Es ist nur ein Halbsatz, aber er sorgt für Empörung bei der Initiative Konstanzer Seebrücke. „Doch bei aller Hilfsbereitschaft müssen wir auch die Grenzen unserer Möglichkeit erkennen“, lauten die Worte, die Oberbürgermeister Uli Burchardt am 7. Dezember an Ministerpräsident Winfried Kretschmann schrieb.
Worum ging es in dem Brief?
Anlass ist das kürzlich tagelang auf dem Mittelmeer treibende Fischerboot „Nuestra Madre de Loreto“, auf dem sich zwölf Geflüchtete befanden und das keinen Hafen anfahren durfte.

Konstanz und seine Bürger haben sich seit 2015 „sehr für geflüchtete Menschen engagiert und dazu beigetragen, dass viele von ihnen bei uns eine sichere Aufnahme gefunden haben“, schrieb Burchardt weiter.
Nun aber weitere Flüchtlinge von der „Nuestra Madre de Loreto“ aufzunehmen, ist laut Burchardt im Hinblick auf die Wohnraumsituation in der Stadt nicht möglich. Auch wenn er dies aus humanitären Gründen für wünschenswert hielte. Die Stadt könne bereits „ihrer Verpflichtung in der Anschlussunterbringung leider nicht nachkommen“.
Durch den von der Linken Liste eingebrachten Antrag bestätigt die Stadt gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) "die unbedingte Bereitschaft, auch über die bundesrechtlichen Pflichten hinaus, Bootsflüchtlinge aufzunehmen". Außerdem schloss sich die Stadt einem Appell der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Köln und Bonn an. Sie hatten Kanzlerin Angela Merkel im Sommer zur Wiederaufnahme der Seenotrettung aufgerufen.
Karin Brüggemann von der KonstanzerSeebrücke sagt deshalb: "Der Beschluss ist klar, und bedeutet nicht, dass man die Verantwortung einfach an den Ministerpräsidenten abschieben kann."
War der Gemeinderat über den Brief von Burchardt an Kretschmann informiert?
Burchardt hatte bereits in der Diskussion im Oktober jene Bedenken geäußert, die er nun an Ministerpräsident Kretschmann schrieb. Den Antrag der Linken Liste unterstützte er nicht. Um nicht nur ein Lippenbekenntnis zu leisten, sagte er im Oktober, müsste es mehr Wohnungen geben. Über die schwierige Situation hatte Burchardt laut Rathaus-Sprecher Walter Rügert in nichtöffentlicher Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) am 4. Dezember nochmals informiert.
"In der Diskussion wurde aus den Reihen der Räte Verständnis für die schlechten Handlungsmöglichkeiten der Stadt geäußert", teilt Rügert mit. Die Idee, dies in einem Brief an den Ministerpräsidenten zu fomulieren, sei "aus den Reihen der Räte" gekommen.
Reicht das nicht als Erklärung aus?
Brüggemann will den fehlenden Wohnraum als Argument nicht gelten lassen: "Ich weiß, dass es eng ist und wir werden nicht bei jedem infrage kommenden Flüchtlingsboot appellieren. Aber in diesem Fall handelte es sich um zwölf Personen, die hätten wir unterbringen können."
Einer von ihnen verstarb, die übrigen elf konnte die "Nuestra Madre de Loreto" vorerst auf Malta absetzen. In einem Offenen Brief an OB Burchardt wollen Brüggemann und sechs Mitstreiter der Initiative nun wissen, "wie die Stadt Konstanz künftig den Beschluss des Gemeinderats umzusetzen gedenkt".
Und wie lautet darauf die Antwort des Oberbürgermeisters?
Burchardt lässt über Pressesprecher Walter Rügert mitteilen, er sehe sich "selbstverständlich verpflichtet, den Gemeinderatsbeschluss umzusetzen". Dem BaMF sei mittlerweile schriftlich mitgeteilt worden, dass sich Konstanz zum sicheren Hafen erklärt hat. Nach den Diskussionen in den politischen Gremien im Oktober und Dezember gehe Burchardt davon aus, dem Willen des Gemeinderats entsprochen zu haben.
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