Felix Braun fühlt sich verschaukelt, als er eine Mitteilung der Stadt Konstanz liest. Dort wird über „eine verstärkte Staubbildung“ im Zuge der Abrissarbeiten auf dem Gelände des Vincentius-Krankenhauses an der Laube informiert.
Dazu der Hinweis: „Das Landratsamt hat auf Hinweise des städtischen Baudezernats inzwischen angeordnet, dass unverzüglich mehr Staubbindeanlagen einzusetzen sind.“

Seit 16. Mai setze die für den Abriss zuständige Firma eine sogenannte Wasserdispersionsanlage ein. Vereinfacht gesagt wird dabei Wasser als feiner Nebel versprüht, um Staub zu binden und seine Ausbreitung über die Luft zu minimieren.
Der Inhaber eines Radgeschäfts ist über den Zeitpunkt verwundert
„Jetzt ist das zu spät, das größte Problem liegt hinter uns, der Abriss ist fast beendet“, sagt Felix Braun, „aktiv werden müssen hätte man am 24. April.“

Der Inhaber eines Fahrrad- und Sportgeschäfts in der Schottenstraße nahe der Vincentius-Baustelle hatte sich damals an die Stadt gewandt. Nicht nur einmal und nicht nur an sie, sondern auch an die Polizei und die Gewerbeaufsicht. Er frage sich, warum man Anwohner erst mehrere Wochen nach der stärksten Staubbildung informiert habe und nicht davor. „Wir hätten den Laden zum Beispiel einfach für zwei oder drei Tage geschlossen“, erklärt Braun.
Der mehrere Meter hohe Kamin wurde bereits kurz nach Ostern abgerissen
Hintergrund war der Abriss des mehrere Meter hohen Kamins an jenem sonnigen, windigen Tag kurz nach Ostern. Damals wurde bereits versucht, den frei werdenden Staub mit Wasser aus Schläuchen zu binden. Bilder und Videoaufnahmen zeigen jedoch, dass dies nicht vollständig gelang.
Gestaubt habe es bereits seit Beginn der Abrissarbeiten, erklärt Braun. Was ihn und seine Mitarbeiter jedoch irritiert habe: „Unsere Augen waren plötzlich gereizt und wir mussten durchgehend husten.“ Als seine Kunden von denselben Problemen berichteten, habe er sich zum Handeln gezwungen gefühlt.
Felix Braun: Keiner wollte oder konnte mir weiterhelfen
Sein erster Anruf erfolgte bei der Polizei, der zweite ging an das Baurechts- und Denkmalamt der Stadt, der dritte schließlich an die Gewerbeaufsicht. „Weiterhelfen wollte oder konnte mir aber niemand, ich wurde von der einen zur nächsten Stelle weitergereicht“, ärgert sich Braun, der betont, er wolle mit seiner Kritik niemanden „persönlich ankreiden“.
Ihm ging und gehe es um drei Dinge. Erstens darum, eine Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden, Mitarbeiter und ihn selbst auszuschließen; zweitens darum, sicherzustellen, wer die Kosten für die Reinigung der durch den Staub verschmutzten Fahrräder, die sonst vor dem Geschäft stehen, sowie den Umsatzausfall durch fehlende Kunden übernehme.

Denn weil er sich mit seinen Bedenken alleingelassen gefühlt habe, verschloss er die Türen seines Geschäfts und holte die sonst im Freien stehenden Fahrräder in sein Lager. Drittens sorgt er sich um rechtliche Konsequenzen, wenn er über den Verkauf seiner Fahrräder belastetes Material an seine Kunden verbreite.
Was sagt der Schulleiter des nahen Humboldt-Gymnasiums?
Auf die Schüler und Lehrer des benachbarten Humboldt-Gymnasiums haben die Abrissarbeiten laut Schulleiter Jürgen Kaz bislang insgesamt keine Auswirkungen. „Durch die vielen Bäume an der Grenze des Grundstücks haben wir davon bislang wenig mitbekommen“, erklärt er. Eine Einschätzung zur Situation wegen des Kamin-Abbruchs sei nicht möglich. „Das war in den Schulferien“, sagt der Schulleiter.

