangszeit aus Rotterdam, später möglicherweise aus Basel, wo ein neuer LNG-Terminal öffnen werde.
Stadtwerkesprecher Josef Siebler geht davon aus, dass bei der Förderung des Flüssiggases, welches die Stadtwerke beziehen, das wegen gravierender Umweltfolgen in der Kritik stehende Fracking nicht zum Einsatz kommt.