Gewerbeaufsicht stuft Menge der verbauten Mineralwolle als unkritisch ein
Einen Tag nach Felix Brauns Hinweisen habe sich eine Streife der Polizei ein Bild von der Situation gemacht und ihm geraten, möglichst alles zu dokumentieren. Zudem erschien ein Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht an der Baustelle. Dies bestätigt Katrin Roth, Sprecherin des Landratsamts Konstanz, zu dem die Gewerbeaufsicht gehört.
„Während diesem Termin fanden auch noch die Abbrucharbeiten an dem noch verbliebenen, etwa noch 15 Meter hohen Kamin statt. Dabei wurden keine auffälligen Belastungen festgestellt“, erklärt sie auf Anfrage des SÜDKURIER. Dass dort Mineralwolle verbaut wurde, sei bemerkt worden. „Die festgestellte Menge beziehungsweise dessen Potenzial, entstehenden Staub in relevantem Maße zu belasten, ist jedoch als unkritisch einzustufen“, fasst die Landratsamts-Sprecherin zusammen.
Interpretation von Gewerbeaufsicht und anderen Fachleuten weichen voneinander ab
Auch die Analyse einer Staubprobe, die ein Anwohner – hierbei handelt es sich um Fahrradladen-Inhaber Felix Braun – privat in Auftrag gegeben habe und dessen Ergebnis der Gewerbeaufsicht vorliege, lasse keine Gesundheitsgefährdung vermuten. „Im Übrigen wurden auch keine weiteren gesundheitsgefährdenden Stoffe, wie Asbest oder PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe werden als krebserzeugend eingestuft, die Redaktion), festgestellt.“
Auch dem SÜDKURIER liegt das Analyseergebnis vor, mit dem Hinweis: Es sind künstliche Mineralfasern gefunden worden, die nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation nachweislich krebserzeugend sein können, wenn sie eingeatmet werden. Auch dass in der Probe, die Felix Braun in Auftrag gab, kein PAK gefunden worden sei, sei laut eines Mitarbeiters des zuständigen Analysezentrums nicht präzise. So sei lediglich nicht zu beziffern, wie hoch deren Anteil im Staub war, bevor er von der Luft auf den Boden rund um die Baustelle niederging.
Gutachten für Vincentius-Areal
Für das Gesamtprojekt Laubenhof habe der Grundstückseigentümer LBBW Immobilien zwei Schadstoffgutachten erstellen lassen. Diese seien zu dem Ergebnis gekommen, dass „das Vincentius Areal aufgrund der größtenteils unauffällig befundenen Laboranalysen als insgesamt gering bis kaum belastet eingestuft wird“, erklärt Katrin Roth, Sprecherin des Landratsamts. Dieses Ergebnis sei durch eine weitere Begehung eines Mitarbeiters der Gewerbeaufsicht im Oktober 2018 im Beisein der Bauherrn und Gutachters bestätigt worden. Der Kamin wurde dabei nicht gesondert beprobt. Laut Roth sei eine solche Maßnahme wegen des vergleichsweise einfachen und typischen Aufbaus und der häufig mit bloßem Auge zu erkennenden Bausubstanz „in den meisten Fällen nicht erforderlich“. Anwohner und Nachbarn haben mittlerweile die Möglichkeit, auf Anfrage Einsicht in das Gutachten zu erhalten. Laut Felix Braun sei dies mit Hinweisen auf den Datenschutz zunächst verwehrt worden und ein Grund dafür, dass er ein privates Gutachten in Auftrag gegeben habe.
Auch die Bebauung wird wieder zum Thema
Nicht nur der nahezu abgeschlossene Abriss der Vincentius-Gebäude beschäftigt Konstanz. Gegen den geplanten Neubau regte sich jüngst Widerstand der umtriebigen Konstanzer Fridays-for-Future-Bewegung.
- Protestaktion: So protestierten laut einer Mitteilung der Klima-Aktivisten Ende vergangener Woche Schüler und Studierende mit einer Menschenkette gegen den geplanten Neubau. Hintergrund ist eine der Maßnahmen, den Fridays-for-Future als Folge des ausgerufenen Klimanotstands vorlegte: der nahezu komplette Verzicht auf Beton bei Neubauten.
- Kritikpunkt Tiefgarage: Für Unmut bei den Fridays-for-Future-Aktivisten sorgt unter anderem die geplante Tiefgarage unter dem künftigen Wohnkomplex. Da dort mehrere Busse direkt vor der Haustür hielten, komme ein „so zentraler Neubau ohne Tiefgarage aus“, lässt dich Manuel Oestringer zitieren. Bei den bisherigen Planungen seien Lösungen wie Car-Sharing, Fahrräder und Busse nicht berücksichtigt worden. Deshalb müsse „jetzt nachhaltig geplant werden“, so die Einschätzung von Fridays-for-Future, die hierbei auch das Land Baden-Württemberg in die Pflicht nehmen. Diesem gehören knapp 25 Prozent der Anteile der Landesbank Baden-Württemberg, dessen Immobilien-Zweig Eigentümer und Bauherr des Wohnprojekts ist.